Bericht aus Brüssel

Bericht aus Brüssel Einer legt den Finger in die Wunde Daimler-Truck-Chef Andreas Renschler kritisiert in Brüssel die Verkehrspolitik der EU. Widersprüchliche Zielvorgaben bereiten den Nutzfahrzeugherstellern Probleme. EU-Vertreter können den Vorwurf nur schwer entkräften. Das klang überzeugend: „Die EU macht viele kontraproduktive Vorschläge, die sich gegenseitig widersprechen“, sagte Andreas Renschler, Vorstandsmitglied von Daimler und Chef der Sparte Nutzfahrzeuge, vor einigen Tagen auf einer Konferenz des Europäischen Verbands der Automobilhersteller Acea in Brüssel. Einerseits verfolge die EU das Ziel, den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr zu senken. Gleichzeitig wolle Brüssel auch den Lärm von Fahrzeugen verringern. „Aber wenn der Lärm von LKW auf die angestrebten 78 Dezibel gesenkt werden soll, muss man sich bewusst sein, dass dann der CO2-Ausstoß um sechs bis acht Prozent steigt“, rechnet Renschler vor. Stimmt gar nicht, hört man wenige Tage später vom europäischen Umweltverband Transport & Environment (T&E): Die Ziele Lärmreduzierung und Verringerung des Treibstoffverbrauchs zur Senkung der CO2-Emissionen sind sehr wohl miteinander vereinbar und könnten fast problemlos erreicht werden – auch bei LKW. Das zeige eine Studie des niederländischen Forschungsunternehmens TNO, das die EU-Kommission offiziell berät. „Wenn ein LKW tatsächlich sechs bis acht Prozent mehr CO2 wegen der Lärmschutzmaßnahmen ausstoßen würde, müssten die zusätzlichen Anbauten wie Lärmschutzkapseln rund eine halbe Tonne wiegen“, kommentiert Greg Archer von T&E die Aussage von Renschler. Tatsächlich belaufe sich das zusätzliche Gewicht für die Lärmschutzmaßnahmen auf lediglich ein paar Dutzend Kilogramm. Wer hat nun recht? Sind die Vorschläge der EU gerade im Bereich Verkehr tatsächlich widersprüchlich? Bei den Funktionären in Brüssel lässt sich diese Frage jedenfalls nicht eindeutig klären. Matthias Ruete, Leiter der Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG Move) der EU-Kommission, weicht einer klaren Antwort aus. DG Move verfolge eine „kohärente Politik“, die im Weißbuch für Verkehr jüngst erst festgeschrieben wurde. Mit der DG Industrie seien die Ziele weitgehend abgesprochen. Mehr wolle er zu dem Thema nicht sagen. Lautes Klappern – auf beiden Seiten Deutlicher werden Verkehrspolitiker des EU-Parlaments. „Klappern gehört zum Handwerk“, tut Michael Cramer (Grüne) Renschlers Kritik ab. Er, Cramer, sei kein Ingenieur. Aber eines wisse er genau: Immer, wenn die Autoindustrie etwas nicht wolle, führe sie solche Argumente ins Feld. Wenn die EU-Gesetze dann trotzdem verabschiedet werden, sei plötzlich all das möglich, was als unmachbar verkauft wurde. Anders Gesine Meißner (FDP). „Das Problem, dass verschiedene EU-Initiativen widersprüchliche Auswirkungen haben und nicht ganz zu Ende gedacht scheinen, begegnet einem in der Tat öfter“, räumt sie ein. Korrigiert werden könne das durch den Prozess der Gesetzgebung. Markus Ferber (CSU) schränkt das ein. Das Parlament könne nicht alles wieder geradebiegen, was als „krumme Dinger“ von der EU-Kommission käme. Renschler habe nämlich recht. „Die EU-Kommission braucht eine ordnende Hand, da fehlt es häufig an Abstimmung“, sagt Ferber. Die Ergebnisse müsse die Wirtschaft dann ausbaden. ❙❚■ Kay Wagner, VR-Korrespondent in Brüssel Lärmschutz an der Quelle: LKW sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig leiser werden Fotolia/VOM Kay WagnerVR-Korrespondent Privat Eine klare Linie fehlt Widersprüchliche EU-Vorschriften, die eine Quadratur des Kreises verlangen: Das darf nicht sein. Andreas Renschler hat mit seiner Kritik – begründet oder nicht – die EU-Politik vorgeführt. Es ist erschreckend, dass kein EU-Vertreter überzeugendes Kontra geben kann. Damit gibt man Renschler recht. In Zeiten der Krise, der wachsenden Konkurrenz weltweit, ist das gefährlich. In solchen Zeiten braucht Wirtschaft mehr als sonst klare Vorgaben von der Politik. Konkret: Am Ende muss die klare Linie stehen. Fehlt sie, gibt es ein Problem. Die EU gibt zu, dieses Problem zu haben. Sie ist aufgefordert, das zu lösen. kw Kommentar

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