Bei den Staplerkosten nicht verheben

Der Vertriebler braucht sie, um sein Kundenangebot zu kalkulieren. Der Einkäufer braucht sie für einen Kostenvergleich und der Controller für seine Planung und die Betriebskostenkontrolle: Bei jedem Logistikdienstleister, der auf Gabelstapler setzt, spielt die Ermittlung der Staplerkosten eine Rolle. Hinter dem vermeintlichen betriebswirtschaftlichen Standardproblem steckt einiger Zündstoff. Dabei scheint alles gut geregelt zu sein. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat die Notwendigkeit zu einer Vereinheitlichung der "Ermittlung der Betriebskosten für Diesel- und Elektrogabelstapler" erkannt und eine entsprechende Richtlinie erarbeitet: die VDI-Richtlinie 2695, erschienen im Beuth-Verlag. Das Regelwerk unterscheidet sich auf den ersten Blick in der Systematik nicht wesentlich von Fahrzeug-Kostenrechnungen, wie sie für LKW angefertigt werden. Es gibt eine Aufspaltung der Kalkulation in fixe und variable Kosten. Im Unterschied zur LKW-Kostenrechnung ist das Ergebnis allerdings kein gesplitteter Kalkulationssatz nach Kosten je Einsatztag und Kosten je Kilometer. Die Berechnung nach VDI 2695 liefert als Ergebnis die Gesamtkosten pro Betriebsstunde - die Aufspaltung in fix und variabel macht Sinn, um die Auswirkungen von Beschäftigungsschwankungen besser kalkulieren zu können. Fixe Kosten Die Ermittlung der fixen Kosten scheint auf den ersten Blick trivial. Benötigt werden zunächst einmal die Anschaffungskosten und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer laut AfA-Tabelle (Absetzung für Abnutzung), woraus sich der AfA-Betrag pro Jahr ergibt. Bei Elektrostaplern ist zu beachten, dass neben dem Stapler auch die Kosten für Batterie, eventuell auch Wechselbatterien im Mehrschichtbetrieb, einfließen müssen. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals errechnet man, indem man den halben Anschaffungswert mit dem internen Zinssatz multipliziert. Die VDI-Richtlinie arbeitet hier mit acht Prozent, andere Zinssätze sind aber möglich. Wer einen Leasingvertrag abgeschlossen hat, kann einfach den jährlichen Leasingaufwand ansetzen und erspart sich die Berechnung der Verzinsung. Aufpassen muss man bei der Kalkulation, wenn die Stapler länger oder kürzer genutzt werden, als in der AfA-Tabelle vorgesehen. In diesem Fall sollte man die kalkulatorische Abschreibung, Anschaffungskosten geteilt durch tatsächliche Nutzungsdauer, ansetzen. Ein Hauptproblem ist die Ermittlung der Betriebsstunden. Die VDI-Richtlinie 2695 verweist auf ihre Schwester VDI 3960:1998-03. Es kann allerdings nicht schaden, in diesem Punkt genauer hinzuschauen. In der Regel werden die Betriebsstunden in einem Staplerfuhrpark durch einen Betriebsstundenzähler erfasst, der im Stapler eingebaut ist. Doch manche Nutzer wissen nicht, was dieser Zähler eigentlich zählt. Gängig sind die Arbeitsstunden, die dann gezählt werden, wenn einer der Motoren läuft. Es gibt aber auch andere Messmethoden, wie eine ältere Studie der Uni Duisburg-Essen herausgefunden hat: Schlüsselzeit (Stapler ist eingeschaltet), Motorfahrzeit (Antriebsmotor läuft) oder Motorhubstunden (Hubmotor läuft). Für die Kalkulation der Staplerkosten ist es wichtig, dass über die gesamte Flotte hinweg die Betriebsstunden einheitlich ermittelt werden. Diese Daten können auch Flottenmanagementsysteme für Stapler liefern, wie sie von vielen Flurförderzeugherstellern angeboten werden (siehe VerkehrsRundschau 22/2014). Variable Kosten Während man die VDI-Richtlinie bei den fixen Kosten eigentlich nicht wirklich braucht und zur Kalkulation betriebswirtschaftliches Allgemeinwissen ausreicht, liefert sie bei den variablen Kosten handfeste Kalkulationshilfen. Das gilt zum Beispiel für die Ermittlung des Wartungs- und Reparaturaufwandes. Der Reparatur- und Wartungsaufwand basiert auf der Investitionssumme für das Fahrzeug und enthält Reparatur- und Wartungslöhne sowie Ersatzteilkosten einschließlich Reifen und Schmierstoffe. Gewaltschäden sind nicht enthalten. VDI 2695 stellt einen Investitionskostenfaktor zur Verfügung, der den Reparatur- und Wartungsaufwand abhängig von den Investitionskosten darstellt. Je nach Einsatzart schwankt der Faktor. In der Kategorie I (leichte Beanspruchung) liegt er bei Elektrostaplern zwischen 0,05 und 0,1 - also zwischen 5 und 10 Prozent im Jahr. Bei der Kategorie II (mittlere Beanspruchung) sind es 7 bis 18 Prozent und in der Kategorie III zwischen 9 und 14 Prozent. "Der Toleranzbereich ergibt sich aus dem Fahrzeugtyp, der Flottengröße, den Einsatzbedingungen und aus der Instandhaltungsorganisation mit eigener Werkstatt oder Betreuung durch den Hersteller", heißt es in der Richtlinie. Bei Dieselstaplern liegt der Faktor deutlich höher: 10 bis 18 Prozent in der Kategorie I, 13 bis 23 Prozent in der Kategorie II und 17 bis 30 Prozent in der Kategorie III. Wer einen umfassenden Wartungsvertrag abgeschlossen hat, kann sich die Unsicherheiten ersparen, welche die große Bandbreite der Faktoren mit sich bringt. Er setzt einfach die Kosten pro Betriebsstunde aus dem Vertrag an. Knifflige Energiekosten Auch bei der Ermittlung der Energiekosten gibt die Richtlinie Normwerte vor: für Dieselstapler 1,9 Liter pro Betriebsstunde bei 1,6-Tonnen-Staplern bis hin zu 2,4 Litern für 3-Tonner. Bei Elektrostaplern ist die Ermittlung der Energiekosten komplizierter. Die Richtlinie nähert sich dem Wert, indem sie zunächst den Energiebedarf ermittelt. Dazu werden Batterienennspannung mit Nennkapazität sowie den Faktoren 0,8 und 1,8 multipliziert. Der Faktor 0,8 entspricht 80 Prozent Entnahme der Nennkapazität. Der Faktor 1,8 basiert auf dem Wirkungsgrad von Batterie und Ladegerät. Das Ergebnis wird durch 1000 geteilt. Um den Jahresbedarf zu ermitteln, muss der tägliche Energiebedarf noch mit der Zahl der Einsatztage (im Einschichtbetrieb) oder der Zahl der Ladevorgänge multipliziert werden. Aus dem Energiebedarf und dem Strompreis des Betreibers errechnen sich die Energiekosten. Das Verfahren der Energiekostenermittlung ist einer der Hauptkritikpunkte von Praktikern an der Richtlinie (siehe Interview Seite 55). Die Normwerte für den Verbrauch seien "unrealistisch", das für die Berechnung des Energieverbrauchs zugrunde liegende Arbeitsspiel "nicht wirklich praxisnah", kritisiert Frank Bergmann. Er ist Produktmanager für Gegengewichtsstapler bei Linde Material Handling. Doch die Kostenermittlung laut VDI 2695 hat noch andere Grenzen. So versteht sich das Ergebnis als Maschinenkostensatz ohne Personalkosten. Die Personalkosten sind aber wesentlich. Die obige Musterkalkulation, die sich an die VDI 2695 anlehnt, hat die Personalkosten einbezogen. Sie betragen rund 80 Prozent der Gesamtkosten im Jahr. Wer diesen Aspekt vernachlässigt, kommt bei der Kalkulation zu Fehlentscheidungen. Beispiel: Ein Unternehmen überlegt, ob es in Staplerzubehör investiert. In der Kostenermittlung nach VDI 2695 schlägt das als Kostenerhöhung zu Buch. Gleichzeitig beeinflusst es aber die Produktivität des wichtigsten Kostenfaktors Arbeit positiv. Der jedoch bleibt in der Kostenermittlung nach VDI außen vor. Viele Logistikexperten werden sogar einwenden, dass die Frage nach den Gesamtkosten pro Betriebsstunde komplett falsch gestellt wird. Für die Angebotskalkulation und den Leistungsvergleich im Rahmen des Flottenmanagements sind der Kostensatz pro bewegter Einheit - beispielsweise Palette - geeigneter. Dieser bezieht die Produktivität in die Kalkulation ein. Über eine größere Zahl transportierter Einheiten können leistungsfähigere, aber teurere Stapler die Mehrkosten bei Anschaffung, Verzinsung und gegebenenfalls Wartungs- und Energiekosten gegenüber günstigeren Modellen kompensieren. Richtlinie als Datenbasis Trotzdem hat die Kostenkalkulation nach VDI 2695 Vorteile. Wer Näherungswerte für Staplerkosten sucht, kann diese nach dem Verfahren schnell und unkompliziert rechnen. Zudem sind die einzelnen Kostenansätze eine Hilfe, wenn das Fuhrparkmanagement beispielsweise bei Wartungskosten keine Kostensätze liefern kann. Bei Angeboten von Serviceoder Leasingverträgen kann der Unternehmer über eine Vergleichskalkulation checken, ob die Offerte kostenmäßig in einem vernünftigen Rahmen liegt.

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