Bauen mit Hindernissen

"Sie wollen keinen Logistik-Koloss", "Bürgerinitiative will weitere Ansiedlung von Logistik verhindern", "Umstrittenes Logistikzentrum steht vor dem Aus" - so lauten exemplarisch einige der Schlagzeilen, die überall in Deutschland in schöner Regelmäßigkeit in der Lokal- und auch überregionalen Presse zu finden sind. Gleichzeitig treibt vor allem der E-Commerce-Boom die Nachfrage nach neuen Logistikflächen weiter an. Heißt es jetzt umso öfter "Logistik unerwünscht"? "Wir alle wissen, dass sich die Begeisterungsstürme über neue Logistikimmobilien bei der örtlichen Bevölkerung schon immer in Grenzen gehalten haben. Aber es wurden immer Kompromisse gefunden, die insgesamt für alle Beteiligten funktioniert haben", sagt Kuno Neumeier, Geschäftsführer der Logistikimmobilienberatung Logivest. Ein gutes Argument bei dieser Kompromissfindung ist laut Neumeier: Logistikimmobilien bringen schließlich auch Arbeitsplätze und Steueraufkommen. "Mit der positiven Entwicklung der Wirtschaft in den vergangenen Jahren ist aber die Nachfrage nach Logistikflächen noch einmal gestiegen und gleichzeitig der Druck am Arbeitsmarkt zurückgegangen", gibt er zu bedenken. Gerade der E-Commerce-Boom habe diese Flächennachfrage noch einmal derartig angetrieben, dass sich auch ehemals bereitwillige Kommunen immer öfter fragten, "ob sie die x-te Logistikimmobilie wirklich wollen". "Not in my Backyard" Für Bodo Hollung, Geschäftsführer LIP Invest, hat Logistik nach wie vor einen schweren Stand in der Bevölkerung: "Alle wollen Onlinebestellungen am nächsten Tag geliefert bekommen, sobald aber eine Logistikimmobilie in unmittelbarer Nachbarschaft entsteht, ist so gut wie jeder dagegen. Das erleben wir immer wieder", so Hollung. Er habe daher Zweifel, dass man in der Nähe der Städte, wo Logistikimmobilien am dringendsten gebraucht werden, ausreichend Genehmigungen bekommt. Auch der Faktor Systemrelevanz, der das Image der Logistik zuletzt eigentlich hätte aufwerten müssen, habe an dieser Situation kein bisschen geändert. Dieser Ansicht ist auch Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer Garbe Industrial Real Estate: Auch wenn im Zuge von Corona die Relevanz der Logistik ins Licht der Öffentlichkeit gerückt sei, ändere dies nichts an der bei Anwohnern tief verankerten "Not in my Backyard"-Einstellung. "Systemrelevanz hebt nun mal nicht eines der Grundelemente des menschlichen Zusammenlebens auf, und das ist das Sankt-Florians-Prinzip", bringt Hempel das Dilemma auf den Punkt. Logistikansiedlungen werden seiner Ansicht nach also auch künftig hauptsächlich durch Genehmigungslagen und wirtschaftliche Argumente entschieden "und nicht, weil die Bevölkerung plötzlich aufgeschlossener wird", wie der Garbe-Chef betont. Während das schlechte Image in der breiten Bevölkerung in Stein gemeißelt zu sein scheint, ist die Lage in der Kommunalpolitik heterogener. 90 Prozent der Kommunen sehen die Logistik immerhin als systemrelevant oder sehr systemrelevant an. Dies ergab eine Studie, die die Initiative Logistikimmobilien (Logix) gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund im Sommer 2020 durchgeführt hat und an der 175 Kommunen teilgenommen hatten. Dennoch förderte die Umfrage einige Baustellen zutage, an denen es besser laufen könnte: Die Unterlagen, die von den Unternehmen mit Ansiedlungsplänen bereitgestellt werden, seien etwa für eine Bewertung oft nicht ausreichend, klagten demnach viele Kommunen. Und: 84 Prozent halten diesen Wirtschaftsbereich für nicht ausreichend transparent. Verkehrskonzept sticht Nachhaltigkeit Aber was erwartet eine Kommune denn nun von Unternehmen, die sich mit Logistikimmobilien ansiedeln möchten? Die Studie ermittelt ein eindeutiges "Musthave", nämlich ein Verkehrskonzept für die Lkw: Mit 55 Prozent hat über die Hälfte der Kommunen diesen Faktor an Platz zwei oder zwei ihrer Erwartungen gesetzt. "Die Entwicklung verträglicher Verkehrskonzepte kann die Logistik nicht alleine entwickeln, hier sind auch die Kommunen gefragt", sagt Hollung von LIP Invest. So müssten die Kommunen dazu bereit sein, die nötige Infrastruktur zu verbessern. "Leider mahlen die Mühlen der Politik in Deutschland sehr langsam, was die Umsetzung besserer Verkehrskonzepte stark ausbremst." Die Entwicklung und Umsetzung von Verkehrskonzepten bei der Neuansiedlung von Logistikimmobilien sei seit vielen Jahren Standard, betont Hempel von Garbe. Dieser Aspekt schaffe es nur nicht in die Schlagzeilen. "Ein aktuelles Beispiel ist unsere neue Projektentwicklung in Achim bei Bremen, wo neue Ampelanlagen Kreuzungen entlasten und Rückstaus vermeiden sollen", so Hempel. Gerke, Senior Development Director, GLP. Der Entwickler errichte neue Standorte in kürzest möglicher Entfernung zu der nächsten Autobahnauffahrt, sodass der Schwerverkehr auf schnellstem Wege auf das Autobahnnetz abgeleitet wird. "Für jede unserer Neuentwicklungen erstellen wir im Vorfeld eine Verkehrsuntersuchung", betont Gerke. Auch für Panattoni ist ein belastbares Verkehrskonzept elementarer Teil der Ansiedlungsplanung. "Dazu zählt auch, dass wir bereit sind, die Verkehrsinfrastruktur auf eigene Kosten oder mit Kostenbeteiligung zu ertüchtigen", sagt Managing Partner Fred-Markus Bohne. Aktuelle Beispiele seien etwa die Panattoni Parks Berlin Süd, Leipzig Airport, Frankfurt Süd oder in der Vergangenheit Build-to-Suit-Entwicklungen in Rottenburg/Ergenzingen für Bergfreunde oder jüngst in Magdeburg für Dachser. Hempel derweil bringt ein weiteres Problem ins Spiel, das Logistikansiedlungen schwer vermittelbar mache: wild parkende Lkw und Lieferfahrzeuge in den umliegenden Straßen, mit all ihren Begleiterscheinungen. "Diese Sorge ist absolut nachvollziehbar und wird bei Entwicklungen mittlerweile mitgedacht", sagt der Garbe-Geschäftsführer. Da gehe es nicht nur um Lkw-Stellplätze, sondern auch um rund um die Uhr zugängliche Sanitäranlagen. "In neuen Logistikanlagen ab einer gewissen Größe ist das fast schon Standard - wenn sie denn 24/7 betrieben werden", so Hempel. Auch Neumeier von Logivest hält es für wichtig, dass Stellflächen zugesichert werden, um die lokale Politik und Öffentlichkeit von neuen Logistikimmobilien zu überzeugen. "Der Trend der Stellplatzprobleme auf der Straße geht zu einer besonderen Art der Parkgarage. Im Erdgeschoss parken die Lkw, oben die Sprinter und Pkw", nennt er ein mögliches Konzept. Alternative Mischnutzung Ein Konzept, das laut Bohne von Panattoni in vielen Kommunen begrüßt werde, seien sogenannte City-Dock-Entwicklungen, wo Warehouse-, Produktions- und Büroflächen kombiniert werden. "Der Flächenverbrauch ist geringer im Vergleich etwa zu einem Distributionszentrum, die zur Verfügung stehenden Grundstücke sind in der Regel stadtnahe Brachen, die einer neuen Nutzung zugeführt werden. Und alles, was das heimische Gewerbe stärkt, ist eben eher willkommen", umreißt Bohne die Pluspunkte. Brownfield-Projekte, also die Revitalisierung bestehender Industriebrachen, dürften bei Kommunen und auch der Bevölkerung ohnehin höher im Kurs stehen als fortschreitende Flächenversiegelung. "Bei Brownfields gibt es in der Regel sehr wenig Widerstand aus der Bevölkerung. Erstens liegen sie bereits in Gewerbegebieten und zweitens werden alte, hässliche Brachen mit modernen Logistikimmobilien aufgewertet", sagt Hollung von LIP Invest. Brownfields willkommen, aber rar Auch Gerke von GLP sieht Brownfields als eine Möglichkeit, dem akuten Flächenmangel zu begegnen. "Brownfields können Greenfield-Entwicklungen jedoch nicht ersetzen, sondern nur ergänzen, denn nicht überall sind Brownfields überhaupt oder in nennenswerter Zahl verfügbar", benennt er das zentrale Problem. Nicht jedes Brownfield komme zudem für Logistikentwicklungen infrage, ergänzt Neumeier - gerade, wenn es sich um Areale handele, die einst am Stadtrand gebaut, im Laufe der Zeit aber von der Stadt "überwuchert" wurden. "Oft müssen Logistiknutzungen an diesen Standorten sowohl preislich als auch hinsichtlich der Gunst von Bevölkerung und Politik mit anderen Nutzungsarten konkurrieren und ziehen dabei öfter den Kürzeren", so der Logivest-Geschäftsführer. Ob die Nutzung von Brownfields durch die Logistik letztendlich eher angenommen wird als der Bau auf der grünen Wiese, sei sehr standortabhängig, sagt Hempel von Garbe. In von Strukturwandel geprägten Regionen sei jeder neu geschaffene Arbeitsplatz, vor allem für gewerbliche Arbeitnehmer, willkommen. "So wurde die Logistik in Dortmund-Westfalenhütte mit offenen Armen empfangen. In Hamburg sähe dies vermutlich ganz anders aus", so Hempel. Mehr zum Thema unter #Logistikimmobilien www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Nachfrage nach neuen Logistikflächen ist ungebrochen. In der breiten Bevölkerung allerdings heißt es seit jeher "Logistik unerwünscht", wenngleich sie für Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sorgt. Dabei tun Immobilienentwickler einiges, um bei Kommunen mit ihren Ansiedlungsvorhaben zu punkten. Das erwarten die Kommunen Muss: Verkehrskonzept für Lkw Soll: Nachhaltigkeitskonzept, konkrete Vereinbarung mit dem künftigen Nutzer und für Logistikimmobilien überdurchschnittliche Zahl an Arbeitsplätzen Kann: CO2-Neutralität der Immobilie, Einbindung der Bevölkerung in Projektentwicklung, Integration der Logistikimmobilie in die Landschaft (zum Beispiel durch Architektur), Ausbildungsoffensive für junge Menschen, Drittverwendungsfähigkeit, ÖPNV-Konzept mh Quelle: Umfrage "Logistikimmobilien in Kommunen", DStGB & Logix (2020)

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

Alle Schlagzeilen

Bauen mit Hindernissen

HASHTAG

#Logistik-Immobilien

Garbe baut neues Logistikzentrum in Werne

CBRE: Mieten für Logistikimmobilien steigen weiter

Reining eröffnet vierte Deutschland-Niederlassung

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Area HR Business Partner

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER