Paris. Der seit 1997 bestehende staatliche Betreiber des französischen Schienennetzes, Réseau Ferré de France (RFF), kommt wieder unter das Dach der Staatsbahn SNCF zurück. Dies ist das Kernstück der Bahnreform, die Verkehrsminister Frédéric Cuvillier der Presse vorstellte. Hubert de Mesnil, der RFF bisher noch vorsteht und vehement für die Beibehaltung der Trennung von Betrieb und Infrastruktur gefochten hat, ist in dieser Frage SNCF-Chef Guillaume Pepy unterlegen und will sich deswegen nicht um eine zweite Amtszeit bemühen.
Welche Rechtsform die nun vorgesehene Schaffung eines „Groupement d’infrastructure unique“ (GIU) erhalten soll, in der im Rahmen eines „einheitlichen öffentlichen Pools“ alle für das Netz relevanten Funktionen inklusive des jeweiligen Personals zusammengefasst werden, ist noch ebenso offen wie die Nachfolge von de Mesnil und Pierre Cardo, Vorstand der Regulierungsbehörde für die Bahnaktivitäten Araf. Laut Cuvillier hat man auch eine Lösung gefunden, um zu verhindern, dass die derzeit auf RFF lastende Verschuldung von 30 Milliarden Euro durch dessen Rückführung in die SNCF wiederum diese damit als zusätzliche Staatsverschuldung belaste. Wie das genau bewerkstelligt werden soll, dazu mochte der Minister noch keine Einzelheiten nennen.
Effizienzverluste von 800 Millionen Euro
Paris hatte seinerzeit die Spartentrennung entsprechend der EU-Vorgabe umgesetzt, dabei aber eine Struktur geschaffen, deren Verantwortlichkeiten auf mehrere isoliert voneinander arbeitende Einheiten verteilt sind und zu zahlreichen Doppelfunktionen geführt hat. So ist RFF zwar offiziell Eigentümer der Bahninfrastruktur, hat jedoch die Wartung des Netzes an die SNCF-Einheit SNCF Infra übertragen und die Lenkung des Bahnverkehrs an die „Direction des circulations ferroviaires“ (DCF), die gleichfalls zu SNCF gehört. Derzeit beschäftigt RFF rund 1500 Mitarbeiter. Die DCF zählt 15.000, SNCF Infra 35.000 Beschäftigte. Infolge dieser unübersichtlichen Konstruktion kam es bisher laut Cuvillier zu jährlichen Effizienzverlusten in Höhe von mehr als 800 Millionen Euro.
Als Modell für die geplante GIU dient nach Presseinformationen die Lösung, die Paris für den heimischen Energiekonzern EDF gefunden hat und die von Brüssel akzeptiert wird: EDF S.A. hat seit 2005 eine Tochter namens RTE, die unabhängig vom Mutterkonzern den Stromtransport regelt. Die Regierung will die Staatsbahn jedoch nicht in eine Aktiengesellschaft umwandeln.
Die Bahnreform soll Ende des ersten Halbjahres 2013 der Nationalversammlung vorgelegt werden. Dazu gehört auch die „Modernisierung der Arbeitsorganisation“, über die ab März nächsten Jahres mit den Gewerkschaften verhandelt werden soll. Ziel ist, verbindliche Regeln für alle im Schienentransport Tätigen zu erreichen, auch für das Personal der privaten Bahnanbieter. Damit will man verhindern, dass es zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich zu starke Differenzen gibt.
Netzzugang soll diskriminierungsfrei erfolgen
Ob Paris mit dem Reformkonzept in Brüssel durchkommt, wird sich zeigen. In ihrem „vierten Bahnpaket“ will die EU das Prinzip der Aufteilung in Betrieb und Infrastruktur bekanntlich festschreiben. Frédéric Cuvillier zeigt sich jedoch zuversichtlich, zumal er in der Frage mit dem schärfsten SNCF-Konkurrenten in Europa, der Deutsche Bahn AG, an einem Strang zieht. Die Kommission erwarte, dass jedes Mitgliedsland jedem Bahnanbieter einen gleichen Netzzugang biete, sagt der französische Transportminister, und diesen werde Frankreich garantieren. (jb)