Brüssel. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshof (EuGh) hat empfohlen, Frankreich, Polen, Tschechien, Slowenien und Luxemburg im laufenden Vertragsverletzungsverfahren zur Liberalisierung des Bahnverkehrs zu verurteilen. Die Staaten hätten die Vorgaben aus entsprechenden EU-Gesetzen nur unzureichend umgesetzt. Das würde zur Einschränkung des freien Wettbewerbs führen und vor allem neue Marktteilnehmer benachteiligen.
Frankreich, Slowenien und Luxemburg wird hauptsächlich vorgeworfen, keine unabhängigen Regulierungsstellen eingeführt zu haben, die sich um die Zuteilung der Trassen kümmern. Die Regulierungsstellen seien weiterhin bei den „traditionellen Unternehmen“, wie es in der Begründung heißt, also den ehemaligen Marktmonopolisten angesiedelt, wodurch eine faire Vergabepraxis nicht möglich sei. Frankreich und Slowenien würden außerdem die Kosten für die Nutzung der Infrastruktur nicht leistungsabhängig berechnen. Polen wird für schuldig befunden, kein System mit Anreizen geschaffen zu haben, um die Kosten für die Streckennutzung zu senken. Auch Tschechien habe das nicht gemacht. Zudem verstoße hier die staatliche Fixierung eines Höchstpreises für die Bahnstreckennutzung gegen die Vorgaben der EU-Gesetze. Demnach müsse der Verwalter der Infrastruktur freie Hand haben, die Preise frei bestimmen zu können.
Die Beurteilungen der Fälle durch den Generalanwalt sind zunächst nur eine Empfehlung an die Richter des EuGh. In den meisten Verfahren folgen die Richter jedoch der Meinung des Generalanwalts. Bereits im Sommer 2010 hatte die EU-Kommission 13 Staaten, darunter auch Deutschland, wegen der unzureichenden Umsetzung der Liberalisierungsmaßnahmen aus dem so genannten Ersten Eisenbahnpaket verklagt. Urteile sind bislang nicht gefällt worden. Der Generalanwalt hatte den Vorwurf gegen Deutschland, mit dem Holding-Modell der Deutschen Bahn keine ausreichende Trennung zwischen Unternehmen für Verkehrsbetrieb und Verwaltung der Infrastruktur geschaffen zu haben, im September als unbegründet zurückgewiesen. (kw)