Aus drei mach eins

Es war im März 2015 der Paukenschlag im deutschen Stückgutmarkt: Da verkündeten die drei Geschäftsführer Jens Bottenhorn (Star), Andreas Jäschke (VTL) und Hubert Staroske (ILN) die strategische Allianz ihrer drei Stückgutkooperationen. Schon zwei Monate später, im Mai 2015, besiegelten sie das neue Miteinander mit Unterschrift auf der Messe Transport Logistic in München. Datenaustausch funktionierte nicht Seitdem sind über zwei Jahre vergangen. Viel passiert ist dann aber nicht. "Unser ursprüngliches Ziel, da zu kooperieren und sich zu unterstützen, wo das jeweilige Netz Bedarf hat, hat überhaupt nicht funktioniert", räumt heute Andreas Jäschke, Geschäftsführer der VTL, im Rückblick ein. Aus vielen Gründen sei dies so gewesen. Maßgeblich aber habe es daran gelegen, dass der Datenaustausch zwischen den Systemen mangels Schnittstellen nicht funktioniert habe. Weiteres Problem war, dass das jeweilige Netz, das Bedarf hatte, keinen Durchgriff auf den einzelnen Systempartner hatte. Jäschke: "Man kann ja keinen ILN-Partner zwingen, für VTL zu fahren." Spätestens im Jahr 2017 stieg jedoch der Handlungsdruck für die drei Verbünde, weil immer mehr Systempartner aus den Netzen schieden - aufkaufbedingt, mangels Nachfolger oder aus wirtschaftlichen Gründen. So musste allein VTL neun Firmen in seinem Netz im vergangenen Jahr neu ersetzen - mit der Folge, dass die Gefahr der Lücken im Netz stieg, weil sich keine Stückgutspeditionen finden ließen. Besonders heikel sei dies am Standort Mannheim gewesen, sagt Jäschke. Für VTL deshalb, weil hier durch UTI-Aufkauf und TTM gleich zwei Partner in dieser Region weggebrochen waren, und für ILN, weil Raben Group in Mannheim als ILN-Transshipment-Point-Partner wegfiel. "ILN und VTL waren also gezwungen, gemeinsam eine Lösung zu schaffen, und so haben wir zusammen die Spedition Mavistics in Mannheim gegründet." "Das war die Initialzündung und ermutigte uns zum letzten Schritt - der nun geplanten Fusion der ILN-, Star- und VTL-Aktivitäten - mit allen Schmerzen, die mit einem solchen Schritt verbunden sind", erklärt Jäschke. Ihr erklärtes Ziel: Bis Mitte 2019 wollen sie aus drei Netzen ein schlagkräftiges Stückgutnetz machen. Um das zu schaffen, geben die drei Geschäftsführer mächtig Gas - gestützt von den Aufsichtsräten der einzelnen Kooperationen. Im August 2017 wurde der Fusions-Coup in Hannover beschlossen. Und seitdem geht es laut Jäschke Schlag auf Schlag: "Wir sind nur am Rennen". So wurde zunächst ein Lenkungsausschuss gegründet, in dem die drei Geschäftsführer der Systemzentralen vertreten sein werden, das an den ebenfalls neu gegründeten Gesellschafterausschuss berichten wird. Insgesamt neun Teilprojekte sollen für die geplante "Netzwerk-Arbeitsgemeinschaft", so der Arbeitstitel der neuen Gemeinschaftsholding, abgearbeitet werden. Die Themen: Recht, Finanzen, Operations, EDV, Kommunikation, Personal, Immobilien, Qualitätsmanagement und Unvorgesehenes - federführend koordiniert von dem externen Projektleiter Peter Räuchle, den die drei Geschäftsführer dafür engagiert haben. Mit dem Ziel, dass die neue "Netzwerk AG (NAG)" zum 1. Januar 2019 final steht. "Spätestens dann wird es anstelle der drei bisherigen Systemzentralen nur mehr eine starke Gesellschaft geben - unter Nutzung der bestehenden Ressourcen", betont ILN-Geschäftsführer Alexander Bauz im Gespräch (siehe Kasten Seite 25). Bauz war im Mai 2017 als vormaliger Raben-Trans-European-Germany-Geschäftsführer zu ILN gewechselt und soll Ende 2018 alleiniger Geschäftsführer der ILN werden, wenn Hubert Staroske sich altersbedingt in den Ruhestand verabschiedet. Denkbar: eine gemeinsame AG Diese Netzwerk AG werde dann, führt Bauz aus, die Aufgaben übernehmen, die bislang in den drei Systemzentralen der drei Kooperationen angesiedelt waren. Welche Rechtsform die neue Gesellschaft haben wird, sei aber noch nicht entschieden. "Eine AG ist denkbar und hätte sicher viele Vorteile", sagt er, "ebenso wie die GmbH ihre Vorteile hat." Fest steht nur: Jede Kooperation wird zu gleichen Teilen an der neuen Gesellschaft beteiligt sein. Einen festen Sitz wird die Gesellschaft nicht haben. Um das Know-how der Mitarbeiter zu halten, sollen diese weiterhin an den Standorten ihrer jeweiligen Systemzentrale arbeiten. Verantwortlich bleiben sollen auch die bisherigen Geschäftsführer Bottenhorn, Jäschke, Bauz und bis Ende 2018 Staroske. Wer künftig was mache, wird bis dahin geklärt. In der aktuellen Projektphase wird Bauz den Bereich "Finanzen" leiten, Jäschke die Themen "Europa und Kommunikation" und Bottenhorn die Bereiche "Immobilien". Auf Mitarbeiter-Ebene werde man in der Administration mögliche Synergien nutzen, etwa im Qualitätsmanagement, in der Abrechnung und Buchhaltung. Bis zu 30 Prozent der Stellen könnten durch die Zusammenlegung der drei Systemzentralen entfallen, nennt Jäschke Zahlen. "Für die Systempartner vor Ort ändert sich dagegen vorerst nichts", betonen die Geschäftsführer unisono. "Die Systemverträge der einzelnen Systempartner werden nur zum Beispiel von ILN zur Netzwerk AG transferiert", führt Bauz aus. Vorerst bestehen bleiben auch die Konditionen und Regelungen, die mit den einzelnen Partnern ausgehandelt sind, etwa welche Hubs, Rubs oder Transshipmentpoints (TSPs) sie anfahren müssen. "Spannend wird es in der zweiten Hälfte 2019, wenn es zur konkreten Umsetzung des neuen gemeinschaftlichen Netzes kommt. Das wird ein Kraftakt - auch für die lokalen Systempartner", betont Bauz. Denn dann steht das neue Netz-Design, das er und seine Geschäftsführerkollegen erarbeiten. "Wir gehen in erster Instanz vom Ideal-Netz aus. Wie sieht dieses aufgrund der Mengen- und Partnerstruktur aus und wie sollten auf dieser Basis die Gebietszuschnitte für die Systempartner aussehen", skizziert er die Vorgehensweise. "Gut möglich, dass manche damit nicht einverstanden sein werden", räumt Bauz ein. "Ohne Einschnitte wird das Ganze aber nicht gehen." Denn das aktuelle Netz umfasse über 250 Depots. Und je mehr Depots ein Netz habe, desto kleiner würden die Gebietszuschnitte und desto unattraktiver werde es in vertrieblicher Hinsicht für die einzelnen Systempartner. "Das Ganze wird nicht ohne Blessuren ablaufen", sagt Stückgutexperte Professor Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn und Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Forwarding and Logistics Center (siehe Kasten Seite 26). Die Kooperationen arbeiten bislang sehr unterschiedlich: So wickelt VTL nur fünf Prozent seiner Sendungen im Direktverkehr ab und zieht 95 Prozent über das Zentralhub in Fulda. Bei ILN werden dagegen die Verkehre über 22 TSPs gezogen. Und bei Star werden 90 Prozent der Sendungen über das Zentralhub in Homberg gezogen und nur 10 Prozent der Sendungen gehen über Direktverkehre an die Empfangsspeditionen. 300 Systempartner in Deutschland Für Lohre steht fest: "Darin liegt viel Optimierungspotenzial." Unterm Strich dürften die meisten Systempartner von einem gemeinsamen Netz profitieren. Das größte Plus sei die höhere Netz-Sicherheit und -Stabilität, die den Partnern zugutekomme. "Jeder Systempartner muss für sich entscheiden, ob er den Weg mit uns mitgeht", sagt Jäschke. "Wenn wir aber VTL, ILN und Star jetzt nicht zusammenlegen, hätten wir mittelfristig wohl keine Überlebenschance. Nach unserer Fusion zählt unser Netz allein in Deutschland über 300 Systempartner", sagt er. "Wenn unsere Zusammenarbeit gelingt, haben wir gute Chancen, in der vorderen Liga der Top-10-Stückgutnetze in Deutschland dabei zu sein." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers Kommentar Anfangs wird es knirschen Erst Kooperation, jetzt Fusion: Aus den drei Kooperationen ILN, Star und VTL soll, so der Plan der Initiatoren, bis Mitte 2019 ein starkes Stückgutnetz werden. Dieser Schritt ist richtig und sicher die einzige Chance, dass die regionalen Systempartner, allesamt kleine und mittlere Stückgutspediteure, der drei Verbünde weiter im Wachstumsmarkt Stückgut mitmachen können - Stichwort Netz-Stabilität. Anfangs wird es im neuen Miteinander wohl knirschen. So sollen sich durch die Zusammenlegung auch die Gebietszuschnitte, die Rolle einiger Regionalhubs und Transshipment-Points (TSPs) ändern. Ob jeder Partner den Weg mitgeht, ist also noch unklar. Sinnvoll wäre es. Deshalb sind ILN, Star und VTL das "Unternehmen des Monats" der Verkehrs-Rundschau. Unter dieser Rubrik, stellt das Wochenmagazin Firmen vor, die in dem jeweiligen Monat für Schlagzeilen gesorgt haben.eva.hassa@springernature.comEva Hassa Redakteurin