Auf Kollisionskurs

Derzeit konkurrieren am Markt drei Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) um ihre Anwendung: die kürzlich von den Verladerverbänden vorgelegten Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB), die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) und die Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer (VBGL). Bei Neuverträgen kann die so entstandene Konkurrenz zu Komplikationen führen. Einigen sich die Geschäftspartner nämlich nicht auf die Verwendung eines der Regelwerke, besteht die Gefahr, dass sich konkurrierende Geschäftsbedingungen gegenüberstehen und gegenseitig aushebeln. Wie gehen Transport- und Logistikdienstleister also mit dieser Situation um? Widerspruch muss unverzüglich erfolgen Sollen AGB in den Vertrag einbezogen werden, muss dies bei Vertragsschluss geschehen. Der Verwender muss also deutlich machen, dass seine AGB gelten sollen, der Vertragspartner muss damit einverstanden sein. "Transport- und Logistikdienstleister sind daher gut beraten, bereits beim Vertragsangebot auf die ADSp zu verweisen, zumindest unten stehend in einer Fußnote", erklärt die auf Transportrecht spezialisierte Anwältin Susanne Müller-Kraft aus der Hamburger Kanzlei Segelken & Suchopar. Das könne etwa mit der Formulierung geschehen: "Wir akzeptieren und arbeiten nur auf Grundlage der ADSp", so die Juristin. Dienstleister müssen nur dann nicht auf die eigenen AGB aufmerksam machen, wenn bereits eine Geschäftsbeziehung zwischen den Unternehmen besteht, bei der etwa die Geltung der ADSp vereinbart wurde. "Will der Verlader dagegen die DTLB verwenden, muss er unverzüglich widersprechen und mitteilen, dass er nur auf Grundlage der DTLB arbeitet", sagt Müller-Kraft. Im kaufmännischen Verkehr bedeutet dies: im Laufe des Tages. "Tut er das nicht, gelten die ADSp." Das gilt umgekehrt auch für den Fall, dass sich der Frachtführer, Lagerhalter oder Spediteur plötzlich mit unliebsamen Verlader-AGB konfrontiert sieht. Darauf weist auch Uwe Lukas, Vorsitzender der Kommission Recht und Versicherung im Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) und Verhandlungsführer bei der in großer Runde vorerst gescheiterten ADSp-Reform hin: "Der Spediteur sollte der Einbeziehung der DTLB unverzüglich schriftlich widersprechen und auf eine vertragliche Klärung in dem Sinne hinwirken, dass das zugrunde liegende Transportgeschäft mit seinen Leistungsinhalten und der vereinbarten Vergütung auf Basis der ADSp kalkuliert ist und nur diese Vertragsgrundlage sein können." Dieses Vorgehen sei vor allem bei Lagergeschäften unabdingbar, weil er sonst Gefahr laufe, in unbeschränkter Höhe zu haften, ohne dass bei Kumuloder Großschadenrisiken adäquater Versicherungsschutz bestehe, sagt er. Im Zweifel gilt: Meine, deine, keine AGB Verweist jede Partei auf ihre eigenen AGB, wird es kompliziert. "Es kommt hier nicht darauf an, wer das letzte Wort hat", sagt Müller-Kraft. Die Rechtsprechung sieht eine andere Lösung vor: "Die Geschäftsbedingungen beider Vertragspartner werden insoweit Vertragsbestandteil, als sie sich nicht widersprechen." Sich inhaltlich widersprechende Geschäftsbedingungen werden dagegen nicht Vertragsgegenstand. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs (HGB). Sie können im Einzelfall durchaus günstiger sein als die Regelung in den DTLB. "Dies bedarf aber einer individuellen Prüfung", so Müller-Kraft. "Die DTLB regeln etwa die Haftung des Auftraggebers in Ziffer 7 abweichend vom Gesetz und begrenzen diese", erklärt Jens-Berghe Riemer, Fachanwalt für Transportund Speditionsrecht in der Kanzlei Fries Rechtsanwälte. "Für den Frachtführer, der durch Handlungen des Auftraggebers einen Schaden erleidet, wäre daher in diesem Punkt die Regelung des HGB besser", so Riemer. Denn die gesetzliche Regelung sieht eine unbegrenzte Haftung des Auftraggebers vor. Daher kann es nach Ansicht des Anwalts durchaus sinnvoll sein, es auf eine Kollision ankommen zu lassen. Es kommt immer auf den Einzelfall an "Die ADSp sehen dagegen Haftungsbegrenzungen auf fünf Euro pro Kilogramm für Schäden im speditionellen Umschlag sowie auf 5000 Euro je Schadensfall bei Güterschäden im Rahmen verfügter Lagerung vor", erklärt Müller-Kraft. Gerade die letztgenannte Regelung sei eine ganz einschneidende Haftungsbegrenzung zugunsten des Frachtführers oder Lagerhalters. "Ich würde vor diesem Hintergrund nicht empfehlen, es auf eine Kollision ankommen zu lassen, sondern raten, die für mich sichere Regelung zu vereinbaren, also für den Frachtführer die ADSp", sagt die Expertin. Ziel der Transport- und Logistikdienstleister wird es daher auch in Zukunft sein, die ADSp zum Vertragsbestandteil zu machen. "Sie müssen beim Vertragsschluss nachdrücklich darauf bestehen, dass ihre AGB gelten", betont Müller-Kraft. DSLV-Mann Lukas warnt: "Sollten Auftraggeber verlangen, anstelle der ADSp die DTLB zu vereinbaren, kann ich hiervon nur dringend abraten." Zeichnet sich ein Konflikt zwischen den ADSp und den DTLB bereits im Vorfeld ab, rät Müller-Kraft dazu, das Problem durch eine Individualvereinbarung zu lösen. "Das bietet sich insbesondere im Fall der Lagerhalterhaftung bei verfügter Lagerung an, wie es bei langfristigen Geschäftsbeziehungen eigentlich immer der Fall ist. Hier wird sehr oft eine Haftung abweichend vom Gesetz vereinbart", so die Anwältin. Alles also eine Frage der Marktmacht? Das glaubt die Juristin nicht ganz. "Die DTLB sind meiner Meinung nach sehr speziell, vor allem was die Compliance-Regelungen anbelangt." Wer in einer Geschäftsbeziehung darauf Wert lege, nehme solche Klauseln in der Regel in den Vertrag auf. Daher sieht sie die DTLB eher für große Verlader gedacht, die langfristige Geschäftsbeziehungen anstrebten. Hier seien in der Praxis die ADSp auch bislang kaum zur Anwendung gekommen, weil die Vertragsparteien meist einen eigenen Rahmenvertrag aushandelten. Im täglichen Kleingeschäft sieht die Anwältin daher auch zukünftig die ADSp vorn. Nach Ansicht von Professor Thomas Wieske, Leiter des Instituts für Logistikrecht & Riskmanagement an der Hochschule Bremerhaven, wären auch die VBGL eine Alternative zu den ADSp. "Sie entsprechen dem aktuellen Rechtsrahmen in einem höheren Maß als die ADSp von 2003", sagt er. Bieten sie also derzeit die größte Rechtssicherheit? Dazu Wieske: "Die VBGL haben eine große Nähe zu dem Konzept der ADSp und sind um die Änderungen aus der Seerechtsreform ergänzt. Daher machen Verlader und Logistikdienstleister keinen Fehler, diese zu wählen." Aber auch die bisherigen ADSp seien akzeptabel, wenn die Neuerungen aus dem Seehandelsrecht durch ein Zusatzpapier eingearbeitet werden. Die Anwendung der DTLB führe dagegen zu höheren Kosten und Rechtsunsicherheit, so Wieske. Die bisherigen ADSp sind weiter gültig Für Verwirrung sorgte unlängst die Behauptung der Verladerverbände, die ADSp in ihrer bisherigen Form hätten seit der Veröffentlichung ihres eigenen Klauselwerks keine Gültigkeit mehr und könnten nicht mehr angewendet werden. Rechtsexperten widersprechen dem vehement. "Die ADSp von 2003 sind nach wie vor gültig, jeder kann sie vereinbaren", sagt Müller-Kraft. Auch Lukas stellt klar: "Die Gültigkeit der ADSp hängt allein von der Einbeziehung in einen Vertrag ab." Zwar könnten die Verladerverbände sich von der unverbindlichen Empfehlung der ADSp lossagen, dies habe jedoch weder Auswirkungen auf bestehende Verträge, die auf dieser Basis abgeschlossen wurden, noch auf künftige Verträge. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transportrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Hintergrund Warum das Regelwerk überarbeitet werden muss Immer wieder überprüfen Gerichte aufgrund von Streitigkeiten einzelne AGB-Klauseln. Im B2B-Bereich dürfen die Klauseln den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Da sich die Rechtsprechung ständig weiterentwickelt und Gesetze sich ändern, kommt es dazu, dass einzelne Klauseln, die vor Jahren noch wirksam waren, heute nicht mehr den Anforderungen genügen. Die Klauselwerke müssen daher in regelmäßigen Abständen überarbeitet werden."Die Gespräche zur Reform der ADSp sind vor zwei Jahren auf Initiative des DSLV aufgenommen worden. Ziel war es, die seit der letzten Reform im Jahre 2003 erfolgte Rechtsprechung, Gesetzesänderungen wie die Seerechtsreform und den Fortschritt der Digitalisierung in der operativen Abwicklung in überarbeiteten ADSp abzubilden", erklärt Uwe Lukas, Verhandlungsführer des DSLV bei den zweijährigen ADSp-Gesprächen mit den Verbänden der verladenden Wirtschaft. Auch die Haftungsbestimmungen sollten dabei überarbeitet werden, sagt er. "Dies werden wir nun - wie bisher auch - interessengerecht in einer überarbeiteten Fassung der ADSp umsetzen, um so die ADSp für die Zukunft als rechtssicheren Rahmen zu erhalten und zu stärken", bekräftigt Lukas. Die überarbeitete Version der ADSp soll noch dieses Jahr vorliegen. ir

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