Auf der letzten Meile bald elektrisch?

Im urbanen Lieferverkehr sind Transporter eher Steh- als Fahrzeuge. Mehr als 80 Kilometer kommen in einer Schicht meist nicht auf den Tacho. Distanzen, die Elektrofahrzeuge locker bewältigen. Hinzu kommen die verständlichen Pläne vieler Metropolen, den Verbrennungsmotor über kurz oder lang aus den Innenstädten zu verbannen. Mancher Paketdienst forderte deshalb bereits die Serienproduktion entsprechender Transporter mit E-Antrieb oder nahm die Produktion gleich selbst in Angriff. "Im urbanen Umfeld sehen wir das Thema Elektro künftig als unausweichlich an," ist sich Eckhard Scholz, Vorsitzender des Markenvorstands bei VW-Nutzfahrzeuge, sicher. Mehr Nutzlast als der Verbrenner Entsprechend gingen die Niedersachsen bereits in die Entwicklung und zeigten auf der diesjährigen IAA Nutzfahrzeuge in Hannover eine Elektro-Version des neuen Crafter. Der ist bislang zwar lediglich ein Prototyp, soll aber im Laufe des nächsten Jahres bei ausgewählten Kunden umfassende Praxiserfahrungen einfahren. Wie das Diesel-Pendant bietet der Laderaum des E-Crafter 11,3 Kubikmeter Platz für viele Pakete und überbietet den Verbrenner klar bei der Nutzlast. Wenn auch nur dank der geltenden Regel, dass E-Transporter bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,25 Tonnen mit dem Pkw-Führerschein "B" bewegt werden dürfen, kann der E-Crafter laut Hersteller bis zu 1,7 Tonnen einladen. Fast schon verschwenderisch hoch erscheint die Reichweite, die VW mit bis zu 208 Kilometern angibt. Ebenfalls reichlich bemessen sind die 100 Kilowatt und 290 Newtonmeter Drehmoment des E-Motors, die den E-Crafter "sportlich" auf die abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h beschleunigen dürften. Bereits bestellbar ist dagegen die neue, vom Pkw "Up!" abgeleitete Mini-Transporter-Version "E-Load-up!". Auch wenn dem kleinsten VW-Transporter mit seinem 990 Liter kleinen "Frachtraum" wohl eher nur eine Exotenrolle bei den Lieferfahrzeugen zukommen wird. Auch beim Konkurrenten Mercedes-Benz sieht man in der Elektromobilität eine wichtige und zukunftsweisende Antriebslösung für den innerstädtischen Bereich. "Zukünftig wird sich ein Markt für diese Fahrzeuge entwickeln," bestätigt Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans, "für gewerbliche Nutzer ist vor allem die Wirtschaftlichkeit ihrer Fahrzeuge entscheidend - und an wirtschaftlichen Gesamtlösungen arbeiten wir derzeit intensiv - mit allem technologischen Know-how aus unserem Konzern." 2018 will Mercedes einen E-Van bringen Und er kann sogar schon konkrete Produkte ankündigen: "Wir werden 2018 einen in Serie produzierten, gewerblichen E-Transporter präsentieren", so Mornhinweg, "dabei werden wir an Entwicklungsergebnissen des Daimler-Konzerns und auf den eigenen Erfahrungen aufbauen." Schließlich hatte Mercedes 2011 mit dem Vito E-Cell bereits einen Elektro-Transporter im Serien-Programm, der sich aufgrund der hohen Kosten aber nur schleppend verkaufte. Iveco-Pressesprecher Manfred Kuchlmayr sieht den E-Transporter ebenfalls mittelfristig das Rennen machen. Und die Italiener dürfen sich berechtigt als Vorreiter im Segment der schweren E-Transporter bezeichnen. Schließlich feiert der Daily Electric (bis zu 5,6 Tonnen Gesamtgewicht) in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Und mit Einführung der neuen Generation wurde der Stromer nochmals überarbeitet. Leichtere und leistungsstärkere Akkus sollen Nutzlast und Reichweite erhöhen. Wobei Iveco die Batteriekapazität an das jeweilige Einsatzfeld des E-Daily anpassen kann und die Wahl zwischen einem, zwei oder drei Batteriepaketen bietet. Mit Letzteren, die natürlich entsprechend wiegen, sollen bis zu 280 Kilometer Reichweite drin sein. Für viele aber nach wie vor abschreckend: Der extrem hohe Preis des E-Daily. Weshalb bei Iveco derzeit noch das Thema Erdgas wegen seiner realen Existenz als Alternative Vorfahrt hat. Schließlich gibt es den Daily auch mit dem 136 PS kräftigen 3,0-l-CNG-Antrieb. "Mit Bio- und E-Gas ist ein Erdgasfahrzeug auch extrem sauber und volkswirtschaftlich sinnvoll", erklärt Manfred Kuchlmayr. Durch den Dieselskandal und die damit verbundene unglückliche Kommunikation habe aber jeder Verbrenner auf lange Sicht schlechte Karten in der Stadt. Renaults Kangoo Z.E. kam 2011 Zwei Nummern kleiner als der Iveco ist der Cityvan Kangoo Z.E., den Renault schon seit 2011 anbietet. Das Fahrzeug habe sich bereits einen umfangreichen Kundenstamm erarbeitet, freuen sich die Franzosen. "Durch die Pflicht, die Luft in Innenstädten zu verbessern, was beispielsweise die Stadt München bereits mit einem 5000-Euro-Bonus für gewerbliche Abnehmer fördert, sehen wir in Zukunft einen erhöhten Bedarf an E-Transportern," bestätigt Kommunikations-Vorstand Martin Zimmermann. Ob man das E-Angebot deshalb in nächster Zeit um größere Transporter ergänzen wird, wollen die Franzosen aber noch nicht verraten. Gleichfalls bedeckt hält man sich beim Renault-Kooperationspartner Nissan, wo bereits seit 2013 der Kleintransporter ENV 200 für Elektro-Kunden parat steht. "Das Thema Elektromobilität ist geradezu prädestiniert für den innerstädtischen Lieferverkehr. Zum einen durch den Wegfall von Emissionen, aber gerade auch für häufiges Starten und Stoppen ist das Konzept des Elektromotors ideal. Nicht zuletzt kommt die extreme Geräuschreduzierung der Innenstadt zugute, erklärt Stefan Hoy, Direktor Corporate Sales & LCV, Nissan Center Europe, die Gründe für das Engagement der Japaner in diesem Bereich. Neue Kunden für den ENV 200 will Nissan mit speziell zugeschnittenen Kühl-, Werkstatt- oder Regal-Ausbauten ab Werk gewinnen. Zudem gewährt man seit Kurzem auch beim Stromer eine serienmäßige Fünfjahres-Garantie auf die elektrischen und mechanischen Komponenten und verlängerte mittels leistungsstärkerer Akkus die Reichweite auf bis zu 163 Kilometer. Studie mit Brennstoffzellen-Antrieb Dass der Strom von Elektrotransportern nicht zwangsläufig aus der Steckdose kommen muss, zeigte Hyundai auf der IAA im September mit seiner Studie "H350 Fuel Cell Concept". Der Strom für den 136 PS starken Elektromotor wird hier von einer unterflur montierten Brennstoffzelle erzeugt. Eine Technologie, bei der die Koreaner bereits einige Erfahrung vorweisen können, schließlich bietet man mit dem SUV "ix35 Fuel Cell" bereits einen Wasserstoff-Pkw in Serie an. Ebenfalls platzsparend im Fahrzeugboden untergebracht sind beim H350 die 175 Liter fassenden Wasserstofftanks. Mit 700 Bar Druck lassen sich so knapp sieben Kilo Wasserstoff bunkern, die dann für bis zu 422 Kilometer genügen sollen. Allerdings sicher nicht, wenn der Fahrer die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h konsequent ausreizt. Abwartende Haltung bei Ford Ein eher erfolgloses E-Transporter-Projekt hinter sich hat man mit dem Connect Electric (2010 bis 2012) bereits bei Ford. Weshalb man das Thema eher abwartend beobachtet. "Die Technologie ist kein Hexenwerk und natürlich sind unsere Entwickler in diesem Bereich nicht untätig", erklärt Pressesprecher Isfried Hennen, "sobald wir einen konkreten Bedarf erkennen, werden wir diesen entsprechend schnell bedienen können." Und die Nachfrage könnte tatsächlich bald steigen. Dazu gehört aber auch die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur wie Ladesäulen. Worauf die Hersteller nur bedingten Einfluss haben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Elektro-Lkw www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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