Anfassen verboten

Die Antwort auf alle eingangs gestellten Fragen lautet schlicht und ergreifend: "Nein". Und schon an diesem Punkt zeigt sich: Nicht immer lässt sich mit klarem Menschenverstand ableiten, was erlaubt und was verboten ist. Zum Beispiel macht es für die Gefährdung im Straßenverkehr eigentlich keinen Unterschied, ob ein Fahrer auf seine Armbanduhr schaut oder auf sein Handy. Das Ablesen der Uhrzeit auf dem Display eines Smartphones verstoße aber gegen das Handyverbot in Paragraf 23 Absatz 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO), befand jüngst das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken (Aktenzeichen: 1 Ss 1/14). Immerhin: Wer bei einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern nur zwei Sekunden auf das Display schaut, fährt fast 30 Meter weit, ohne den Verkehr wahrzunehmen. Die Meinungen der Juristen gehen in diesem Fall dennoch auseinander, da ein Blick auf die Armbanduhr, der ungefähr genauso lange dauert und demzufolge ebenfalls die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnte, nicht gegen das Gesetz verstößt. Telefonieren erlaubt, aber Halten nicht Das Problem: Die gesetzlichen Regelungen zur Nutzung von Handys im Straßenverkehr wurden im Jahr 1999 erlassen, als man mit Mobiltelefonen nur eines konnte: telefonieren. In den vergangenen Jahren haben die Funktionen der Smartphones allerdings rasant zugenommen - und mit ihnen die Zahl der Rechtsstreitigkeiten zum Einsatz am Steuer. In dem entsprechenden Paragrafen heißt es: "Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobiloder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist." Das heißt, man darf telefonieren, sofern man dafür eine Freisprecheinrichtung benutzt - egal ob Headset oder fest installierte Lösung. Theoretisch wäre es auch okay, über die Lautsprecherfunktion des Handys zu telefonieren, dafür darf man das Telefon jedoch nicht in die Hand nehmen. Nimmt der Fahrer einer Sattelzugmaschine während der Fahrt sein privates Mobiltelefon in die Hand, um eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen, die er dann in das dienstliche Mobiltelefon mit Freisprecheinrichtung eingeben will, um zu telefonieren, dann verstößt er gegen die Straßenverkehrsordnung. Jedenfalls laut dem Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen: 2 Ss OWi 402/06). Schon das Halten des Geräts genügt für eine Ordnungswidrigkeit. Erwischt die Polizei einen Fahrer mit dem Handy in der Hand während der Fahrt, kostet das 60 Euro und einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg. Wer wiederholt gegen das Gesetz verstößt, riskiert sogar seine Fahrerlaubnis. Das Oberlandesgericht Hamm verhängte gegen einen Mann, der bereits zweimal in den vorherigen beiden Jahren wegen der unerlaubten Nutzung des Handys verurteilt worden war und darüber hinaus die Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte, eine Geldstrafe von 80 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot (Aktenzeichen: 3 RBs 256/13). So etwas kann in Spitzenzeiten für kleine und mittlere Güterverkehrsunternehmen durchaus zum Problem werden. Eine Nummer suchen geht rechtlich korrekt nur noch mit Sprachsteuerung oder über die Bedienung am Lenkrad. Eine besondere Situation ergibt sich dabei durch die Start-Stopp-Automatik, die in immer mehr Fahrzeugen verfügbar ist: Ist der Motor an der Ampel aus, darf der Fahrer nämlich zum Mobiltelefon greifen. Dem Oberlandesgericht Hamm ist es dabei egal, ob der Motor manuell ausgeschaltet wurde oder automatisch (Aktenzeichen: 1 RBs 1/14). Anders verhält es sich, wenn man auf dem Standstreifen einer Autobahn oder Bundesstraße anhält, um einen Anruf entgegenzunehmen. Dann ist zwar der Motor aus, dafür verstößt man aber gegen Paragraf 18 Absatz 8 der StVO, der das Halten auf einem Standstreifen verbietet. "Der Seitenstreifen ist nur für den Fall einer Panne gedacht", erläuterten die Richter in einem entsprechenden Fall am Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: IV-2 Ss OWi 84/04). Smartphone weiterreichen ist okay Was also tun, wenn das Handy während der Fahrt klingelt und es keine Freisprecheinrichtung gibt? Anruf wegdrücken klingt nach einer guten Lösung - manche Telefone bieten sogar die Option, einen Anruf mit dem Hinweis "Ich fahre gerade" abzuweisen. Der Haken daran: Auch dies ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln eine Nutzung des Handys und damit verboten (Aktenzeichen III-1 RBs 39/12). Die Alternative: Man reicht das klingelnde Telefon seinem Beifahrer weiter, soweit es einen gibt. Das ist erlaubt, solange der Fahrer dabei nicht aufs Display schaut. Nur das Hochheben und Weitergeben ist laut dem Oberlandesgericht keine Nutzung (Aktenzeichen III-1 RBs 284/14). Attraktiv sind die vielen Zusatzfunktionen, die ein Smartphone bietet. So mag sich mancher das eingebaute Navigationsgerät sparen, da er ohnehin immer das Handy dabei hat. Aber auch hier gilt: Die Bedienung muss abgeschlossen sein, bevor das Fahrzeug startet. Denn die gesetzlichen Vorgaben schließen neben dem Telefonieren auch "sämtliche Bedienfunktionen" (wozu auch Datenabrufe oder das Surfen im Internet gehören) ein, so das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen III-5 RBs 11/13). Dasselbe gilt auch für die Nutzung anderer Funktionen der Smartphones. Zum Beispiel für die Wiedergabe von Musik: Das Handy darf als mobile Jukebox dienen, die DJ-Tätigkeiten müssen sich aber auf die Zeiten mit stehendem Motor beschränken. Man dürfte dann sogar mit Kopfhörern den Klängen lauschen - solange die Musik nicht so laut ist, dass sie die Verkehrstüchtigkeit des Fahrers beeinträchtigt. Hupen oder Polizeisirenen müssen immer hörbar bleiben. Keinen Konflikt mit Paragraf 23 Absatz 1a der StVO, aber mit dem folgenden Absatz riskiert, wer einen Blitzer-Warner als App auf seinem Handy installiert. "Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören", heißt es darin. Darunter fällt auch die Installation einer entsprechenden App. Rechtlich ungeklärt ist bisher, wie es sich verhält, wenn der Beifahrer eine solche App nutzt und den Fahrer mündlich warnt. Was zum selben Ergebnis führt, stellt für die Juristen eine kniffelige Frage dar. In einigen Ländern wie Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Italien sind Blitzerwarner erlaubt. In der Schweiz sind sie absolut verboten - entsprechende Geräte dürfen eingezogen und vernichtet werden. Zudem droht ein saftiges Bußgeld. Handy am Steuer ist gefährlich Die Liste der Urteile zur Handynutzung am Steuer ist lang und wächst mit dem Funktionsumfang der Telefone immer weiter. Wer als Arbeitgeber im Güterverkehr auf der sicheren Seite sein will, sollte seinem Fahrer klarmachen, dass er die Finger vom Telefon lassen soll, wenn er lenkt. Das bringt allen Beteiligten nicht nur Rechtssicherheit, sondern senkt vor allem die Unfallgefahr. Denn schon beim Telefonieren mit Freisprecheinrichtung erhöht sich Statistiken zufolge das Unfallrisiko um das Zwei- bis Achtfache. Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung ist genauso gefährlich wie 0,8 Promille im Blut, wer SMS schreibt, reagiert wie ein Fahrer mit 1,1 Promille. Um der zunehmenden Handynutzung am Steuer Herr zu werden, greift die Polizei in Nordrhein-Westfalen nun strenger durch. Wenn bei einem Unfall mit Personenschaden der Verdacht besteht, dass der Fahrer durch das Smartphone abgelenkt war, stellen die Beamten dieses sicher und werten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft die Kommunikationsdaten aus. Lässt sich dabei grobe Fahrlässigkeit nachweisen, kann es sein, dass die Kaskoversicherung nicht für den Schaden am Fahrzeug aufkommt.

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