Alle sind in der Pflicht

Wer in diesen Tagen mit einem Spediteur oder einem Verlader redet, kommt unweigerlich auf die Auftraggeberhaftung im neuen Mindestlohngesetz (MiLoG) zu sprechen. Eine Kombination aus Zeichen und Zahl bereite ihnen Bauchschmerzen, berichten die Vertreter aus der Güterverkehrs- und Logistikbranche sowie aus Industrie und Handel dann oft: Gemeint ist Paragraf 13. Demzufolge ist ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit einer Werk- oder Dienstleistung beauftragt, künftig dafür verantwortlich, dass der beauftragte Unternehmer oder dessen Nachunternehmer seinen abhängig Beschäftigten die ab 2015 vorgeschriebenen 8,50 Euro zahlt (siehe Kasten). Diese zivilrechtliche Durchsetzung der gesetzlichen Lohnuntergrenze richtet sich nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Ansprüche verjähren nach drei Jahren Sie besagt, dass ein Auftraggeber wie ein Bürge haftet, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das bedeutet, ein Arbeitnehmer, der unter 8,50 Euro bekommen hat, kann wählen, ob er seine Mindestlohnansprüche gerichtlich gegenüber seinem Arbeitgeber geltend macht oder sich an den beziehungsweise die auftraggebenden Unternehmer wendet. Dies geht auch noch drei Jahre rückwirkend. Er muss sich bezüglich einer Differenzvergütung nicht von unten nach oben klagen, sondern darf seine Forderung direkt an das stärkste Glied in der Auftragskette richten. Umgekehrt kann etwa ein Spediteur gemäß MiLoG unterbezahlte Mitarbeiter eines von ihm engagierten Transporteurs nicht darauf verweisen, den Mindestlohn zunächst bei diesem Frachtführer einzufordern. Die zivilrechtliche Auftraggeberhaftung ist verschuldensunabhängig. "Das heißt, sie entfällt nicht, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass er keine Kenntnis davon hatte, dass der Beauftragte seiner Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes nicht nachkommt", sagt Andreas Stommel, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Spedition und Logistik Deutschland (ASL) im Deutschen Speditions- und Logistikverband. Gesetz erlaubt Regress Wer den Nettoentgeltausgleich leisten muss, kann wiederum den Subunternehmer, der seinem Mitarbeiter unter 8,50 Euro bezahlt hat, in Regress nehmen. Abgesichert sei dies durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), erläutert Stommel. Bei Paragraf 13 gibt es aber eine Einschränkung: Ein Unternehmer haftet laut Bundesarbeitsministerium nur dann unabhängig vom eigenen Verschulden wie ein Bürge, wenn er sich zuvor vertraglich dazu verpflichtet hat, eine Werk- oder Dienstleistung zu erbringen und diese nicht selbst erledigt, sondern sich zur Erfüllung dieser Pflicht eines oder mehrerer Subunternehmen bedient. Das Ministerium stützt sich bei seiner Argumentation auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2005. Insofern ist auch der Verlader in der Haftung, der Güter zum Transport übergibt, wenn er durch einen Vertrag mit einem Zwischen- oder Endabnehmer zur Lieferung einer Ware verpflichtet ist. Das ist zum Beispiel beim Versendungskauf im Onlinehandel der Fall. Ein Industrieunternehmer, der einem Spediteur einen Auftrag zur Beförderung seiner Produkte erteilt, welcher diesen an einen Frachtführer weitergibt, ist nach dieser Logik kein Unternehmer im Sinne der erwähnten Rechtsprechung. Als Auftraggeber würde in diesem Fall der Spediteur für Mindestlohnansprüche haften. "Diese Auslegung ist aber umstritten und es ist gut möglich, dass die Differenzierung des Bundes hinsichtlich des Unternehmensbegriffs, die ursprünglich für das Baugewerbe vom Bundesarbeitsgericht vorgenommen worden ist, nicht haltbar ist", sagt Stommel. Zusätzlich droht Bußgeld bei Verstoß Neben der zivilrechtlichen Haftung ist in Paragraf 21 MiLoG noch eine bußgeldrechtliche Verantwortung des Auftraggebers festgeschrieben. Diese sei aber vom Verschulden abhängig, so Stommel: Wer demnach vorsätzlich oder fahrlässig gegen das geplante Mindestlohngesetz verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Diese ist bei schweren Delikten mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro verbunden. Diese Strafe müssen Arbeitgeber unter anderem zahlen, wenn sie den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig an eigene Arbeitnehmer zahlen beziehungsweise bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis davon, dass ein Subunternehmen den Mindestlohn seinen Leuten nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Außerdem kann der Zoll sie bei Verstößen gegen die Meldepflicht für ausländische Arbeitgeber gemäß MiLoG und die Vorschrift zum Erstellen und Bereithalten von Dokumenten anordnen. Angesichts der vielen rechtlichen Stolperfallen diskutieren derzeit Verlader und Spediteure darüber, ob und inwieweit sich das Haftungsrisiko aus dem MiLoG durch vertragliche Vereinbarungen begrenzen lässt. Klausel bietet gewisse Absicherung Der ASL-Geschäftsführer empfiehlt, bei der vertraglichen Gestaltung von Werk- und Dienstverträgen mit Subunternehmern eine Klausel aufzunehmen, mit der der Auftragnehmer bestätigt, die Bestimmungen des MiLoG einzuhalten und auch bei der Auswahl seiner Unternehmer eine solche Bestätigung einzuholen. "Diese Klauseln dürften in der Praxis mit einer Vertragsstrafe oder Freistellungsvereinbarung kombiniert werden, wonach der Auftragnehmer sich verpflichtet, den Auftraggeber von seiner Haftung auf Mindestlohn im Innenverhältnis freizustellen", sagt der Jurist. Alternativ kann ein Auftraggeber verlangen, dass sein Auftragnehmer stichprobenhaft geeignete Unterlagen vorlegt, um die Einhaltung des 8,50-Euro-Gesetzes nachzuweisen, oder dessen Steuerberater ihm diese versichert. Dabei ist er auf die Mitwirkung des Vertragspartners angewiesen. "Dies allein wird aber nicht ausreichen, um den Verschuldensvorwurf im Rahmen der Bußgeldvorschriften zu entkräften", sagt er. Vielmehr müsse jeder Auftraggeber seine Auftragnehmer künftig sorgfältig auswählen und insbesondere alle Angebote einer Plausibilitätsprüfung unterziehen. Aus dieser müsse hervorgehen, dass die Pflicht zur Zahlung eines Mindestlohnes in der Vergütung eingerechnet sei, so der Arbeitsrechtsexperte. "Kommen bei dieser Plausibilitätsprüfung Zweifel auf, ob die Beförderungsleistung zu dem angebotenen Preis betriebswirtschaftlich sinnvoll erbracht werden kann, sind zumindest Rückfragen beim Auftragnehmer notwendig, um einen Verschuldensvorwurf aus dem Weg zu gehen." Nicht jede Haftung lässt sich reduzieren Zivilrechtliche Mindestlohnansprüche nach Paragraf 13 lassen sich hingegen nicht durch Vertragsklauseln ausschließen. "Die Bürgenhaftung des Aufraggebers gegenüber Arbeitnehmern bei Verstößen gegen das MiLoG ist zwingend", sagt Stommel. Ebenso sei eine Verzichtserklärung des Arbeitnehmers gegenüber dem Auftraggeber oder seinem Arbeitgeber unwirksam. Als Risiken übrig bleiben aus Sicht des Geschäftsführers darüber hinaus die Insolvenz des Frachtführers oder die Rechtsdurchsetzung im Ausland. "Aus der Bauwirtschaft ist bekannt, dass zur Absicherung vertragliche Regelungen getroffen werden, die den Einsatz von Nachunternehmern beschränken und finanzielle Sicherheiten verlangen", erklärt er. Im Transportsektor würde eine Einschränkung des Nachunternehmereinsatzes aber einen massiven Eingriff in übliche Abläufe darstellen und Sicherheitsleistungen in der Regel einen hohen administrativen Aufwand nach sich ziehen, dessen Nutzen eher als gering einzustufen sei. Die Serie Das Mindestlohngesetz richtig umsetzen - VR 49: Dokumentation und Kontrolle- VR 50: Bezahlung und Umrechnung- VR 51: Haftung und Absicherung Paragraf 13 MiLoG Das sagt der Gesetzgeber "Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt)." ag

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