850 auf einen Streich

Der Mittelstand in Spedition und Transport hat gelernt zusammenzuarbeiten - feste Kooperationen, aber auch mehr oder weniger verbindliche Partnerschaften prägen mittlerweile das Bild der Branche. Auch gemeinsamer Einkauf ist kein Tabu mehr - von Büromaterial bis zum Diesel oder Adblue. Bei der Beschaffung von LKW hört die Partnerschaft allerdings meist auf. Warum eigentlich? Es gibt eine Reihe von Gründen, die sich teilweise vernünftig anhören: Zum Beispiel, dass die Anforderungen an die ziehende Einheit von Fuhrpark zu Fuhrpark durchaus verschieden sind. Oder dass jeder Unternehmer seine eigene Vorstellung von der Fahrzeugkonfiguration hat. Außerdem sehen viele Unternehmer den Einkauf des wichtigsten Produktionsmittels als Kernkompetenz, die sie nicht in fremde Hände legen wollen. Schließlich und endlich macht es natürlich auch Spaß, von den LKW-Herstellern richtig umworben zu werden. Investitionsstau bei Elvis-Partnern Es gibt allerdings auch ein starkes Gegenargument: "Die Bündelung von Mengen ermöglicht auch beim LKW Preise und Konditionen, die ein einzelnes Unternehmen nicht erreichen kann", sagt Johann Hiltmair, Geschäftsführender Gesellschafter von Hiltmair Management Consulting aus Grasbrunn bei München. Hiltmair weiß, wovon er spricht. Mit ihm gemeinsam haben Jochen Eschborn, CEO der Ladungskooperation Elvis, und Elvis-Einkaufschefin Christine Platt in einem fünfmonatigen Projekt gerade 850 LKW für die Partner ihrer Kooperation besorgt. "Es gab bei uns eine günstige Konstellation, es zu versuchen", berichtet Elvis-Chef Eschborn im Gespräch mit der Verkehrs-Rundschau. Wegen der unklaren Ausgestaltung der Maut hatten sich viele der insgesamt 134 Elvis-Partner im vergangenen Jahr mit LKW-Investitionen zurückgehalten. Durch Befragungen erfuhren Eschborn und Platt, dass viele der insgesamt 13.500 Fahrzeuge in den Fuhrparks der Kooperationsmitglieder neu beschafft werden sollten. Ein Großteil der Elvis Mitglieder war bereit, dieses Mal den aktuellen Bedarf von rund 1500 Fahrzeugen mit einer gemeinsamen Ausschreibung zu decken. Klares Verhandlungsmandat Aus Erfahrung wussten Hiltmair und Eschborn jedoch, dass es mit einer allgemeinen Absichtserklärung der Kooperationspartner kaum möglich ist, so ein Ausschreibungsprojekt ins Ziel zu bringen. Gründe: Zum einen ändert sich während der Ausschreibungsphase immer mal wieder der Bedarf - aber der Einkäufer muss jederzeit genau wissen, über welche Mengen er tatsächlich verhandelt. Zweitens braucht der Einkäufer ein alleiniges Verhandlungsmandat. Wenn die Nutzfahrzeugverkäufer gleichzeitig mit dem Einkäufer und dem Partnerunternehmen verhandeln, sind die leicht gegeneinander auszuspielen. Eschborn, Platt und Hiltmair ließen sich von den Elvis-Partnern eine rechtsverbindliche Abnahmeverpflichtung unterschreiben und erreichten dadurch ein sichereres Verhandlungsmandat für über eintausend Fahrzeuge. Nun begann die Feinarbeit. "Das Problem war, dass jeder seine eigenen Vorstellungen über Auswahlkriterium, Fahrzeug-Konfiguration und die Markenakzeptanz hatte", erinnert sich Eschborn. Diese Präferenzen galt es herauszufinden. Das Projektteam befragte dazu ausführlich die Partner. "Am wichtigsten war der Kaufpreis, aber vor allem natürlich auch die Wirtschaftlichkeit in der Gesamtbetrachtung. Eine Rolle spielte auch das Herstellerimage", fasst Hiltmair zusammen. Häufig genannt wurden auch der aktuelle technische Standard sowie das Vertrauen in die Werkstatt und deren Nähe zum Unternehmensstandort. "Ein wichtiger Unterschied des Elvis-Projektes zu anderen LKW-Ausschreibungen zum Beispiel von Transportkonzernen war es, nicht ein oder mehrere Standardfahrzeuge vorzugeben. Wir wollten keinen einheitlichen Elvis-LKW", betont Eschborn. Damit kam das Projektteam zwar dem Wunsch der Unternehmen nach individueller Konfiguration entgegen, handelte sich aber natürlich einen Berg von Kleinarbeit ein. Das Projektteam fand für die Fahrzeugkonfiguration einen schlanken Bearbeitungsprozess. "Wir haben ein Webinar für jeden Partner organisiert", sagt Christine Platt. Mittels der Video-Konferenztechnik konfigurierten das Projektteam und die LKW-Experten der einzelnen Unternehmen Fahrzeug für Fahrzeug. Diesen Schritt erledigte die Elvis-Mannschaft übrigens ohne die Verkäufer der Hersteller. "Faktisch war jedes Fahrzeug etwas anders konfiguriert", sagt Hiltmair. Im nächsten Schritt analysierte und verdichtete das Projektteam die einzelnen Anforderungen. Verdichten bedeutet: Den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. "Dabei kamen zehn verschiedene Grundfahrzeuge heraus", sagt Einkaufsexpertin Platt. Dies ermöglichte einerseits den für den Einkauf nötigen Volumeneffekt, andererseits auch die von den Unternehmen geforderte Zusatzausstattung, die optional zu den Grundfahrzeugen bestellt werden konnte. "Wir haben beobachtet, dass es einige Highlights beim Zubehör gab", sagt Hiltmair. Am häufigsten gewünscht wurden Standklimaanlagen, Safety-Pakete, GPS-gesteuerte Getriebe und komfortable Fahrerhäuser. Für Hiltmair ist insbesondere der Notbremsassistent eine gute Wahl, obwohl er erst ab November 2015 Pflicht in neuen LKW wird. "Es ist dennoch fast schon fahrlässig, einen neuen LKW ohne diese Hilfe zu bestellen", sagt der LKW-Einkaufsexperte. Nach den umfangreichen Vorarbeiten ging die Ausschreibung dann in die entscheidende Phase: die Verhandlungen mit den Herstellern. Eine wichtige Maßnahme: Bevor das Einkaufsteam an die LKW-Hersteller herantrat, vereinbarte es mit den Elvis-Partnern einen Verhandlungsstopp. Verhandlungs-Stopp für alle Partner Das bedeutet: Die einzelnen Unternehmen verhandelten nun nicht mehr mit den Herstellern oder Händlern über Fahrzeuge, die in der Ausschreibung beinhaltet waren. Eine wichtige verhandlungsstrategische Erfolgsposition für die Einkäufer - zumal sich die Unternehmen zu nahezu 100 Prozent loyal verhielten. Dennoch gab es bei den Gesprächen mit den Herstellern Überraschungen: Zwei am Markt bekannte Anbieter konnten aus strukturellen Gründen nicht an der Ausschreibung teilnehmen. Hintergrund: Das Vertriebsmodell dieser Hersteller sieht vor, dass sie ausschließlich an ihre Händler verkaufen und diese an die Fuhrparkbetreiber in ihrem Verkaufsgebiet. Aufgrund dieser dezentralen Strukturen, so bewerten es Eschborn und Hiltmair, kam eine Teilnahme an einer bundesweiten Ausschreibung nicht zustande. Ein weiterer Hersteller sagte ab, weil ihm das Verfahren zu "preisgetrieben" erschien und er befürchtete, nicht die Möglichkeit zu bekommen, sein "Preiskonzept ausreichend zu erklären." Die drei Hersteller MAN, Scania und Iveco kamen in die letzten Verhandlungsrunden. Sie bearbeiteten die detaillierte Ausschreibungsdatei und gaben auf dieser Basis ihre Angebote ab. Schon bei dem Angebotseingang zeichnete sich ab, dass die Aktion ein Erfolg wird. "Die Hersteller haben die Ausschreibung sehr ernst genommen und bei der Bearbeitung einen großen Aufwand betrieben", lobt Hiltmair. Anschließend lud das Projektteam die Hersteller zu einer ersten Verhandlungsrunde ein. "Dabei ging es noch nicht um Detailverhandlungen, sondern darum, die Preise zu verstehen. Wir wollten wissen, was in den genannten Preisen enthalten ist und was nicht", sagt Eschborn. "Beispielsweise bieten einige Hersteller eine dreijährige Antriebsstrang-Garantie mit dem Kaufpreis an." Bei der Auswertung der Angebote stieg das Elvis-Projektteam tief in das Kleingedruckte ein. "Es bleibt einem nichts anderes übrig, als die Geschäftsbedingungen zu lesen, sonst bleibt am Ende viel Geld auf der Straße liegen", betont Hiltmair. Ein Beispiel: Wird eine Rückgabe des Fahrzeugs zu einem fixen Wert vereinbart - beispielsweise aufgrund einer Buy-Back-Vereinbarung oder eines Leasingvertrags - so muss auch vereinbart werden, von welchem Abnutzungsgrad auszugehen ist. Rücknahme genau vereinbaren Oft ist es den Käufern nicht klar, welche Schäden sie bei Rückgabe zu bezahlen haben. "Wenn man da nicht aufpasst, muss man für jeden kleinen Kratzer zahlen und ein guter Preis wird nach Vertragsende noch zu einem schlechten", warnt Hiltmair. Sein Tipp: Unbedingt genaue Vereinbarungen zur Rückgabe treffen. Gleiches gilt für Mehrkilometerkosten für eine fest vereinbarte Kilometerzahl. "Hier werden mitunter sehr hohe Sätze verlangt", mahnt Hiltmair. Verhandelt wurde natürlich auch über Wartungsverträge - hier gibt es am Markt mitunter Preisunterschiede von 50 Prozent für das gleiche Leistungs- und Servicepaket. Das Ergebnis der nachfolgenden Verhandlungen war für die Elvis-Partner ein sehr großer Erfolg. Zwischen sieben und zehn Prozent auf den Kaufpreis der LKW lagen die Vorteile für die teilnehmenden Unternehmen. Durch die großen Mengen lohnte es sich auch für die beteiligten Hersteller. Auf der Messe IAA im September wurde der Kauf dann besiegelt: Scania erhielt Aufträge für 470 Fahrzeuge, MAN baut 300 LKW für die Elvis-Partner und Iveco bekam immerhin gut 80 Aufträge. Dazu kommen noch die Wartungsverträge und viele Finanzierungsabschlüsse mit "hervorragenden Konditionen", so Hiltmair. Bestellt wurden insgesamt fünfzehn verschiedene Fahrzeugtypen, vor allem Sattelzugmaschinen und Motorwagen für den Fernverkehr. Dabei wurden hauptsächlich der Scania R 450 LA 4x2 MEB, der MAN TGX 24.440 6X2-2 LLU und der Iveco Stralis Hiway AS440 S 46 T/P geordert. Neben den schweren LKW sind außerdem auch ein paar 7,5- bis 12-Tonnen-Verteiler dabei. Abrufen können die Unternehmer die Fahrzeuge je nach Vereinbarung bis Ende 2015. Im ersten Quartal 2016 werden dann die letzten Fahrzeuge aus dem Projekt ausgeliefert. "Entscheidend für den Erfolg der Ausschreibung waren für uns das Vertrauen und die Loyalität der Elvis-Partner sowie die Marktkenntnis von Hiltmair Management Consulting. Durch diese Faktoren wurden wir von den Herstellern als Verhandlungspartner auf Augenhöhe sofort akzeptiert", zieht Elvis-CEO Eschborn Bilanz: "Allen Beteiligten war klar, dass diese Ausschreibung eine Signalwirkung hat. Wenn wir gescheitert wären, wäre eine gemeinsame LKW-Ausschreibung bei Elvis für viele Jahre verbrannt gewesen", ist sich Jochen Eschborn sicher. Die Speditions-Kooperation Einkaufen mit Elvis Elvis steht für Europäischer Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure und wurde im Jahr 2006 von elf mittelständischen Transportunternehmern gegründet, die ein Teilladungsnetzwerk schaffen wollten. Mittlerweile verfügt Elvis über 134 Partnerunternehmen in zwölf Ländern, die mit 13.500 LKW unterwegs sind. Neben die Komplettladungssparte sind mittlerweile die Volumensparte und ein Teilladungsnetz sowie ganz neu die Kühlgutsparte getreten.Als Dienstleistung bietet Elvis auch den gemeinsamen Einkauf von verschiedensten Verbrauchs- und Investitionsgütern an. Der von Christine Platt geleitete Zentraleinkauf zeichnet mittlerweile für ein Einkaufsvolumen von 200 Millionen Euro verantwortlich. Elvis vereinbart dabei günstige Rahmenkonditionen, zu denen die Partnerunternehmen bestellen können. Sie erhalten von den Lieferanten neben dem individuellen Nachlass einen Elvis-Rabatt, den der Elvis-Einkauf als Bonus ausschüttet. Die Vereinbarungen mit den Lieferanten enthalten keine Mengengarantien, sondern ermöglichen lediglich ein bestmögliches Entrée bei den Kooperationspartnern. hel Experten-Tipp Typische Fehler beim Einkauf von Nutzfahrzeugen In seiner langjährigen Beratungspraxis beobachtet LKW-Einkaufsexperte Johann Hiltmair, Geschäftsführender Gesellschafter von Hiltmair Management Consulting, immer wieder folgende Fehler:- Äpfel mit Birnen vergleichen: Die Ausstattung der Fahrzeuge und die Dienstleistungsangebote werden oft nicht vergleichbar gemacht. Mitunter werden dadurch völlig verschieden ausgestattete Fahrzeuge und Dienstleistungen (Wartung, Finanzierung) miteinander verglichen.- Beeinflussung durch Marketing: Gegen ein aktives Marketing ist nichts einzuwenden. Es sollte jedoch bei einem Angebotsvergleich eines langlebigen Investitionsgutes in keiner Weise im Vordergrund stehen. Entscheidend sind Faktoren wie Nutzen, Qualität und Preis-Leistungsverhältnis über die gesamte Einsatzdauer.- TCO-Kosten werden ignoriert: Bei der Entscheidung über einen LKW-Kauf zählt nicht nur der Anschaffungspreis. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtkosten während der Nutzungszeit (Total Cost of Ownership = TCO). Deshalb muss über Rückgabevereinbarungen, Wartungsverträge, Finanzierung und Ähnliches genauso differenziert verhandelt werden wie über den Kaufpreis. Dazu ist Transparenz über die Kostenstrukturen im eigenen Fuhrpark hilfreich. Die Hersteller bieten zudem einige Features an, die den Kaufpreis zunächst erhöhen, aber den Werteverzehr über die Laufzeit deutlich senken.- Kleingedrucktes wird übersehen: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Sachverhalte geregelt, die für den Käufer kostenrelevant und teuer werden können. Deshalb ist ein genaues Durcharbeiten und Verhandeln Pflicht. Zum Beispiel können am Laufzeitende über Mehrkilometerzuschläge saftige Zusatzkosten produziert werden.- Rückgabevereinbarungen treffen: Immer mehr Nutzfahrzeuge werden vereinbarungsgemäß nach Ende der Nutzung an den Verkäufer zurückgegeben. Dafür sind schon bei Vertragsabschluss präzise Regelungen über den späteren Fahrzeugzustand und eventuelle Schadenbeseitigung zu treffen.- Den Markt kennen: Als Zielpreis für einen Fullservice-Leasingvertrag für eine Sattelzugmaschine mit etwa 430 PS, 130.000 km Laufleistung im Jahr und einer Komfortausstattung (GPS-Getriebe, großes Fahrerhaus, Safety-Paket und Retarder) sind 10 bis 14 Cent pro km inklusive aller Finanzdienstleistungen und Wartung möglich. hel

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