Ulm. Schadensersatz wegen des Diebstahls von Gütern aus einem abgestellten Lkw setzt ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers voraus. Um dies nachweisen zu können, müssen dem Frachtführer der besondere Wert der Ware und das Diebstahlrisiko bekannt sein, damit er gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Das stellte das Landgericht Ulm mit einem Urteil klar.
Ein Pharmahersteller hatte den beklagten Frachtführer mit dem Transport von Arzneimitteln nach Schweden beauftragt. Der Unternehmer verwendete einen Kühlauflieger für den Transport, das Fahrzeug wurde bei einer Übernachtung in Schweden auf einem beleuchteten Parkplatz abgestellt, von dem keinerlei vorherige Diebstähle bekannt waren. Zudem standen dort zwei weitere Lkw eines anderen Unternehmens. Der Fahrer übernachtete im Fahrzeug. Der Wert der Ware oder deren besondere Verwertbarkeit waren ihm nicht bekannt.
Quasi Güterverlust: Packungen wurden zwar nicht geklaut, aber aufgerissen
Der Lkw-Trailer wurde aufgebrochen, die Pakete mit den Medikamenten aufgerissen, aber nicht gestohlen. Dennoch ist von einem Verlust der Arzneimittel auszugehen. Denn in diesem Segment besteht eine besondere Sorgfaltspflicht bezüglich der Gesundheit der Verbraucher. Da ihre Qualitätsmerkmale durch das Aufreißen der Verpackung zerstört waren, waren sie nicht mehr zu gebrauchen.
Dem Frachtführer konnte hier aber nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe leichtfertig den Diebstahl riskiert. Leichtfertig handelt, so die Richter, wer auf der Hand liegende Sorgfaltspflichten verletzt, naheliegende Überlegungen nicht anstellt und sich über Bedenken hinwegsetzt, die sich jedem aufdrängen müssen. Je größer die mit der Beförderung verbundenen Risiken demnach sind, desto höhere Anforderungen seien an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen zu stellen.
Von Bedeutung ist dabei, ob das transportierte Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlsgefährdet ist sowie die Frage, welchen Wert es hat. Auch muss dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage bekannt sein und welche konkreten Möglichkeiten es gibt, die geforderten Fahrtunterbrechungen an einem sichereren Ort durchzuführen. In diesem Fall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass das Pharmaunternehmen keinen Schadensersatz verlangen konnte. (ctw/ag)
Urteil vom 19.05.2017
Aktenzeichen 10 O 36/16 KfH