München. Grundsätzlich spricht bei einem Auffahrunfall der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des auffahrenden Kraftfahrers: Wer auffährt, hat meistens Schuld. Der Beweis des ersten Anscheins erlaubt, bei typischen Abläufen auf allgemeine Erfahrungssätze zurückzugreifen, ohne dass Ursache oder Verschulden konkret festgestellt werden müssen. Deshalb funktioniert er auch nur bei gewöhnlichen Unfällen, nicht aber bei atypischen Abläufen. Zu diesen zählt beispielsweise ein Verkehrsunfall kurz nach einem Spurwechsel.
Ein Spurwechsel muss stets so vollzogen werden, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet (Paragraf 7 Absatz 5 Straßenverkehrsordnung). Dies erfordert eine erheblich gesteigerte Sorgfalt. Kommt es beim oder unmittelbar nach dem Spurwechsel zu einem Auffahrunfall auf der Überholspur, spricht der erste Anschein für einen Fehler des Spurwechslers, der nach dem Ausscheren zu langsam gewesen sein kann. Er muss nach Paragraf 18 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes für den Schaden haften, falls er die Vermutung, er habe ich sorgfaltswidrig verhalten, nicht widerlegen kann.
Wer auf Autobahnen ohne Tempolimit die Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern überschreitet, muss sich allerdings trotz des Fahrfehlers eines Spurwechslers eine Mithaftung anrechnen lassen. Die richtet sich danach, wie hoch die Überschreitung war und wie sehr der Spurwechsler von dem heranrasenden Fahrzeug überrascht wurde. So kamen Gerichte schon zu einem Mitverschuldensanteil von rund 20 Prozent, wenn das nachfolgende Fahrzeug 160 Stundenkilometer fährt. (ir/ag)
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