"Zukunftsinvestitionen bei Straße, Schiene und Wasserstraße unterbleiben"
Der Vorsitzende des Präsidiums des Deutschen Verkehrsforums Raimund Klinkner sieht mit Sorge auf den Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt 2023: „Die Bundesregierung hat bereits mit dem Haushalt des laufenden Jahres versäumt, die Finanzmittel für Erhalt und Modernisierung unserer Verkehrsinfrastruktur massiv aufzustocken. Für 2023 wurden wichtige Zukunftsinvestitionen angekündigt, die jedoch im vorgelegten Regierungsentwurf erneut unterbleiben. Angesichts gestiegener Baupreise werden die Investitionen sogar real heruntergefahren. Damit steht fest, dass der Verfall unserer Straßen, Schienen, Brücken und auch Schleusen weiter voranschreitet. Auch die dringend notwendige Digitalisierung der Verkehrswege bleibt auf der Strecke. Die Finanzplanung lässt zudem nicht erkennen, dass sich dieser Trend umkehrt. Das ist fatal, denn Verkehrsunternehmen, Logistikbranche und Bauwirtschaft brauchen jetzt verlässliche positive Signale, dass Deutschland für die Zukunft vorbaut, damit sie ihren Beitrag dazu leisten können. Dazu gehört in erster Linie eine langfristig verbindliche und transparente Finanzplanung für Straßen, Schienennetz und Wasserwege, ebenso wie für digitale Netze und die Strom- und Ladeinfrastruktur.“
Klinkner betonte allerdings, dass im Haushaltsentwurf auch viele gute Ansätze weitergeführt werden sollen. So werde die Verkehrswirtschaft von den Lasten der EEG-Umlage befreit, die Förderkulissen für die Elektromobilität würden fortgeschrieben und Investitionen in Radwege und in LNG-Infrastruktur getätigt.
"Investitionen in Schiene unzureichend für Klimaschutz"
„Für das Erreichen der Klimaziele ist die Investitionslinie für die Schiene zu halbherzig. Für ein leistungsfähiges Schienennetz müssen jetzt die dringend erforderlichen Investitionen bereitgestellt werden. Der vorliegende Regierungsentwurf bleibt deutlich hinter den Erwartungen und den Notwendigkeiten zurück“, kommentierte VDB-Präsident Andre Rodenbeck.
Die Ampelkoalition hat 2021 mit dem Koalitionsvertrag den richtigen Kurs für die Schiene vorgegeben: Verdopplung der Fahrgastzahlen im Personenverkehr, Steigerung des Schienenanteils im Güterverkehr auf 25 Prozent und Elektrifizierung von 75 Prozent des deutschen Netzes bis 2030. Flächendeckende Digitalisierung bis 2035. „All dies sind notwendige Bedingungen für die Halbierung der CO2-Emissionen im Verkehr. Es geht jetzt darum, den Koalitionsvertrag auch umzusetzen. Ohne die dafür erforderlichen Mittel lassen sich die Ziele für Schiene und Klima nicht erreichen“, so Rodenbeck weiter.
„Auch der zweite Ampelhaushalt ist enttäuschend“
„Auch der zweite Ampelhaushalt ist enttäuschend. Genau wie der erste steht er für ein Weiter-So in der Verkehrspolitik“, monierte Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege. Der Haushaltsansatz reiche „nicht einmal, um die Baupreissteigerungen bei der Schieneninfrastruktur aufzufangen“, die angekündigte Verkehrswende sei „weiterhin nicht in Sicht. Die Ampelkoalition setzt genau wie die Vorgängerregierungen auf den Bau neuer Fernstraßen und vernachlässigt die Zukunftsinvestitionen in die Schieneninfrastruktur. Für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen stehen im nächsten Jahr mit 3,86 Milliarden Euro fast doppelt soviel Mittel zur Verfügung wie für die Kapazitätserweiterung des Schienennetzes, für die zwei Milliarden Euro aus dem Bedarfsplan Schiene veranschlagt sind.“
Positiv sei immerhin, dass es für kleine Bauprojekte im Schienennetz, die schnell zur Entschärfung von Engpässen beitragen können, einen Aufwuchs auf 75 Millionen Euro geben soll (plus 56 Millionen Euro im Vergleich zum Plan 2022).
"Verkehrshaushalt - Schlimmer geht immer"
Ludolf Kerkeling, Sprecher der Güterbahnen, kommentiert den beschlossenen Bundeshaushalt folgerndermaßen: „Wäre die Ampel Inhaberin einer Bäckerei, würde sie von ihren Mitarbeitenden fordern, das beste Brot der Stadt zu backen – und zwar ohne Mehl. Die Einhaltung der Klimaziele und das dafür notwendige Wachstum des Schienenverkehrs gelingen nicht, wenn die nötigen Mittel an den Lkw-Verkehr verteilt werden. Es soll mehr Geld für den Straßenbau ausgegeben werden als für die Schienenwege, obwohl der Verkehrsminister anderes versprochen hat. Die von Wissing vorgelegte „Lkw-Maut-Mini-Novelle“ soll offenbar Mehreinnahmen von 600 Millionen Euro bringen. Obwohl die höheren Gebühren mit höheren Umweltbelastungen gerechtfertigt werden, soll damit der weitere Straßenbau finanziert werden. Dabei erlaubt die im Frühjahr verabschiedete EU-Wegekostenrichtlinie die Verwendung für Alternativen zum Straßengüterverkehr. Das Dieselsteuerprivileg soll bestehen bleiben, obwohl es sich um eine vielfach kritisierte, umweltschädliche Subvention und potenzielle Einnahmequelle handelt. Für die vorgesehene Kürzung der Mittel für Schieneninvestitionen, etwa in die Digitalisierung und Elektrifizierung, soll wohl die Schuldenbremse als Begründung herhalten. Nun muss die rot-grün-gelbe Bundestagsmehrheit zeigen, ob sie diesen eklatanten Widerspruch zwischen Rhetorik und Handeln mitträgt.“ (ste)