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Brennpunkt Calais: Tipps für Transportunternehmer

02.06.2015 10:29 Uhr
Brennpunkt Calais: Tipps für Transportunternehmer
Dramatische Szenen spielen sich in der französischen Hafenstadt Calais ab: Flüchtlinge wollen im Lkw nach Großbritannien gelangen
© Foto: Picture Alliance/MAXPPP/Arnaud Dumontier

Dutzende Flüchtlinge versuchen täglich, versteckt in Lkw von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen. Bei Transporteuren sorgt dies zunehmend für rechtliche Bedenken. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Brennpunkt Calais.

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In Calais nehmen Güter Schaden und Fahrer werden bedroht. Warum unternimmt die französische Polizei nichts dagegen?
In den vergangenen Tagen waren 300 bis 400 Flüchtlinge – und damit doppelt so viele wie bisher üblich – auf den Zufahrtsstraßen zu den Terminals unterwegs. Gemäß den Vereinbarungen der EU darf Frankreich die Flüchtlinge nicht weiterreisen lassen. Deshalb ist die französische Polizei auch an den Autobahnen bei Calais unterwegs. Alle Lkw zu überwachen ist allerdings personell nicht möglich. Die „Compagnies Républicaines de Sécurité“ (CRS), eine spezielle Einheit der französischen Polizei, die insbesondere bei Aufständen und Demonstrationen zum Einsatz kommt, ist in Calais mit 250 Beamten vertreten. Da sie in drei Schichten arbeiten sind aber nur jeweils rund 80 Polizeibeamte für die Sicherheit der französisch-englischen Grenze vor Ort. Selbst wenn die Polizei diese Leute erwischt, kann ihnen nicht viel passieren, denn die Gefängnisse in Calais sind mittlerweile überfüllt.

Wer muss für Güterschäden aufkommen, die blinde Passagiere verursachen?
Für Teil- und Totalverlust sowie die Beschädigungen haftet grundsätzlich der Frachtführer, sofern der Verlust oder die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Und zwar unabhängig davon, ob er Schuld daran ist oder nicht. Das regelt in diesem Fall das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR). Der Frachtführer muss in diesem Zusammenhang auch für Fehler seines Personals einstehen.

Geht ein Gut verloren, ist generell der Wert zu ersetzen, den es bei Übernahme hatte. Hinzu kommen Fracht, Zölle und sonstige Kosten. Bei Beschädigung hat der Frachtführer den Betrag der Wertverminderung zu zahlen. Allerdings ist die Haftung nach den CMR in beiden Fällen auf 8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm Rohgewicht der Sendung beschränkt – das entspricht rund zehn Euro. Die Haftungsbegrenzung gilt nicht, wenn der Schaden auf einer Handlung oder Unterlassung beruhe, die der Frachtführer vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten kann.

„Der Frachtführer ist von der sogenannten Obhutshaftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung unter anderem durch Umstände verursacht worden ist, die er nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte“, erklärt Gerhard Wolter, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht in der Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Caspers, Mock & Partner in Saarbrücken. Die Hürde, um sich auf diese Ausnahme berufen zu können, liege in der internationalen Rechtsprechung jedoch sehr hoch.

Wolter glaubt deshalb nicht daran, dass sich ein deutscher Frachtführer bei einem Rechtsstreit anlässlich der Probleme in Calais auf die besagte Haftungsbefreiung berufen kann. „Bei anderen vorhersehbaren Zwischenfällen – etwa bei Autobahnblockaden – entschieden Gerichte, dass diese den Frachtführer nicht von der Haftung befreien“, erklärt der Jurist. Vielmehr habe sich der Betroffene über mögliche Störungen informieren müssen und die kritische Stelle umfahren müssen, sofern er genügend Zeit gehabt habe. „Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Gibt es Alternativen zum Transport über Calais, die ein Richter für zumutbar hält?“

Lässt sich denn das Haftungsrisiko per Individualvereinbarung ausschließen?
Die Haftungsregeln der CMR sind zwingend und können weder per Vertrag noch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen verändert werden. Rechtsanwalt Wolter sieht dennoch eine Chance, wie Frachtführer auf Nummer sicher gehen können. „Die CMR besagt, dass der Frachtführer von der Obhutshaftung befreit ist, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist durch eine nicht von ihm verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten verursacht worden ist“, erklärt er. Mit anderen Worten: Verlangt das absendende Industrie- und Handelsunternehmen ausdrücklich, dass sein Transport- und Logistikdienstleister die Waren auf dem schnellsten und kürzesten Weg nach Großbritannien befördert, dann könnte dies bei einem Rechtsstreit ein Argument für die Haftungsbefreiung sein. „Als vorsichtiger Frachtführer könnte man darüber nachdenken, eine Klausel in den Auftrag aufzunehmen, mit welcher der Absender ausdrücklich den Transport über Calais verlangt.“

Was ist, wenn die Grenzbehörden illegale Einwanderer im Lkw entdecken?
Lkw-Fahrer zahlen eine saftige Strafe von bis zu 500 Britische Pfund (700 Euro), wenn sie in England mit illegalen Migranten an Bord erwischt werden. Transportunternehmern droht sogar mit einer Geldstrafe von bis zu 2000 Pfund (2800 Euro). Diese Sanktionen werden allerdings nur fällig, wenn beide gegenüber den britischen Grenzbehörden nicht nachweisen können, alle Maßnahmen getroffen zu haben, um ein Eindringen der Flüchtlinge zu verhindern.

 

Wie können sich Transportunternehmer, die über Calais fahren, absichern?
Die Lkw-Fahrer beziehungsweise Transportunternehmer müssen gegenüber den britischen Behörden nachweisen, alle Maßnahmen getroffen zu haben, um ein Eindringen der Flüchtlinge zu verhindern. Die International Road Transport Union (IRU) hat in Abstimmung mit dem britischen Innenministerium für diesen Nachweis eine Checkliste erarbeitet.

Darüber hinaus sind den Frachtführern die Hände gebunden: Abseits von Verkehrshaftungs- oder Warentransportversicherungen gebe es keinen Schutz vor derartigen Vorkommnissen. Wenn möglich, sollten Transportunternehmer andere Fährhäfen in Richtung England nutzen, rät der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Die Beförderung dauere dann zwar länger und sei teurer, dafür gebe es aber weniger Unwägbarkeiten. Es kommt natürlich immer darauf an, ob der Auftraggeber mitspielt.

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