Stockholm. Siemens und Scania testen in Schweden derzeit ein Strom-Oberleitungssystem für Lastwagen. Wie der Technologiekonzern und der Nutzfahrzeug-Hersteller mitteilten, ist am Mittwoch der E-Highway in Betrieb gegangen. Die schwedische Infrastrukturministerin Anna Johansson und Energieminister Ibrahim Baylan gaben den Startschuss für das erste System dieser Art auf einer öffentlichen Straße. Der Versuch findet auf einem zwei Kilometer langen Autobahnabschnitt der E16 nördlich von Stockholm statt und soll zwei Jahre dauern. Ein ähnliches Projekt beginnt 2017 in Kalifornien, wo Siemens mit Volvo auf einer Teststrecke zwischen den Häfen von Los Angeles und Long Beach zusammenarbeitet.
Bei dem Test in Schweden kommen zwei Euro-6-Lkw mit Diesel-Hybrid-Antrieb zum Einsatz, die Scania in Zusammenarbeit mit Siemens für den Einsatz unter der Oberleitung angepasst hat. Mit dem zweijährigen Testbetrieb möchten die schwedische Transportbehörde Trafikverket und der Regierungsbezirk Gävleborg Erkenntnisse darüber sammeln, ob sich das Siemens-eHighway-System für eine zukünftige dauerhafte kommerzielle Nutzung und einen weiteren Ausbau eignet. Denn das Land hat ehrgeizige Umweltziele ausgerufen: Schwedens Transportsektor soll bis 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen sein.
Ein Sensorsystem ermöglicht einem intelligenten Stromabnehmer bei einer Geschwindigkeit bis 90 Stundenkilometern, den Kontakt zur Oberleitung herzustellen und zu unterbrechen. Er dockt selbstständig an oder löst diese Verbindung wieder, wenn der Lkw etwa die Fahrspur wechselt oder abbiegt. Abseits der Oberleitungsstrecke schaltet sich der Diesel-Motor ein. Neben dem Diesel-Hybrid-Antrieb, das in Schweden zum Einsatz kommt, lassen sich beispielsweise auch Batterie- oder Erdgaslösungen mit lokaler Stromführung realisieren. Dies erlaube eine flexible Anpassung des Systems an den spezifischen Anwendungsfall, teilte Siemens mit.
„In Schweden wird der mit Abstand größte Teil der Güter auf der Straße transportiert. Nur ein begrenzter Teil kann auf andere Verkehrsmittel verlagert werden. Um Lkw auch weiterhin für den Güterverkehr einsetzen zu können, müssen wir die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufheben“, sagte Anders Berndtsson, Chefstratege der schwedischen Transportbehörde Trafikverket. Elektrifizierte Straßen seien deshalb eine perfekte Ergänzung zum Transportwesen. Aufgrund des erwarteten Wachstums des Güterverkehrs genüge es nicht, Kapazitäten auf der Schiene auszubauen.
CO2-Ausstoß geht gegen Null
Siemens hat in einem Bericht der „Welt“ vorgerechnet, dass die Transportunternehmen durch Oberleitungs-Lkw große Summen für Treibstoff sparen könnten. Rund 20.000 Euro weniger Spritkosten würde ein 40-Tonner auf 100.000 Kilometern verursachen. Immerhin soll der Energieverbrauch durch die neue Technik nur noch halb so hoch sein wie bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Technik sich aufgrund der Infrastruktur und Verkehrslage in Deutschland nicht großflächig durchsetzen dürfte und die Zusatzausstattung der Lkw rund 900 Kilogramm wiegt. (ag)