Hamburg. In China und in den USA sind Lastwagen, die mit verflüssigtem Erdgas (LNG) auf den Straßen fahren, schon seit langem ein vertrauter Anblick. In Europa dagegen sind solche Trucks eine Seltenheit. Es gibt auf dem gesamten Kontinent nicht viel mehr als zwei Dutzend LNG-Tankstellen, viele davon in den Niederlanden und Spanien. In Deutschland eröffnete vor wenigen Wochen die erste mobile LNG-Station für Lkw in Ulm, betrieben von der Eon-Abspaltung Uniper. Dort tanken jedoch erst einmal nur die Testfahrzeuge des Herstellers Iveco Magirus.
Lastwagen und Busse gehören zu den großen Luftverschmutzern in Deutschland. Sie verursachen rund 5,6 Prozent der klimaschädlichen CO2-Gase, die aus Verbrennung entstehen, wie es in einer Shell-Studie heißt. Der Einsatz von LNG könnte das Problem entschärfen. Ein Lkw mit LNG-Motor stößt kaum noch Feinstaub aus, 35 Prozent weniger Stickoxide und 10 Prozent weniger Kohlendioxid. Außerdem ist er auch noch um bis zu 70 Prozent leiser als ein dieselgetriebener Truck.
LNG ist gewöhnliches Erdgas, heruntergekühlt auf minus 162 Grad Celsius und damit flüssig gemacht. Aufbewahrt wird es unter einem Druck von neun Bar. Damit steckt in einem Tank mit LNG rund 600 mal so viel Energie wie bei normalem Erdgas und die Reichweite der Trucks ist groß genug, um sie im Fernverkehr einsetzen zu können. Das neueste Lkw-Modell von Iveco Magirus, dem führenden Hersteller mit LNG-Technologie, kann mit gefüllten Tanks von Madrid bis Frankfurt fahren, rund 1500 Kilometer.
Anschaffung von LNG-Lkw ist teuer
Doch bis sich LNG als Treibstoff für Lkw durchsetzt, werden noch viele Jahre vergehen. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) erwartet einen LNG-Anteil von vier Prozent am Lkw-Kraftstoffmarkt bis 2030 und einen Absatzmarktanteil von zehn Prozent bei der Anschaffung von neuen Lkw. „Das ist eine konservative, aber derzeit realistische Prognose“, sagt dena-Experte Stefan Siegemund. „Entscheidend sind die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.“ Ein starker Anstieg des Dieselpreises könnte die Durchsetzung von LNG ebenso befördern wie Steuervorteile oder Privilegien im Stadtverkehr, wo immer wieder Verbote für Dieselfahrzeuge in der Diskussion sind.
Die Anschaffung von LNG-tauglichen Lastwagen ist teurer als ein Dieselfahrzeug, der Treibstoff jedoch günstiger. Die Spediteure und Logistik-Unternehmen, die mit niedrigen Margen leben müssen und mit spitzem Bleistift rechnen, kalkulieren ganz genau, wann sich die Anschaffung lohnt. In den USA haben die gegenüber Europa nochmals deutlich niedrigeren Gaspreise LNG als Lkw-Treibstoff zum Durchbruch verholfen.
Auch in Deutschland tut sich etwas. Gerade hat das Unternehmen Meyer Logistik aus dem Berliner Umland 20 LNG-Trucks bestellt, öffentlich gefördert mit 360 000 Euro. Dafür wird am nördlichen Berliner Ring die zweite deutsche Tankstelle gebaut. Und eine spanische Spedition hat mit einem LNG-Laster eine Langstrecken-Tour quer durch Europa absolviert, von Madrid bis Hamburg mit Tankstopp in Belgien. Eine Initiative mit dem Namen „Blue Corridor“ will erreichen, dass bis zum Jahr 2020 an den europäischen Hauptverkehrsadern für den Schwerlastverkehr alle 400 Kilometer eine LNG-Tankstelle steht. Damit wäre eine sichere Treibstoffversorgung für eine größere Flotte von LNG-Lkw in Europa sichergestellt.
Wenn Lkw nicht sauberer werden und neue Treibstoffe nutzen, können sie keinen Beitrag zu den Zielen der Klimapolitik leisten. Denn der Lkw-Güterverkehr wird in den kommenden Jahren weiterhin stark wachsen. Die Zahl der Nutzfahrzeuge werde sich von 2014 bis 2040 um rund 20 Prozent auf nahezu 3,5 Millionen kleine und große Lkw erhöhen, heißt es in einer Studie des Energiekonzerns Shell. Das Verkehrsministerium kommt auf ähnliche Zahlen.
Die Fahrleistungen der Lastwagen steigen bis 2040 um 39 Prozent auf fast 116 Milliarden Kilometer. Lkw und Busse werden zusammen ebenso viel Kraftstoff verbrauchen wie die heutige Fahrzeugflotte und mehr Kohlendioxid ausstoßen als 1990. Rund 85 Prozent des Kraftstoffs verbrauchen die schweren Lkw – sie könnten mit der Umstellung auf LNG damit auch den Hauptbeitrag für einen klimafreundlicheren Nutzverkehr leisten. (dpa/ag)