DAF: Brüder im Duell

In Kürze XG, XG+, XF, XD und neuerdings noch XDC und XFC. In der aktuellen Modellpalette von DAF den Überblick zu behalten ist nicht einfach. Die VerkehrsRundschau stellt mit XD und XF zwei Vertreter des Sortiments auf den Prüfstand. Nehmen wir mal an, der Fuhrpark eines fiktiven Transportunternehmens soll um einen neuen Lkw erweitert werden, und nehmen wir ebenfalls an, dass man sich bereits auf die Marke DAF festlegte. Der Arbeitsauftrag ist der Transport von Abrollcontainern auf eher kürzeren Strecken, zur Verdoppelung der Transportleistung soll trotzdem meist ein passender Anhänger mit auf Tour. An den Zielorten geht es dann nicht selten eng zu, was aufwendige Rangiermanöver zur Folge hat, um die Container punktgenau platzieren zu können. Unzählige Ein- und Aussteigevorgänge des Fahrpersonals inklusive. Die Fernverkehrsprofis XG oder gar XG+ des niederländischen Herstellers sind damit eigentlich raus, sie sind für diesen Job zu fein und zu groß. Vor allem ihr Superlativ, in Form der nach hinten verlängerten Kabine für bestmöglichen Lebensraum, stünde bei den angesprochenen Rangiermanövern eher im Weg. Besser ins Beuteschema passen die beiden kleineren DAF-Baureihen XD und XF. Doch welcher der beiden Brüder macht hier das Rennen? Zur Klärung starten wir ein markeninternes Kräftemessen. Aerodynamisch optimierte Fronten Auf den ersten Blick gibt es wenig Unterschiede: Beide Lkw verfügen über die 16 Zentimeter nach vorne gezogene und keilförmig abgerundete Front, die bereits den neuen Längenregeln der EU Rechnung trägt und die Aerodynamik wirksam verbessert. Außerdem fallen viele Bauteile, wie Scheinwerfer, Außenspiegel oder Windschutzscheibe, identisch aus. Wem die Unterscheidung von XD und XF übrigens Probleme bereitet, dem verraten wir hier einen Trick: Rippen zählen! Denn wo der größere XF fünf davon im Kühlergrill trägt, hat der XD nur vier. Welchen Effekt das hat, offenbart sich beim Einstieg in den XD. Nur 1,26 Meter Höhe gilt es hier zu überwinden; entsprechend leichtfüßig sind die drei Stufen zu bewältigen, bis man hinter dem Steuer Platz nehmen kann. Was nicht heißt, dass die 1,45 Meter in den XF unzumutbar wären, es sind aber eben 19 Zentimeter und eine Einstiegsstufe mehr. Bei unserem beschriebenen Einsatz-Szenario ein echter Nachteil, also 1:0 für den XD! Der XF hat aber dank seines besseren Raumgefühls direkt die Chance auf den Ausgleich. Denn sein Motortunnel ragt rechts neben dem Fahrer lediglich 175 Millimeter aus dem Kabinenboden und ist damit kein wirkliches Hindernis beim Durchstieg zur Seite. Im XD fällt dieses Manöver schon schwerer, denn hier fällt der Tunnel gut doppelt so hoch aus. In den meisten Fällen ohne Frage ein starkes Argument für den XF. In unserem Fallbeispiel dürfte der Durchstieg aber selten nötig werden; der angesprochene einfachere Einstieg wiegt deutlich stärker. Ausgleich abgewehrt! In der Kabine weiter nach oben zu blicken, wäre bei den beiden Testfahrzeugen wenig fair. Schließlich ist die lange Kabine des XF mit einem Hochdach ausgerüstet. Dieses gäbe es in gleicher Form auch für den XD, was wir als optimale Lösung für unseren gesuchten DAF-Abroller ansehen. Bestes Verarbeitungsniveau Das gleiche - und zwar hohe Niveau - bieten beide DAF bei Materialqualität, Verarbeitung und Geräuschniveau, welches manchen Mittelklasse-Pkw überlegen ist. Folgen von DAFs neuem Anspruch, ab sofort in der Liga der Premium-Lkw mitspielen zu wollen. Gefallen findet zudem das nahezu identische und logische Bedienkonzept, das Digitales mit konventionellen Elementen mixt. Kritikpunkte? Allenfalls Kleinigkeiten, wie der zu kleine und damit fummelige Taster für die Hupe am linken Lenkstock-hebel oder die zumindest den Tester im Blickfeld störenden Führungsschienen der Sonnenblenden an der Windschutzscheibe. Ansonsten liefert der XF in Sachen Sichtverhältnisse eine überzeugende Vorstellung ab, vor allem verglichen mit manch älterer Lkw-Entwicklung am Markt. Die tief nach unten ausgeschnittene Windschutzscheibe gepaart mit schmalen A-Säulen sorgen ebenso dafür wie der flach bauende Armaturenträger. Dieser tritt hier in der optionalen Version auf, bei der er noch mal einige Zentimeter von der Windschutzscheibe nach hinten rückt - für eine noch bessere Sicht vor das Fahrzeug. Und trotzdem wird der XF von der Weisheit "Das Bessere ist des Guten Feind" eingeholt. Beim Bruder XD gesellt sich nämlich noch die niedrigere Sitzposition hinzu. In engen Gehöften an den Abrollcontainer zu rangieren geht so noch leichter von der Hand - also erneut ein Punkt für den XD. In diesem Zusammenhang sei auch das "Corner-View"-System erwähnt, das in beiden Testfahrzeugen Front- und Rampenspiegel in einem Display digitalisiert. Im ersten Moment gewöhnungsbedürftig, kommt man mit dem Bildschirm oben rechts an der A-Säule schnell zurecht. XF beim Motor im Vorteil Deutliche Unterschiede offenbaren sich in Sachen Antrieb. Der kleinere XD wirft für die Beförderung unserer beiden voll beladenen Abrollcontainer plus Drehschemel-Anhänger sein stärkstes Stück in die Waagschale. Doch auch die 449 PS des MX-11-Reihensechsers müssen kräftig arbeiten, um die 40 Tonnen auf unserer anspruchsvollen Handling-Runde in Schwung zu halten. Es ist nicht so, dass der 10,8 Liter große Motor der Aufgabe nicht gewachsen wäre; er muss das automatisierte ZF-Traxon an Steigungen aber früh um eine Rückschaltung bitten, was dann nicht selten 1700 Touren zur Folge hat. Hilfreich ist dabei die Drehmoment-Erhöhung um 150 Newtonmeter in der zwölften Fahrstufe, durch die dann 2350 Newtonmeter am Hinterachsdifferenzial ankommen. Anders ist das beim Antrieb im XF, der einmal mehr die Stammtisch-Weisheit untermauert, dass Hubraum eben durch nichts zu ersetzen ist. Hier werkelt der um 2,1 Liter größere MX-13-Sechszylinder mit 483 PS. Vom Klangbild her sonorer, liefert er eine spürbar souveränere Vorstellung ab. Beispiel gefällig? Einen der steilsten Berge auf der Landstraßen-Etappe nimmt der XF im siebten Gang mit 1450 Touren. Im XD wird dagegen die sechste Fahrstufe bei 1700/min fällig und der Gliederzug ist um 3 km/h langsamer unterwegs. Seinen längeren Atem nutzt der MX-13 zudem in Kreisverkehren, die er mit 1000 Touren locker durchrollt und die Fuhre problemlos wieder herausbeschleunigt. Zusammengefasst wirkt der große Motor - der im zwölften Gang ebenfalls über 150 Newtonmeter Extra-Power verfügt - deutlich weniger angestrengt und, anders als der MX-11 im XD, nie an der Grenze seiner Möglichkeiten angelangt. Macht einen Punkt für den XF, denn den MX-13-Diesel einfach in den XD zu implementieren, geht nicht. Der Motor findet unter der niedriger aufgehängten XD-Kabine schlicht nicht genügend Platz. Anders gesagt: Wer den großen Sechszylinder will, muss zwangsläufig XF fahren! Um seinem kleinen Bruder dadurch den Gesamtsieg noch streitig zu machen, genügt diese Tatsache allerdings nicht. Für unser beschriebenes Einsatz-Szenario passt der XD einfach besser, was wir so im Vorfeld nicht unbedingt erwartet hätten. In Sachen Kabine würden wir dem langen XD-Fahrerhaus in jedem Fall aber noch das nach oben raumspendende Hochdach aufsetzen - Regionalverkehr hin oder her. Sozusagen als Krone für den perfekt passenden, neuen Lastwagen. Fazit: Jan Burgdorf, Test-Redakteur Der Kleine macht es hier besser Das hätte ich im Vorfeld so nicht erwartet: Der XD weist seinen größeren Bruder in die Schranken. Im regionalen Verkehr zählen Übersichtlichkeit und einfacher Einstieg eben mehr als das schiere Raumangebot. Je länger die Touren, desto stärker empfiehlt sich der XF aber als richtiger Kandidat und konkurriert dann vermehrt mit dem XG beziehungsweise XG+. jan.burgdorf@tecvia.com

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