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Wasserstoff: Wie gefährlich ist der Lkw-Treibstoff der Zukunft?

07.06.2024 07:55 Uhr | Lesezeit: 5 min
Ein orangefarbener Brennstoffzellen-Lkw mit Detailansicht der Tanks
Ein Brennstoffzellen-Lkw von Gebrüder Weiß mit Detailansicht der Druckgastanks: Sie sind das Bauteil an einem Wasserstoff-Lkw, das theoretisch gefährlich werden kann
© Foto: VerkehrsRundschau / Jan Scheutzow

Es ist ein unsichtbares und geruchloses Gas, dafür gilt es als sehr reaktionsfreudig. Wie gefährlich ist Wasserstoff eigentlich?

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Es hat genug Energie, um Raketen ins Weltall zu befördern: Das Element Wasserstoff (H2) ist ein energiereiches Gas, das auch bei Mobilitätsanwendungen auf der Erde immer mehr in den Fokus rückt. Während sich bei Pkw immer mehr die Batterie durchsetzt, stehen Lkw mit H2-Verbrennungsmotor oder Brennstoffzelle (FCEV) erst noch vor ihrem Marktstart. Dabei kommt auch die berechtigte Frage auf: Wie gefährlich ist Wasserstoff eigentlich?

Wasserstoff gilt generell als höchst reaktionsfreudig. Bei Funkenflug fängt es schnell Feuer und verbrennt explosionsartig, wie viele in der Schule bei der „Knallgasprobe“ gelernt haben. Hinzu kommt, dass H2 das Kleinste aller Elemente ist und sich in geschlossenen Behältnissen Wege ins Freie sucht. Wasserstoff ist leichter als Luft und steigt deshalb schnell auf.

Warum ist Wasserstoff so gefährlich?

Generell muss man sagen, dass von Wasserstoff wahrscheinlich keine erhöhte Gefahr im Vergleich zu anderen Antriebsformen ausgeht. Die TU Graz hat zuletzt das Schadenspotenzial von H2-betriebenen Fahrzeugen in Tunnels untersucht und kam dabei zu mehreren Schlüssen:

  • Gefahrenszenarien mit Wasserstoff-Fahrzeugen sind aufgrund ihrer modernen Technik sehr unwahrscheinlich

  • Wenn es zu einem großen Unfall kommt, ist das Schadenspotenzial hoch

  • Solche Unfälle können in vielen Fällen vermieden werden

Die TU Graz spricht in Tunnels von drei Gefahr-Szenarien, die eintreten können:

Im ersten Fall springt bei steigendem Druck in Folge von thermischer Einwirkung das Überdruckventil an. Sollte sich dabei das Gas entzünden, was den Forschern zufolge leicht möglich wäre, würde eine Flamme entstehen, die sich auf einen festen Punkt am Boden ausrichtet. Hierbei sei der Gefahrenbereich eingeschränkt.

Im zweiten Fall explodiert der Druckgastank. Der Wasserstoff würde in Form einer Druckwelle durch den Tunnel geleitet, wobei den Forschern der TU Graz zufolge im Umkreis von rund 30 Metern Lebensgefahr bestehe. In einer Entfernung von 300 Metern sei mit schweren Verletzungen (z.B. Lungenblutungen) zu rechnen, weiter entfernt würden noch immer geplatzte Trommelfelle drohen.

Im dritten Szenario entweicht Wasserstoff aus dem Tank, sammelt sich an der Tunneldecke und gerät dort in Flammen. Bei der sogenannten Wasserstoffwolkenexplosion würde ebenfalls eine Druckwelle entstehen.

Abermals weisen die Forscher allerdings darauf hin, dass der wahrscheinlichste Ausgang bei einem Unfall mit einem FCEV ist, dass mit keinen nennenswerten Auswirkungen durch den Wasserstoff zu rechnen ist. Aufgrund der Tatsache, dass es heutzutage fast keine H2-betriebenen Fahrzeuge gibt, wurden die Einschätzungen auf Erfahrungsbasis von Gasfahrzeugen getroffen.


"Das Gefahrenpotential von Wasserstoff ist nicht größer als das von Erdöl, Erdgas oder Uran."

TÜV Süd


Auch der TÜV Süd hat sich bereits mit dem Thema Wasserstoff-Sicherheit befasst und kommt zu dem Schluss, dass von dem Gas keine größere Gefahr ausgeht als von anderen Kraftstoffen. Flüssige Energieträger würden bei Unfällen häufig zur Bildung von Brandteppichen am Unfallort führen, z.B. bei Autounfällen oder Flugzeugunglücken, wo ein Großteil der Opfer in den Flammen umkomme. "Wasserstoff entweicht in solchen Fällen sehr schnell nach oben", so der TÜV.

Auf der anderen Seite bestehe eine höhere Explosionsgefahr, wenn Wasserstoff in geschlossenen Räumen freigesetzt wird, etwa in Garagen oder Tunneln. Hier sei für eine erhöhte Belüftung und eventuell für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu sorgen. Generell weist der TÜV Süd auch auf die lange Erfahrung mit Wasserstoff hin: "Die chemische Industrie nutzt Wasserstoff seit hundert Jahren. Die sicherheitstechnischen Erfahrungen gelten als gut."

Wie stabil sind Wasserstoff-Tanks?

In den wenigen existenten H2-Pkw wird Wasserstoff meist mit 700 bar Druck gespeichert. Die ersten Brennstoffzellen-Lkw arbeiten mit 350 bar Druck, allerdings forschen die Entwickler bereits an Systemen, die mit bis zu 1000 bar arbeiten können. Gespeichert wird das Gas in Drucktanks aus Karbonfaser, die als höchst stabil gelten. So ließ etwa der Hersteller Hyundai die Wasserstofftanks des Brennstoffzellen-Lkw „Xcient Fuel Cell“ mit Munition beschießen, um die daraus resultierenden Gefahren besser abschätzen zu können. Sie haben zudem ähnlich wie die Tanks von Erdgas-Lkw ein Überdruckventil, das bei Erhitzung Gas kontrolliert ablassen kann.

Das Unternehmen NPROXX aus Alsdorf stellt Druckgasdanks für Wasserstoff her und berichtete schon vor fünf Jahren auf der Messe „Hydrogen Fuel Cells Europe“ über die Sicherheitsanforderungen für H2-Tanks, um die Gefahren zu minimieren. So müssen diese im Herstellungszyklus 25 Tests überstehen; darunter ein Feuertest, bei dem der vollbeladene Tank über Gasflammen montiert wird. Das System muss in diesem Fall drei Minuten standhalten, bevor es nachgeben darf. In der Praxis sei das die nötige Zeit, damit sich Menschen in Sicherheit begeben können.

Wie gefährlich ist flüssiger Wasserstoff?

Flüssiger Wasserstoff gilt unter den Lkw-Herstellern als eine Möglichkeit, viel Treibstoff auf einen Schlag mitzunehmen. Ähnlich wie bei LNG (verflüssigtes Erdgas) verringert Wasserstoff sein Volumen und verflüssigt, wenn er sehr weit abgekühlt wird. Sollte ein Tank mit flüssigem Wasserstoff durch einen Unfall stark verformt werden, führt dies zu einem Wärmeeintrag in den Tank, wobei der Wasserstoff dann kontrolliert über Sicherheitsleitungen hinter der Fahrerkabine nach oben abgelassen wird. Das erklärte ein Sprecher von Daimler Truck auf VR-Anfrage. Der Stuttgarter Hersteller ist der Einzige, der offenkundig Lkw mit flüssigem Wasserstoff testet.

Der Logik folgend, droht auch in diesem Szenario theoretisch die Gefahr durch Entzündung, wenn der Wasserstoff aus dem Tank entweicht. Allerdings betont auch der Daimler-Sprecher, dass man bei Einhaltung aller relevanten technischen Codes und Standards mindestens die gleiche Betriebssicherheit wie bei heutigen, konventionellen Fahrzeugen erreichen würde.

Zudem würden die bisherigen Marktbeobachtungen mit brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen, insbesondere bei Pkw, kein höheres Gefahrenpotenzial im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen zeigen.

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