Stuttgart. Das Tauziehen um Stuttgart 21 geht in eine neue Runde: Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg und die Bahn wollen am kommenden Freitag erneut über einen längeren Bau- und Vergabestopp bei dem Milliardenprojekt verhandeln. Dann treffen sich die Projektträger zum Lenkungskreis, um über den Kompromissvorschlag von Bahn-Chef Rüdiger Grube zu sprechen. Darauf einigten sich am Montag Vertreter der Landesregierung und Grube bei einem Gespräch in der Staatskanzlei.
Der Konzernchef hatte am Wochenende überraschend einen sechswöchigen Aufschub angeboten, wenn die Stadt Stuttgart auf Forderungen in Höhe von 33 Millionen Euro verzichtet. Die Stadt lehnte dies ab und verwies auf die grün-rote Koalition, die auf den Baustopp dringe. Damit bleibt der zentrale Streitpunkt, wer die Kosten für das Moratorium bis zum Ergebnis des sogenannten Stresstests für den Tiefbahnhof Mitte Juli übernimmt.
Grün-Rot hatte zuvor ein Ultimatum von Grube verstreichen lassen. Der Konzernchef hatte am Wochenende eine Entscheidung über seinen Kompromissvorschlag noch am Montag verlangt. Ansonsten werde er die Bauarbeiten nach zweimonatiger Pause wieder in Gang setzen. Die Regierung machte aber deutlich, dass sie Zeit brauche, um den Vorschlag zu prüfen. „Auf der Grundlage eines schnellen, mündlichen Angebots können wir nicht Ja oder Nein sagen", sagte Sprecher Rudi Hoogvliet.
Der Landesverkehrsminister und eingefleischte Stuttgart-21-Gegner Winfried Hermann (Grüne) warf der Bahn vor, mit zweierlei Maß zu messen. Die Bahn habe für den ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) vor der Landtagswahl die Bauarbeiten unterbrochen – „und das war kostenlos", sagte er im Deutschlandfunk. Nun unter Grün-Rot koste ein Baustopp für einen Monat plötzlich 50 Millionen Euro und bis zu einem Volksentscheid sogar 410 Millionen Euro. „Das ist nicht sehr nachvollziehbar."
Projektsprecher Wolfgang Dietrich erklärte nach dem Treffen im Staatsministerium, Grube sei mit seinem Hinweis auf einzuhaltende Fristen bei der Vergabe von Bauaufträgen wie Tunnelarbeiten auf Verständnis gestoßen. Er setzt auf einen Durchbruch am Freitag. „Dann hoffen wir alle, dass es zu einer Lösung kommt", sagte er der dpa.
Regierungssprecher Hoogvliet sagte: „Natürlich sind wir daran interessiert, eine Verlängerung des Bau- und Vergabestopps hinzubekommen." Das bedeute aber nicht, dass das Land bereit sei, für die Kosten aufzukommen. Der Stresstest gehöre noch zur Schlichtung von Heiner Geißler, von daher sei die Bahn in der Pflicht.
Grube hatte sich mit Staatsministerin Silke Krebs (Grüne), Hermann und Finanz-Staatssekretär Ingo Rust (SPD) getroffen. Die Bahn hatte die Bauarbeiten kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg unterbrochen. Vergangenen Montag hatte Grube aber bei dem ersten Spitzengespräch der Projektpartner nach dem Machtwechsel auf Grün-Rot gedroht, bereits an diesem Montag wieder die Bagger rollen zu lassen.
Grün-Rot blockte Grubes Ultimatum auch deshalb ab, weil die Koalition große Zweifel hat, ob dessen Ansagen belastbar sind. „Bei genauerer Betrachtung ist da vieles wackelig", hieß es in den Regierungskreisen. Zum Beispiel müsse der Bahnchef sich fragen lassen, ob er die Bauarbeiten an bestimmten Orten einfach so fortsetzen könne. „Die faktischen rechtlichen Voraussetzungen sind gar nicht da." So fehlten Genehmigungen für den Aufbau der Rohre für das Grundwassermanagement. Das bedeute im Klartext: „Grube kann gar nicht anfangen zu bauen."
Grün-Rot dringt darauf, die Bauarbeiten bis zum Volksentscheid im Oktober ruhen zu lassen. Die SPD ist für die Tieferlegung des Hauptbahnhofs, die Grünen sind dagegen. Das Projekt samt dem Anschluss an die Schnellbahntrasse soll rund 4,1 Milliarden Euro kosten. Rund 80 Gegner des Bahnprojekts blockierten am Vormittag für einige Stunden den Zugang zu einem Baustellenabschnitt. Sie wollten auf Arbeiten am Grundwassermanagement hinweisen, die dem Baustopp widersprächen. (dpa/lsw)