Stuttgart/Berlin. Die Bahn will gegen den Willen der grün- roten Regierung in Baden-Württemberg schon bald die Arbeiten bei Stuttgart 21 wieder aufnehmen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) scheiterte am Freitag bei dem Versuch, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) von einer Verlängerung der zweimonatigen Baupause zu überzeugen.
Projektsprecher Wolfgang Dietrich bestätigte, dass die Deutsche Bahn ihre Vorbereitungen für Baumaßnahmen und Auftragsvergaben vorantreibe. „Das heißt aber nicht, dass am Montag die Bagger rollen", sagte er der „Deutschen Presseagentur". Er versprach, die Maßnahmen zwei bis drei Tage vorher anzukündigen. „Wir werden keine Nacht- und Nebelaktionen starten."
Kretschmann will nach Angaben seines Sprechers erneut mit Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube sprechen, um die Wiederaufnahme der Bauarbeiten noch zu verhindern. Der Sprecher räumte aber ein: „Das liegt jetzt bei der Bahn." Kretschmann hatte argumentiert, der Staatskonzern dürfe zumindest bis zum Ergebnis des Stresstests im Juli keine weitere Fakten schaffen.
Ramsauer machte nach dem Treffen mit Kretschmann in Berlin deutlich, dass er „weder politisch noch rechtlich über eine Legitimation verfüge", sich in die Umsetzung geltender Verträge anderer Vertragspartner einzumischen. Die Partner müssten selbst sehen, wie weiter verfahren werde und was am Montag gegebenenfalls weiter gemacht werde auf der Baustelle. „Der Bundesverkehrsminister ist weder Polier auf der Baustelle noch Bauherr."
Der Bund als Eigentümer gehe davon aus, dass die Deutsche Bahn (DB) sich an die Verträge halte. „Der Vertragsbruch kommt für die DB AG natürlich nicht in Frage, weil dies erhebliche finanzielle Konsequenzen hätte." Ramsauer verwies auf drohende Vertragsstrafen etwa an die Stadt Stuttgart, wenn die Bahn das Gelände nach Fertigstellung nicht rechtzeitig räume. „Das kann die DB sehenden Auges natürlich so auf sich nicht zukommen lassen."
Der Konzern muss laut Ramsauer von vornherein klären, wenn jetzt von ihm „weiteres Zuwarten, weitere Verzögerungen erwartet werden, wer für diesen Schaden dann aufkommt. Das kann die DB selbst nicht tragen." Die von der Bahn genannten Summen zu den Kosten weiterer Verzögerungen erschienen ihm „mehr als plausibel, eher sogar vorsichtig". Kretschmanns Sprecher erklärte dagegen, die von der Bahn genannten 410 Millionen Euro für den Bau- und Vergabestopp bis zur geplanten Volksabstimmung seien wohl zu hoch gegriffen. Man werde das prüfen.
Ramsauer berichtete, er habe mit Kretschmann eine Stunde unter vier Augen offen und vertraulich gesprochen. Er habe den persönlichen Eindruck gewonnen, dass dieser „in einer wirklich fürchterlich verzwackten Situation" sei. Kretschmann sei nicht daran gelegen, dass die Situation in Stuttgart wieder verschärft werde. Im vergangenen Sommer und Herbst waren zehntausende Demonstranten gegen das Projekt auf die Straße gegangen.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kritisierte Ramsauer und die Deutsche Bahn. Das Gespräch zwischen Kretschmann und Ramsauer sei auf Wunsch der Bahn zustande gekommen. „Wenn jetzt Minister Ramsauer die Entscheidungszuständigkeit an den Bahnvorstand zurückspielt, ist dies ein Verantwortungs-Pingpong, der den schwierigen Verhältnissen in Stuttgart nicht gerecht wird", sagte er. „Wenn die Bahn tatsächlich am Montag weiterbauen sollte, verlässt sie den Geist des Schlichtungsprozesses unter Heiner Geißler, zu dem sie sich mehrfach bekannt hat." (dpa)