Geiselwind. Michael Raßmann fährt seit vielen Jahrzehnten Lastwagen. Allein in den vergangenen sieben Jahren spulte der Berufskraftfahrer mehr als eine Million Kilometer mit seinem 40-Tonner ab. Bei einem Fernfahrerstammtisch der Polizei war er indes noch nie. „Seit acht Jahren versuche ich das. Und es hat bislang einfach nicht geklappt“, sagt der 53-Jährige. Bis jetzt. Im unterfränkischen Geiselwind (Landkreis Kitzingen) ist Raßmann nun zum ersten Mal dabei. Gemeinsam mit etwa einem Dutzend anderen Brummifahrern lauscht er dem Vortrag eines Autobahnpolizisten.
Polizeihauptmeister Kristian Herrling informiert über gefährliche Schnee- und Eisplatten auf Lastwagendächern und was die Fahrer dagegen tun sollten, um Bußgelder zu vermeiden. Fernfahrerstammtische werden deutschlandweit an 30 Standorten regelmäßig von der Polizei organisiert. Meistens am ersten Mittwoch im Monat laden die Beamten für etwa zwei Stunden zum „Gespräch auf Augenhöhe“. Barrieren und Vorurteile sollen damit abgebaut und wichtige Informationen und Gesetzesänderungen vermittelt werden.
"Viele denken, wir wollen sie nur schikanieren"
„Viele haben ein distanziertes Bild von der Polizei und denken, wir wollen sie nur schikanieren“, sagt Polizeihauptmeister Jörg Jülichs dazu. Die Stammtische würden dazu führen, dass beide Seiten ein bisschen mehr „den Mensch dahinter“ sehen.
Und so ist die Aufgabe von Herrling und Jülichs eben nicht nur das Weitergeben von Infos. Die beiden Autobahnpolizisten der Schwerverkehrs- und Gefahrgutkontrollgruppe hören auch einfach nur zu. „Die schwierige Suche nach einem Parkplatz für die Nacht, die vielen Baustellen auf den Autobahnen, das Einhalten der Lenkzeiten - die grundlegenden Themen sind immer die gleichen“, sagt Herrling dazu. Seit 17 Jahren lädt die Autobahnpolizei an der „A3, Ausfahrt 76“ zum Stammtisch.
Fahrer können Fragen stellen
Fernfahrer Raßmann ist an dem Abend ein sehr interessierter Zuhörer. Sicherheit ist ihm wichtig. Und so nutzt er die Gelegenheit auch, um Fragen zu stellen. Eine davon ist: „Welche Zusatz-Beleuchtung am Lastwagen ist erlaubt, wenn ich mit meinem Stapler auslade und andernfalls im Dunkeln kaum gesehen werde?“ Raßmann hat eigens Tablet, Smartphone und Lesebrille mitgebracht, um Beispielfotos zeigen zu können.
„Der Stammtisch mit der Polizei ist nicht nur schön. Der ist auch wichtig!“, sagt der Lkw-Fahrer danach. Hier bekomme man Tipps von der Polizei, was im Gefahrenfall erlaubt ist. Beim Thema Beleuchtung ist Raßmann indes nicht ganz zufrieden gestellt worden. „Aber sie haben mir den Tipp gegeben, ein Gutachten erstellen zu lassen.“
Der Beruf wird immer unattraktiver
Der Kraftfahrergewerkschaft zufolge gibt es etwa 800.000 deutsche Berufskraftfahrer. „Aber das werden ständig weniger, und zwar ganz rasant“, sagt Bundesvorsitzender Willy Schnieders. Die Hauptgründe dafür seien zu niedrige Löhne und schlechte soziale Einstellungen der Arbeitgeber. Alles müsse nur noch schneller und billiger gehen. Das werde auf dem Rücken der Kraftfahrer ausgetragen. „Daran ist auch der Verbraucher schuld, der immer alles und das am liebsten heute haben will“, sagt Schnieders.
Im Berufsalltag führe das auch dazu, dass sich die Fahrer nach Feierabend kaum mehr Zeit für eigentlich gute Angebote wie den Fernfahrerstammtisch nehmen können oder wollen. „Die Ruhezeiten sind meist zu kurz. Da gehen für viele Essen, Körperpflege und Schlafen vor“, sagt Schnieders, der selbst 38 Jahre national und international Lastwagen fuhr. Deshalb sei mancherorts der Fernfahrerstammtisch mangels Resonanz schon wieder eingestellt worden. Das sei schade. „Hinter den Stammtischen stehen oft Beamte, die wissen, was los ist und die da helfen, wo sie helfen können. Das finde ich ganz toll!“
In der Gaststätte am Autohof Geiselwind ist die Stimmung beim Fernfahrerstammtisch eher zurückhaltend. Zotige Witze, dröhnendes Gelächter, lautstarke Fachsimpeleien rund um die 40-Tonner und große Männerrunden sucht man dort vergebens. Das Treffen gleicht eher einer gelösten, lockeren Arbeitsatmosphäre. Ein Feierabend-Bierchen genehmigen sich die meisten vorm Schlafengehen dennoch. (dpa/stm)