Zwischen Hoffen

Fast schon Tradition: Frontal-21-Moderator Theo Koll fühlt seinen Gästen auf den Zahn. Wie stark wird die Finanzkrise auf die Logistik durchschlagen? Deutscher Logistikpreis Zwischen Hoffen und Bangen Wie schlimm kommt es für die Logistik? Die möglichen Auswirkungen der Finanzkrise waren das beherrschende Thema des 25. Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin. Es ist mein Wunsch, dass Sie vier oder fünf Botschaften für Ihr Geschäft mit nach Hause nehmen." Als Raimund Klinkner, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL) dies bei der Eröffnung des 25. Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin sagte, war eine Botschaft allen Anwesenden bereits klar: Die Auswirkungen der Finanzkrise werden nicht spurlos an der Logistik vorbeigehen. Ausgerechnet im 25. Jubiläumsjahr des Logistik-Kongresses sind die Meldungen weniger euphorisch als in den Jahren zuvor. Zwar wird die Logistik in 2008 immer noch ein Wachstum von sechs Prozent verzeichnen. Aber: "Die Hälfte der Umsatzsteigerung ist Kostensteigerungen durch höhere Mautbelastung, Dieselpreisen und gestiegenen Lohnkosten geschuldet", betonte Klink-ner. Für das kommende Jahr rechnet man nur noch mit vier Prozent Wachstum. "Die Finanzkrise greift auf die Gesamtwirtschaft über", sagte Klinkner. "Eine mögliche Weltwirtschaftskrise wird auch die Logistik treffen." Allerdings warnte er die Unternehmen nun vor Resignation: "Die Krise beinhaltet Gefahr, aber sie ist nicht frei von Chancen für die Logistik", unterstrich der BVL-Chef. Zwar würde der Triadenmarkt USA, Japan und Europa derzeit stagnieren und sich das Wachstum der BRIC-Staaten verlangsamen. Die Logistikbranche befände sich aber weiterhin auf Wachstumskurs. Auch Professor Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, zeigte sich optimistisch (s. Interview auf Seite 20). Er hatte erst unlängst die Studie "Trends und Strategien in der Logistik" präsentiert und dafür mehr als 100 Entscheider namhafter Unternehmen in Industrie und Handel im In- und Ausland befragt. Die Untersuchung zeigt ganz klar: Trotz oder auch gerade wegen der Finanzkrise steigt das Logistikoutsourcing-Potenzial bis 2013 weiter an. Davon gehen die Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung gleichermaßen aus. Logistikprofessor Straube: "Die Logistikbranche befindet sich weiter auf Wachstumskurs. Sie wird auch im kommenden Jahr neue Arbeitsplätze schaffen." Allein für 2009 rechnet Straube mit 70.000 bis 75.000 zusätzlichen Stellen in der Logistikbranche, obwohl im kommenden Jahr 10.000 bis 15.000 Stellen konjunkturbedingt als auch durch die Rationalisierung der Industrieprozesse wegfallen dürften. Logistik weiter auf Wachstumskurs Die Finanzkrise, die in den USA als regionale Erscheinung begann, hat sich längst zur globalen Erschütterung der Märkte ausgewachsen, darin waren sich auch die Top-Manager in der traditionellen Diskussionsrunde unter Moderation des Frontal-21-Moderators Theo Koll einig. "Ich persönlich glaube, dass es sehr schwierig werden wird", prognostizierte Berndt-Michael Winter, Chef des Logistikdienstleisters Logwin. "Die Finanzkrise wird 2009 voll auf Industrie und Handel durchschlagen." Erste Anzeichen sehe man bereits in der Automobilindustrie aber auch in der Textilwirtschaft, wo die Verunsicherung bereits jetzt zu weniger Konsum führe. Ja, man sei schon jetzt von der Konsumflaute betroffen, bestätigte Hanjo Schneider, Logistik- und IT-Vorstand der Otto Group und Chef der geplanten Hermes-Europa-Holding. "Weniger Bestellungen führen zu weniger Transporten", so lautete Schneiders einfache Rechnung. Der Hermes-Chef ließ keine Zweifel: im Transportmarkt werde es zu Überkapazitäten kommen. Schneider appellierte jedoch an die Zuhörer, die Krise nicht schlimm zu reden. "Man darf die Angst der Leute nicht schüren. Die reale Wirtschaft hat ihren Wert." Kritik am Masterplan Logistik Gastredner Jürgen R. Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), nutzte das Podium, um der Politik eine klare Botschaft ins Stammbuch zu schreiben. Beim Thema LKW-Maut konnte der Industrievertreter seinen Verdruss nicht verbergen: "Es muss aufhören, die Einnahmen aus der LKW-Maut zur Stopfung von Steuerlöchern zu verwenden", schimpfte Thumann. "Wir brauchen die Einnahmen für den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur und zwar On-Top." Dem Thema Infrastrukturfinanzierung, auch unter Einbeziehung der Privatwirtschaft, werde im Masterplan Güterverkehr und Logistik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wer wissen will, wie die Stimmung bei den Unternehmen tatsächlich ist, darf sich nicht mit dem begnügen, was im Rampenlicht gesagt wird. Es sind die Gespräche am Rande, die Branchenbefindlichkeiten offenbaren – in diesem Jahr von vorsichtig optimistisch bis hin zu verhalten pessimistisch. Während Logistikriese Fiege momentan an seiner hausgemachten TTS-Rewico-Malaise leidet und in diesem Jahr sogar 500 Mitarbeiter abbauen musste, gibt sich Hans-Georg Brinkmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der deutschen Kühne + Nagel-Organisation, zuversichtlich: Kühne + Nagel sei global aufgestellt. Sollte es aufgrund der weltwirtschaftlichen Situation zu Einbußen in einzelnen Regionen kommen, so werde durch striktes Kostenmanagement gegengesteuert, betonte Brinkmann. Auch Karl Engelhard, Generalbevollmächtigter von Hellmann Worldwide Logistics, sieht sein Unternehmen für 2009 gerüstet. Hoffnung setzt Engelhard dabei auch auf die soeben ausgeschriebene Bundeswehrlogistik. Nur drei Konsortien seien in die Endrunde gelangt: Hellmann-EADS, Schenker-ESG und DHL-IBM. Sie alle ringen laut Engelhard derzeit darum, Mitte März 2009 den Zuschlag zu erhalten. Immerhin verspricht dieser jährlich satte 700 Millionen bis eine Milliarde Euro mehr Umsatz. Diversifikation als Erfolgsrezept Auf Mehrumsatz hofft auch Oliver Hellmold, Chief Executive Officer Central Europe von Logistikdienstleister Agility. Eine erst unlängst durchgeführte Umfrage bei Großkunden habe klar gezeigt, so der CEO, dass Industrie und Handel das kommende Jahr positiver bewerten als momentan die Medien, so Hellmold. Für Agility gehe man deshalb davon aus, dass der Umsatz 2009 "wohl etwas unter dem in 2008" liegen dürfte. Deutlich sorgenvoller blickt hingegen Sven Rutkowsky, Vorstandsmitglied der Rhenus AG, auf die kommenden Monate: "Die Finanzmarktkrise trifft die Logistikbranche schwer", sagt er. Rhenus selbst sei aber für die etwaige Wirtschschaftsflaute gerüstet, betont Vorstandsmitglied Rutkowsky: Dank des breiten Branchenmixes könne das Familienunternehmen etwaige Dellen in der einen Kundenbranche durch Zuwächse in anderen ausgleichen. Diversifikation als Erfolgsgarantie empfahl auch August Oetker, Chef der Oetker-Gruppe in Bielefeld: "Man darf sein Leben nicht nur an einen Anker binden", gab der Unternehmer den Zuhörern mit der Gelassenheit eines erfolgreichen Firmenpatriarchen mit auf den Weg. Oetker, der mit den Containerschiffen der Reederei Hamburg Süd heute mehr Geld umsetzt als mit Pudding, hielt in Berlin die Fahne der familiengeführten Unternehmen hoch. Seine Botschaft: Verlässlichkeit und Berechenbarkeit sind ein guter Gegenentwurf zum Quartalsdenken börsennotierter Konzerne. ❙❚■ Eva Hassa, Dietmar Winkler Die künftigen Erfolgshebel Wie mittelständische Transport- und Logistikbetriebe der drohenden Krise trotzen können, sagt Professor Frank Straube. Wie stark trifft die Finanzmarktkrise die Transport- und Logistikbranche? Frank Straube: Die Finanzmarktkrise trifft diese Branche höchst unterschiedlich. Klar ist: Industrie und Handel werden ihre Logistikdienstleistungen nun verstärkter an Dritte fremd vergeben, um Kosten zu senken. Davon profitieren Logistikdienstleister. Im Transportbereich wird es hingegen zu einer beschleunigten Konsolidierung kommen. Gerade kleine und mittlere Transportbetriebe werden wahrscheinlich verstärkt aufgeben müssen. Es ist deshalb mehr als begrüßenswert, wenn Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sagt: "Die großen Unternehmen haben jetzt eine Verantwortung für die mittelständischen Betriebe. Denn ohne diese könnten sie in Boomzeiten nicht distribuieren." Wo liegen nun für mittelständische Transport- und Logistikunternehmen die größten Wachstumschancen? Echte Wachstumschancen bietet die Kontraktlogistik, hier insbesondere produktionsnahe Dienstleistungen wie die Übernahme bestimmter Fertigungsaufgaben. Potenzial bieten zudem die Bereiche Arbeitnehmerüberlassung, Behältermanagement und regionales kundennahes Bestandsmanagement sowie die intelligente Verknüpfung der Verkehrsträger mit Logistikkonzepten von Industrie und Handel. Was müssen die Unternehmen tun, um von diesem Potenzial zu profitieren? Kunden fordern von ihren Speditions- und Logistikpartnern zunehmend integrierte ressourcenschonende Servicelösungen, in denen die Verkehrsträger- und die Logistik-lösung integriert sind. Die meisten Dienstleister sind aber nach Land, Luft, See und Ländern organisiert. Diese verkehrsträgerorientierte Organisationsstruktur müsste verstärkt zu einer Matrixorganisation für logistische Kontraktlösungen aufgebaut werden. Gleichzeitig müssen die Unternehmen deutlich IT-Kompetenz aufbauen – sei es in Eigenregie oder in Kooperation mit IT-Anbietern sowie ihre Mitarbeiter gezielt aus- und weiterbilden. Das sind die maßgeblichen Hebel in der Kontraktlogistik. eh

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