Bonn. Mit einem lauten Knall ist die jahrelang skandalfreie Innenwelt der Deutschen Post zerborsten. Nach dem Rücktrittsangebot von Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel sind die Führungs-Koordinaten erst einmal kräftig durcheinander gewirbelt worden. Seit 1990 galt in dem früheren Staatsunternehmen und heutigen Weltkonzern nur das Wort von „Häuptling Silberlocke“, wie er von Mitarbeitern im Bonner Post Tower tituliert wurde. Nun muss der Tanker von einem neuen Kapitän gesteuert werden - und das in schwierigem Fahrwasser. Als Kandidat für die Nachfolge von Zumwinkel hat Frank Appel die besten Karten. Formell muss der Aufsichtsrat am Montag entscheiden. Der 46-jährige Logistik-Vorstand gilt als Ziehsohn und hausinterner Wunschkandidat von Zumwinkel. Appel wird nach einem raschen Aufstieg schon seit geraumer Zeit als «Kronprinz» gehandelt, auch wenn er dies selbst nicht gerne hört. Ebenso wie Zumwinkel und andere Post- Manager kam er vom Beratungsunternehmen McKinsey. Von allen Vorständen hat Appel auch den besten Überblick über das globale Geschäft des Konzerns. Ein externer Manager kommt kaum in Frage. „Die Gesellschafter sind nicht in der Situation, sich in Eile nach einem externen geeigneten Kandidaten umsehen zu müssen“, sagte Post-Kommunikationschef Manfred Harnischfeger zu solchen Spekulationen. Geringe Chancen werden im Umfeld des Konzerns Finanzchef John Allan, 59, eingeräumt. Der Schotte ist zwar ein versierter Finanzmann, der auch bei den internationalen Investoren ankommt. Aber ein Brite, der kein Deutsch spricht, ist wohl auf dem Chefsessel eines klassischen deutschen Unternehmens kaum denkbar. Schließlich hat der Bund als Großaktionär - mit nach wie vor fast 30 Prozent der Anteile - hier ein gewichtiges Wort mitzureden. Zumwinkel ließ sich einige Zeit, bevor er nach den schweren Vorwürfen einer millionenschweren Steuerhinterziehung seinen Rücktritt anbot. Das ließ bei der Politik den Unmut wachsen. Offen forderte SPD-Chef Kurt Beck „entweder seinen Rücktritt oder seine Entlassung“. Der Druck auf den sonst souveränen Zumwinkel nahm zu. Erstmals war er wohl in einer Lage, in der er nicht mehr selbst das Heft des Handels allein in der Hand hielt. Dann kam aus Berlin überraschend die Nachricht, dass Zumwinkel der Bundesregierung seinen Rücktritt angeboten habe. Kurz darauf hieß es aus dem Finanzministerium, die Regierung habe den Rücktritt angenommen. Das mag zwar politisch angehen, hat aber mit einem rechtlich einwandfreien Verfahren wenig zu tun - denn es obliegt dem Aufsichtsrat, über einen Rücktritt des Vorstandschefs zu befinden. Von der Post kam noch stundenlang keine Reaktion. Von Zumwinkel selbst war nichts zu sehen oder zu hören. Er arbeite wie üblich seit sieben Uhr in seinem Büro oben im Bonner Post Tower, sagte Harnischfeger. „Es gibt keinen Grund für ihn, sich anders zu verhalten.“ Der angebotene Rücktritt sei seine „persönliche Entscheidung“ gewesen, die er auch nach Beratung mit seiner Familie getroffen habe. Dann mailte die Post schließlich eine offizielle Erklärung, dass Zumwinkel dem Präsidialausschuss des Aufsichtsrats seine Entscheidung mitgeteilt habe, dass er „im Interesse des Unternehmens“ sein Amt bei der nächsten Aufsichtsratssitzung am Montag niederlegen werde. Zumwinkel will dann auch seinen Posten als Aufsichtsratschef bei der Tochter Postbank räumen. Deren Vorstandschef Wolfgang Klein wirkte bei der Bilanzpressekonferenz des Geldinstituts in Frankfurt geradezu konsterniert über die Entwicklung. Branchenkreise gehen davon aus, dass Zumwinkel auch seine übrigen Aufsichtsratsposten räumt, darunter insbesondere den Vorsitz bei der Deutschen Telekom. „Davon dürfen Sie ausgehen“, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Torsten Albig. Wird Appel der neue Konzernlenker, dann muss er einige Baustellen in Angriff nehmen. Bei der Postbank sind eine Fusion mit einem anderen Geldhaus oder ein Verkauf im Gespräch. Nichts ist entschieden. Schwierig dürfte auch die Bereinigung des US-Geschäfts werden. Seit Jahren häuft die Post dort im Inlandsgeschäft mit dem Paket- und Expressversand Verluste an, die sich inzwischen auf mehrere Milliarden Euro angehäuft haben. Dafür war Appel bisher nicht direkt verantwortlich. Er wird die Probleme aber lösen müssen - vielleicht sogar mit Zumwinkel? Es sei „nicht ausgeschlossen, dass man seinen Rat auch weiterhin suchen wird“, meinte Sprecher Harnischfeger. (dpa)
Zumwinkels Rücktritt erschüttert Staatskonzern
Deutschen Post sucht neuen Kurs: Logistik-Vorstand Appel gilt als wahrscheinlichster Nachfolger als Deutsche-Post-Chef