Zehn-Punkte-Plan soll Lkw-Streit mit Tirol lösen

Zu den Vorzügen wahrer Freundschaft gehört die Fähigkeit beider Seiten, sich auch einmal unverblümt die Meinung sagen zu können. So geschehen am vergangenen Donnerstag in Berlin, als die Regierungen von Deutschland, Österreich, Bayern und Tirol zum Krisengipfel im Bundesverkehrsministerium zusammenkamen. Der Zwist um sektorale Fahrverbote für Lkw, die Lkw-Blockabfertigung sowie Pkw-Fahrverbote in Tirol ist allerdings derart festgefahren, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Anschluss sagte, eine Beilegung des Streits habe er gar nicht erst anvisiert: "Mein Ziel war es, die Hitze aus der Diskussion zu nehmen." Tirols Landeshauptmann Günther Platter stellte im Anschluss an das Gespräch klar, dass er vorerst keine der drei Maßnahmen aufzuheben gedenkt. "Das bleibt unverrückbar, da gebe ich keinen Millimeter nach", sagte Platter auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scheuer, dem österreichischen Verkehrsminister Andreas Reichhardt und Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart. So viel offener Dissens war selten zwischen zwei konservativen Österreichern auf der einen und zwei CSU-Politikern auf der anderen Seite. Platter bezeichnete die deutschen Grenzkontrollen, die zu gefährlichen Rückstaus in Österreich führten, als "Blödsinn". Woraufhin Scheuer anmerkte, dass er das Gleiche über die Blockabfertigung hätte sagen können. Auf Nachfrage räumte der deutsche Minister zudem ein, dass sein Haus weiter an einer Klage gegen diese Verkehrseinschränkung arbeitet. Es ist noch immer viel Hitze in der Diskussion. Ein gemeinsam präsentierter Zehn-Punkte-Plan soll einen Weg aus der Krise weisen. Kernpunkte sind - wie so oft derzeit, wenn es um das Lösen verkehrspolitischer Probleme geht - der Kombinierte Verkehr und eine IT-basierte Verkehrslenkung. Ein neues Lkw-Leitsystem soll bereits zum Jahreswechsel kommen, was ambitioniert klingt. Platter sagte zu, dass die Blockabfertigung aufgehoben werden kann, wenn das neue System den Verkehr tatsächlich zufriedenstellend dosiere. Ferner sollen eine bessere Auslastung der vorhandenen Bahntrasse sowie ein beschleunigter Bau des Nordzulaufs für den Brenner-Basistunnel mehr Lkw auf die Schiene bringen. Österreichs Verkehrsminister Reichhardt will bis zum Jahr 2021 die Kapazitäten für den Bahntransport von Lkw auf 450.000 pro Jahr verdreifachen. Jährlich passieren 2,5 Millionen Transit-Lkw Tirol, Tendenz steigend. Ein Drittel dieses Gütertransitverkehrs gehe nur aus Kostengründen durch sein Bundesland anstatt über die Schweiz, klagte Platter. Er forderte eine höhere Maut in Deutschland und Italien, nicht zuletzt deshalb, weil die Regierung in Wien den anderen großen Kostenfaktor - Österreichs niedrige Dieselpreise - vorerst nicht anrühren wird. Platter lobte deshalb nach dem Krisentreffen, "dass erstmals Deutschland und Bayern einverstanden sind, dass eine Lkw-Mauterhöhung stattfinden wird". Aus Scheuers Mund klang das weniger verbindlich: Zuerst müsse die EU-Kommission zustimmen, dass die bislang deutschlandweit einheitliche Lkw-Maut in bestimmten Regionen angehoben werden könne. Platters Wunsch nach einer Korridormaut zwischen München und Verona bewertet man im Bundesverkehrsministerium skeptisch. "Diese Korridormaut wird keine Entlastung bringen", sagt auch Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Der BGL und andere europäische Logistikverbände fordern von Österreich, sämtliche Euro-6-Lkw auch künftig von den sektoralen Fahrverboten auszunehmen. Andernfalls sei ab dem 1. Januar "eine der wichtigsten europäischen Nord-Süd-Verbindungen für zwei Drittel der Güter faktisch gesperrt". Sollte es dazu kommen, würde Österreich nicht nur die Belastbarkeit seiner Freundschaft zu Deutschland auf die Probe stellen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Österreich" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Der Krisengipfel in Berlin sollte die Streitigkeiten zwischen Deutschland und Österreich zu den Themen Lkw-Fahrverbote und Blockabfertigung schlichten. Auch wenn die Fronten verhärtet bleiben, soll nun ein Zehn-Punkte-Plan den Weg nach vorne weisen. Sektorales Fahrverbot und Blockabfertigung Das sektorale Fahrverbot untersagt seit November 2016 auf Teilen der Inntalautobahn A12 den Transitverkehr bestimmter Güter. Diese Güterliste soll zum neuen Jahr erweitert werden und künftig auch für Lkw der Abgasnorm 6 gelten, die vor dem 1. September 2018 erstmalig zugelassen sind. Die sogenannte Blockabfertigung begrenzt an angekündigten Tagen die Zahl der Lkw, die pro Stunde aus Deutschland kommend über die A 12 fahren dürfen. Zusätzliche Fahrverbote für Pkw sollen während der Ferienzeit verhindern, dass Reisende dem Stau über Land- und Nebenstraßen ausweichen. sh

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