Wohin fährt DB Schenker?

Die Bahn will Schenker los werden. Die sind froh, wenn sie das Geschäft von der Backe haben", äußerte sich dieser Tage ein Manager eines Logistikkonzerns gegenüber der Verkehrs-Rundschau. Hintergrund sind die jüngsten Entwicklungen bei der Deutschen Bahn, die sich so zuspitzen, dass sich kurz vor Weihnachten der Bund, als Eigner der Bahn, einschaltet. Keine Liebesheirat: Bahn und Schenker "Wir sind besorgt darüber, wie der DB-Vorstand das System Bahn fährt. Mit der Leistung kann man nicht zufrieden sein", monierte der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr Enak Ferlemann am Sonntag in der "Welt am Sonntag". Direkt wird der Staatssekretär zitiert: "Die Bahn braucht eine Restrukturierung." Bis März 2019 solle der Vorstand der Bundesregierung ein Konzept vorlegen. Aussagen, die zu Informationen passen, die das Handelsblatt vergangene Woche kolportierte. Demnach braucht die Bahn Geld. Sehr viel Geld. Allein das von Bahn-Chef Richard Lutz vorgelegte Konzept "Agenda eine bessere Bahn" soll fünf Milliarden Euro kosten. Davon sei aber nur eine Milliarde Euro gedeckt. Sprich: Es gibt eine Finanzierungslücke von vier Milliarden Euro. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hatte daher schon im September vorgeschlagen: "Der Verkauf von Tochterunternehmen wie Arriva und Schenker könnte frisches Geld in die Kasse bringen, um die Zukunftsprojekte anzupacken." Rückendeckung bekam er von der FDP, die soeben einen Antrag für den Verkauf der beiden Bahntöchter stellte. Was für eine dramatische Wende! 2002 klang alles ganz anders. Damals hatte die Bahn Schenker für 2,5 Milliarden Euro gekauft. Der Coup des vormaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn schien perfekt. Sein Plan: Mit den Schenker-Sendungen die Güterzüge besser auszulasten und so DB Cargo flottzumachen. Wenige Jahre später folgte sein nächster Deal: Für umgerechnet eine Milliarde Euro übernahm 2005 die Bahn die US-Fracht- und Logistikfirma Bax, weitere Zukäufe folgten. Jedoch: Mehdorns Plan ging nicht auf. DB Cargo floppt nach wie vor und schrieb 2017 tiefrote Zahlen. Und: "Die Ehe von Bahn und Schenker war nie eine Liebesheirat", sagte vor Jahren ein Schenker-Vorstand gegenüber der VerkehrsRundschau. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Wege auseinandergehen und die Bahn Schenker verkauft. "Und dieser Zeitpunkt ist da", urteilt ein Berater, der namentlich nicht genannt werden will. "Die Bahn benötigt Mittel zur Finanzierung der Investitionen in den nächsten Jahren. Und eines ihrer größten Assets ist Schenker." Zudem würden Logistikfirmen im Moment hoch bewertet. "Fünf bis sechs Milliarden Euro könnte das Unternehmen derzeit einbringen", schätzt er. Und ob dies künftig so bleibt, sei angesichts der digitalen Disruption und der anstehenden Herausforderungen in der Weltwirtschaft zumindest fraglich. Zudem habe man mit Alexander Doll den vormaligen Deutschlandchef von Barcleys Bank nicht umsonst in diesem Jahr zur Bahn geholt. Seit April ist Doll hier Vorstand für Güterverkehr und Logistik und übernimmt nun in Personalunion die Position des Finanzvorstands. "Wenn man einen Ex-Investmentbanker holt, steckt da vermutlich ein Plan dahinter". Kommen und Gehen im Management Und Doll macht offenbar Druck. Die vielen personellen Veränderungen im Schenker-Top-Management in den vergangenen Monaten sprechen eine deutliche Sprache. So schied im Sommer Vertriebs- und Kontraktlogistik-Vorstand Tom Schmitt aus. Nachfolger ist der US-Amerikaner Xavier Garijo. Im September wurde das Ausscheiden von CEO Region Europe Reiner Heiken öffentlich. Zwei Jahre hatte der Ex-Kühne+Nagel-Manager bei Schenker ausgehalten und wechselt im Januar 2019 als CEO zu Hellmann Worldwide Logistics. Auch Luftfrachtchef Thomas Mack schied im Herbst bei Schenker aus und wechselt zu DHL. Für ihn soll Thorsten Meincke im Laufe des Jahres 2019 einziehen. Er war bislang bei KN und soll künftig bei Schenker das See- und Luftfrachtgeschäft leiten. Im November wurde dann bekannt, dass Ewald Kaiser sein Amt als COO der Landverkehrsdivision nicht mehr fortführen will. Das Frachtressort soll aufgeteilt werden. Neuer Landverkehrs-Vorstand wird Ex-TNT- und FedEx-Manager Christian Drenthen. Und mit Karl-Heinz Emberger tritt Anfang 2019 binnen drei Jahren der dritte Schenker-Deutschland-Chef an. Er folgt Heiken, der diese Aufgabe von Kurt Leidinger seit 2017 zusätzlich zu seiner Funktion als Europa-Chef innehatte. Gute Ideen, schlechte Umsetzung Immerhin "hat es Schenker geschafft, sich trotz der Bahn-Mutter agiler aufzustellen - auch dank diverser Start-ups und neuer Plattformlösungen wie Drive4Schenker", sagt Martin Schwemmer, stellvertretender Leiter Market Intelligence von Fraunhofer SCS und Autor des Standardwerks "Top 100 der Logistik". So haben die Schenker-Umsatzzahlen in den vergangenen Jahren zugelegt. Insbesondere in der Kontraktlogistik sei die Performance gut. Auch in der See- und Luftfracht gehe es voran. Und selbst im europäischen Landverkehr sei Schenker, was die Netzabdeckung betrifft, immer noch vorne dabei, führt Schwemmer aus. Schenker verfügt über eines der wenigen flächendeckenden Netze in diesem Segment in Europa. Wie profitabel und effizient das Ganze ist, weiß er nicht. Fakt sei, dass Schenker hier Branchenprimus Dachser deutlich hinterherhinke. "Dachser ist an den richtigen Standorten vertreten, vor allem sagt Dachser auch einmal Nein und akzeptiert im Stückgutnetz in der Regel nur palettisierte und verpackte Waren", sagt Schwemmer. Sorgenkind bleibe der Landverkehr, die Ergebnisse seien nicht zufriedenstellend, bestätigt ein Marktkenner und Consultant. "Man hat hier viele gute Ideen, ist aber in der Umsetzung nicht gut." Viele strukturelle Veränderungen wie im Overhead-Bereich und bei den Organisationsstrukturen, die man angestoßen habe, funktionieren nicht und gestalten den Landverkehr zu komplex. So habe man in den letzten Jahren Aufgaben aus den Niederlassungen stärker zentralisieren wollen. Mit der Folge, dass der Overhead größer wurde, die Aufgaben doppelt gemacht wurden und die geplanten Kosteneinsparungen ausblieben, zählt er Probleme auf. Schwierig sei zudem gewesen, dass man den Landverkehr mit dem See- und Luftfrachtgeschäft über einen Kamm habe scheren wollen. Das funktioniere nicht, glaubt er. Denn See- und Luftfracht sei global - mit globalen Kunden und globalen Supply Chains. Hier lasse sich Vieles zentral lösen. Im Landverkehr, insbesondere im Stückgut, sei Vieles indes regional - hier brauche es in Teilen dezentralere Strukturen. Ein Problem seien auch die veraltete IT und die mangelnde Integration der Systeme, moniert der Berater. "Wenn es keine Transparenz gibt, kann man auch nicht eingreifen." Dies sei seit Jahren bekannt, sei aber nicht ausreichend angegangen worden. "Und Doll macht da jetzt Druck." Und was würde der Consultant angesichts des Schenker-Verkaufs Doll raten? Ein Investor würde anstehende Herausforderungen und damit Kosteneinschnitte deutlich schneller in Angriff nehmen und das Wachstum massiv vorantreiben, urteilt er. Sprich: Schenker würde aggressiver im Markt auftreten. "Besser wäre es, wenn sich ein strategischer Käufer aus Asien oder den USA fände. Das bietet für beide Synergien." Für wenig sinnvoll erachtet er eine Übernahme von Schenker durch Deutsche Post DHL. "Tun sich zwei Große zusammen, muss das nicht immer die beste Lösung sein", urteilt er. "Die Integration wäre sehr schwierig, gerade im Landverkehr. Zudem würden beide Firmen mit veralteten IT-Systemen arbeiten. Andererseits gibt es nicht viele Unternehmen, die - sollte sich die DB tatsächlich für den Verkauf ihrer Tochter Schenker entscheiden - in der Lage und willens sind, eine solche Investition zu stemmen. Es bleibt spannend. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "DB Schenker" www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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