"Wir werden als Partner wahrgenommen"

Das Porsche-Werksgelände im Norden von Leipzig hat wahrhaft imposante Ausmaße. Nach den jüngsten Erweiterungen baut der Sportwagenhersteller auf 259.000 Quadratmetern Grundfläche die Modelle Panamera, Cayenne und den kompakten SUV Macan. Doch für eines ist auf der riesigen Fläche kein Platz: für Bestände. "Beim Karosseriebau für den Macan haben wir für zwei bis vier Stunden Vorrat an Material im Werk", nennt Frank Röske, Leiter der Logistikplanung bei Porsche Leipzig, ein Beispiel. Die Abneigung gegenüber Beständen ist seit vielen Jahrzehnten fester Bestandteil der Automobillogistik und führte zu Belieferungsformen wie Just-in-time und Just-in-Sequence. Doch zu den bisherigen Motiven - Vermeidung von Kapitalbindung und Lagerkosten - ist in letzter Zeit ein neuer Grund dazugekommen. Da die Zahl der in den Werken gebauten Modelle sowie der Varianten ständig wächst, ist in den Automobilunternehmen immer weniger Platz für Teile in der Nähe der Montagelinie. Die für die Produktion benötigten Teile müssen in immer kleineren Behältern und immer höheren Frequenzen angeliefert werden. Die Folge ist: Die Produktion wird empfindlicher bei Ausfällen während des Transports vom Lieferanten ins Werk. Die Anforderungen der Automobilhersteller an ihre Logistikdienstleister in Bezug auf Transparenz, Zuverlässigkeit und Qualität haben deshalb noch mal deutlich zugelegt. Praktische Konsequenz für Porsche in Leipzig: Das Unternehmen hat in Zusammenarbeit mit ihren Logistikdienstleistern ein Transportsteuerungssystem entwickelt. Einer der Logistikdienstleister von Porsche in Leipzig ist das mittelständische Speditionsunternehmen Elflein Transport & Logistik, das über 450 Mitarbeiter beschäftigt und über mehr als 270 Fahrzeuge verfügt. Elflein versorgt den Karosseriebau für den Macan mit Teilen von acht Lieferanten aus Deutschland, der Tschechischen Republik und der Slowakei. "Wir haben 30 Just-in-time-Anlieferungen pro Arbeitstag", sagt Geschäftsführer Rüdiger Elflein, der gemeinsam mit Porsche-Manager Röske das Transportsteuerungssystem am 11. Juni 2015 auf der Verkehrs-Rundschau-Konferenz "Perspektiven in der Automobillogistik" vorstellen wird (siehe Kasten Seite 34). Vom Auflieger direkt in die Produktion Die Besonderheit beim Karosseriebau bei Porsche Leipzig: Es gibt am Standort kein Presswerk, sodass die gepressten Teile über relativ weite Distanzen ins Produktionswerk gefahren werden müssen. Da die Lieferanten keinen Gleisanschluss zur Verfügung haben, kommt dabei zu 100 Prozent der Lkw zum Einsatz. Rund 75 Prozent der eingehenden Transporte sind dabei Direktverkehre von den Lieferanten. Entladen wird direkt vom Auflieger in die Produktion, wie Rüdiger Elflein berichtet. Um die Belieferung des Karrosseriebaus zu steuern und zu überwachen, wurde das Unternehmen Elflein konsequent in die Informationsströme zwischen Lieferant und Porsche einbezogen. Grundlage war ein dreimonatiges IT-Projekt bei der Spedition und die Ausstattung aller Fahrzeuge mit Onboard-PC. Als Informationshub dient die Plattform AX4 des IT-Anbieters Axit aus Frankenthal. Erster Prozessschritt ist der Lieferabruf durch Porsche an den Lieferanten über die AX4-Plattform. Aus den in Abrufen genau vorgegebenen Bedarfsterminen werden automatisch Abholtermine errechnet und an den Logistikdienstleister übermittelt. Elflein übernimmt die Daten in seinen Speditionstermin und führt auf dieser Basis schon einmal eine Laderaumoptimierung durch. Nachdem Elflein und der Lieferant den Transport beziehungsweise den Auftrag bestätigt haben, friert Porsche die Daten ein. Der Auftrag ist damit fix. Abholdaten direkt auf den Onboard-PC Nach der Verteilung der Abholaufträge auf die einzelnen Fahrzeuge werden die Abholdaten auf den Onboard-PC der jeweiligen Lkw überspielt. Dadurch weiß der Lkw-Fahrer genau, welche Sendungen er verladen soll. Bei der Ankunft des Lieferanten scannt der Fahrer die bereitgestellten Packstücke und löst damit einen Soll-Ist-Vergleich aus, dessen Ergebnis Porsche gemeldet wird. Zusammenspiel auf Augenhöhe Liefermengenabweichungen werden dadurch umgehend erkannt und kommuniziert. "Damit wissen wir, wenn Teile des Auftrags fehlen und können frühzeitig reagieren", erläutert Porsche-Mann Röske den Nutzen. Ein zweiter Pluspunkt. Auch das Verladen zusätzlicher Sendungen, das sonst im Werk einen Klärungsprozess auslösen würde, könne auf diese Weise bereits beim Lieferanten reguliert werden. Auch über etwaige Störungen während des Transports wird Porsche direkt aus dem Lkw per Statusmeldung informiert. Das Ergebnis ist ein stabiler und transparenter Prozess. Sowohl Porsche als auch Elflein ziehen aus dem Prozess eine Reihe von Vorteilen. Porsche bekommt zum frühestmöglichen Zeitpunkt Informationen über Lieferabweichungen. Bei Fehlmeldungen können die Logistiker des OEM sofort nachfassen, auf Mehrvolumen kann flexibel reagiert werden. Die Automatisierung der Prozesse vermindert für die Beteiligten zeitraubendes telefonisches Nachfragen und senkt damit den administrativen Aufwand. "Wir haben die gläserne Pipeline entlang der gesamten Lieferkette realisiert", sagt Rüdiger Elflein. Für den Speditionsunternehmer bringt diese gläserne Pipeline ebenfalls einige handfeste Vorteile. Er kann die Transportkapazitäten frühzeitig planen. "Die optimal ausgelasteten Transportkapazitäten helfen bei der Reduzierung des Ressourcenverbrauchs", sagt Firmenchef Elflein. Ein weiterer Vorteil lässt sich nicht in Euro und Cent bemessen. Durch den verbesserten Informationsstand ist es für den Logistikdienstleister möglich, mit dem OEM und den Zulieferern auf Augenhöhe über die Abläufe und Verbesserungsmöglichkeiten zu reden. "Wir werden als Partner wahrgenommen, mit dem man diskutieren kann", beschreibt Elflein das neue Selbstbewusstsein. Die Serie Erfolg in der AutomobillogistikDie Prozesse neu denken und gestalten: Was OEM, Zulieferer und Dienstleister nun tun- Was die Herausforderungen treibt, was sich für die Akteure damit ändert- Wie Elflein und Porsche die Eingangsverkehre gemeinsam optimieren- Welche Innovationen in der Logistik anstehen Logistikkonzept So sichert Porsche Leipzig den Produktionsprozess ab Bereits seit 2009 ist es bei Porsche ein Grundsatz in der Logistikstrategie, keine Lagerhaltung in den Werken zu betreiben. Nach Aussage der hauseigenen Unternehmensberatung Porsche Consulting spart der OEM dadurch Logistikkosten im zweistelligen Bereich ein. Doch so effizient schlanke, bestandsarme Lieferprozesse auch sind; sie bergen immer auch das Risiko von Materiallücken, die zu Produktionsausfällen führen können. Deshalb hat Porsche eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die den Produktionsprozess absichern:- Fertigung nach Perlenkettenprinzip:Porsche legt die konkrete Auftragsreihenfolge der unterschiedlichen Fahrzeuge in den Werken bereits mehrere Tage im Voraus fest. Auf dieser Basis wird den Zulieferern der Materialabruf übermittelt.- Exakte Information von Zulieferern und Logistikdienstleistern:Mit dem Lieferabruf erhält der Lieferant neben dem Liefertermin alle erforderlichen Steuerinformationen für den Materialfluss. Für die stundengenaue Materialdisposition ist es entscheidend, dass die Mengen und Zeitangaben exakt übermittelt und eingehalten werden.- Standardisierte Prozesse:Direkt vom Lkw wird das Material auf den Schleppzug verladen und in die Kommissionierzone gebracht. Dort kommissionieren Porsche-Mitarbeiter die Teile in einem standardisierten Logistikprozess synchron zum Montagetakt.- Hochfrequente Anlieferung:Der Preis des Verzichts auf Lagerstufen ist die hochfrequente Anlieferung. Der gesamte Lieferprozess wird systemgestützt überwacht, um Probleme möglichst frühzeitig zu identifizieren. hel

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