Wieder auf Wachstumskurs

Auch wenn das Thema Corona immer noch in jeder Nachrichtensendung einen wichtigen Teil ausfüllt: Für den Großteil der Transportbranche gehört die Krise der Vergangenheit an. "Das Schlimmste ist überstanden", sagt Ralf Ratzenberger. Für Intraplan Consult und im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums hat er die Mittelfristprognose Winter 2020/2021 erstellt, die sich auf die Jahre 2021 bis 2024 erstreckt und auch Angaben zur voraussichtlichen Entwicklung im Jahr 2021 macht. Eine wesentliche Annahme der Prognose ist, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise mit zunehmender Impfquote noch in diesem Jahr auslaufen und dann nahezu komplett vom Tisch sind. "2022 wird das erste Jahr sein, in dem die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie keine große Rolle mehr spielen", so Ratzenberger. Doch schon in diesem Jahr steigt die Nachfrage. Die Transportleistung im gesamten Güterverkehrsmarkt in Deutschland soll um kräftige 3,9 Prozent auf dann 698,1 Milliarden (Mrd.) Tonnenkilometer zulegen. Damit wäre das Vorkrisenniveau von 2019 (698,3 Mrd. Tonnenkilometer) bereits 2021 wieder erreicht. Wachstum könnte noch höher ausfallen Allerdings weist Ratzenberger darauf hin, dass es einerseits gerade für das Jahr 2021 noch eine Reihe von Unwägbarkeiten gibt. So wurde die Vorhersage abgeschlossen zum 10. März 2021. "Da war noch nicht absehbar, dass die dritte Corona-Welle sich länger hinzieht", sagt Ratzenberger. Das könnte darauf hindeuten, dass das Wachstum nicht ganz so hoch ausfällt wie vorhergesagt. Andererseits sind die Grundlage für die Prognose die Zahlen aus dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung aus dem Januar 2021. Dort wurde für 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von 3,0 Prozent kalkuliert. Mittlerweile hat die Bundesregierung aufgrund des boomenden Außenhandels ihre Prognose im April auf 3,5 Prozent korrigiert und Wirtschaftsminister Peter Altmaier Anfang Juni sogar bis zu vier Prozent in Aussicht gestellt. "Sollte sich das Bruttoinlandsprodukt tatsächlich so stark erhöhen, ist davon auszugehen, dass auch der Güterverkehr stärker als prognostiziert zulegt", sagt Ratzenberger. In welchem Umfang, das hängt wiederum stark von der sogenannten Transportintensität ab. Dieser Indikator beschreibt, wie stark sich die Güterverkehrsleistung verändert, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst oder schrumpft. Zuletzt lag dieser Faktor leicht über eins. Fällt das BIP-Wachstum 2021 um einen Prozentpunkt höher aus im Vergleich zur aktuellen Prognose, dann würde das für die gesamte Güterverkehrsleistung in Deutschland eine Zunahme von fast fünf Prozent statt 3,9 Prozent bedeuten. Für den Güterverkehrsmarkt sind die Aussichten also gar nicht so schlecht. Aber: Je nach Verkehrsträger fallen die Prognosen unterschiedlich aus. Das prozentual höchste Wachstum mit 5,0 Prozent kann 2021 die Eisenbahn einfahren (siehe auch Grafik links). Doch das scheinbar gute Ergebnis relativiert sich, weil im Corona-Jahr 2020 die Bahn (-6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) zusammen mit der Binnenschifffahrt (-8,6 Prozent) zu den großen Verlierern der Krise zählte. Trotz der Aufholjagd 2021 kommt die Bahn noch nicht an das Niveau von 2019 (129,2 Mrd. Tonnenkilometer) heran und landet laut Prognose bei 126,9 Mrd. Tonnenkilometern. Erst 2022 wird sie den Wert aus dem Jahr 2019 wieder erreichen. Ähnlich, nur noch etwas schlechter, sieht es in der Binnenschifffahrt aus. 2020 mussten die Reeder und Partikuliere einen Verlust von 8,6 Prozent bei der Verkehrsleistung hinnehmen. Mit einem Plus für 2021 in Höhe von 3,1 Prozent kann der Einbruch nicht wettgemacht werden. Nach 50,9 Mrd. Tonnenkilometern auf den Wasserstraßen im Jahr 2019 sollen es 2021 nur noch 48,0 Mrd. sein. Bis zum Ende des Prognosehorizonts im Jahr 2024 bleibt die Binnenschifffahrt mit 49,4 Mrd. Tonnenkilometern unter dem Wert von 2019. Beim Blick über das Jahr 2021 hinaus auf die folgenden drei Jahre lässt sich zum einen festhalten, dass die Wachstumsraten wieder konstanter verlaufen. Insgesamt wird im Güterverkehr mit einem jährlichen Plus von 2,1 Prozent gerechnet. Doch auch für diesen Zeitraum gilt, dass sich die einzelnen Verkehrsträger unterschiedlich entwickeln. Laut Prognose bleibt der Straßengüterverkehr die Nummer eins mit einem knappen Vorsprung vor der Bahn. Politik verfehlt das Ziel für die Bahn Das bedeutet auch: Die von der Politik und den Güterbahnen immer wieder geforderte und angekündigte Erhöhung des Modal Split-Anteils der Bahn bleibt bis 2024 aus. Ratzenberger hat dazu trotz der Klimadebatte eine klare Meinung: "Den von der Politik angestrebten Anteil von 25 Prozent für die Schiene, den sehe ich nicht, den werden wir in den nächsten Jahren nicht erreichen." Als den wesentlichen Grund dafür, dass das nicht gelingt, nennt er den Güterstruktureffekt. Denn es gelingt der Bahn zwar, Mengen zu gewinnen, vor allem im KV: "Aber gleichzeitig verliert sie Aufkommen im Massenguttransport, vor allem bei den sich reduzierenden Kohletransporten, die auf der Straße so gut wie keine Rolle spielen", sagt der Wissenschaftler. Diese starken Verluste dämpfen die Gewinne in anderen Segmenten spürbar. Damit stagniert die Schiene beim Modal Split und kommt 2024 auf einen Anteil von 19 Prozent (ohne Berücksichtigung von Transporten in Rohrleitungen). Die angestrebten 25 Prozent bis 2030 sind in weiter Ferne. Genauso unrealistisch erscheint für die Binnenschifffahrt der angestrebte Anteil im Modal Split von zwölf Prozent bis 2030. Der liegt laut Prognose 2024 bei knapp sieben Prozent. Mehr zum Thema finden Sie unter #Konjunktur www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Laut Mittelfristprognose kann sich die Transportbranche 2021 auf eine steigende Nachfrage freuen. Allerdings haben nicht alle Verkehrsträger gleich gut die Krise überstanden. Und das Bundesverkehrsministerium droht das angestrebte Verlagerungsziel bis 2030 deutlich zu verpassen. Schiene: Fehlende Kohle macht Sorgen Der Schienengüterverkehr hat 2020 mit einem Rückgang der Verkehrsleistung in Höhe von 6,4 Prozent überdurchschnittlich stark unter der Corona-Krise gelitten. 2021 wird der Prognose zufolge trotz eines Wachstums in Höhe von 5,0 Prozent das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. Eine Ursache für den starken Rückgang 2020 war der Einbruch der Kohletransporte mit deutlich zweistelligen prozentualen Verlusten. Diese rückläufige Entwicklung hält, wenn auch nicht so ausgeprägt, in den kommenden Jahren an. Ein Wachstumstreiber bleibt der Kombinierte Verkehr (KV). Zwar verzeichnete diese Sparte 2020 einen Verlust: minus drei Prozent bei der Transportleistung. Doch dieses Minus wird 2021 mehr als aufgeholt (plus 5,4 Prozent). Mit jährlich 2,7 Prozent mehr nimmt der KV stärker zu als der Lkw-Verkehr. Der Straßengüterverkehr ist vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen. 2020 betrug der Rückgang der Verkehrsleistung nur 2,6 Prozent, obwohl das Wirtschaftswachstum um 4,9 Prozent einbrach. Lkw mit deutschen Kennzeichen verzeichneten sogar noch geringere Einbußen als die Lkw aus dem Ausland (siehe Grafik oben), weil der Außenhandel (unter anderem wegen der pandemiebedingten Grenzschließungen) stärker beeinträchtigt war. In diesem Jahr gewinnen ausländische Lkw wieder Marktanteile2021 steigt die Nachfrage nach Lkw-Frachtraum wieder. Die Transportleistung nimmt um 3,8 Prozent zu. Jetzt sind es wieder die ausländischen Lkw, die stärker von dem Anziehen der Nachfrage profitieren – wie schon vor 2020. Das liegt daran, dass der Außenhandel stärker wächst als die Binnennachfrage. Da im grenzüberschreitenden Verkehr der Anteil der ausländischen Lkw deutlich höher ist (über 90 Prozent bezogen auf die Verkehrsleistung), profitieren sie stärker von dem Wachstum in diesem Segment. Angesichts ihrer günstigen Kostenstruktur und eines sich abzeichnenden Fahrermangels bei deutschen Fuhrbetrieben dürfte diese Entwicklung anhalten. Wasserstraße: Schlusslicht mit starken Verlusten Die Binnenschifffahrt ist der Verkehrsträger mit den höchsten Verlusten. 2020 ist die Verkehrsleistung um 8,6 Prozent eingebrochen. Zwar kann die Branche in den nächsten vier Jahren mit Wachstum rechnen. Doch laut Prognose wird 2024 die Verkehrsleistung mit 49,4 Mrd. Tonnenkilometern immer noch nicht das Vorkrisenniveau (50,9 Mrd. Tonnenkilometer) erreicht haben. Damit ist die Binnenschifffahrt der einzige Verkehrsträger, der 2024 noch unter dem Wert aus dem Jahr 2019 bleibt. Die Ursachen sind die gleichen wie bei der Bahn: Die Binnenschifffahrt leidet unter einem Güterstruktureffekt. Massengüter machen einen spürbar höheren Anteil am Transportaufkommen aus als beim Lkw. Doch hier ist das Wachstum deutlich langsamer. So soll alleine im Segment Kohle, Rohöl, Erdgas die Verkehrsleistung 2024 um 41,8 Prozent geringer sein als 2019.

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