Wettstreit der Systeme

Seit Euro 6 engagieren sich die Fahrzeughersteller stark in der Entwicklung hubraumreduzierter Motoren mit Abgasrückführung. Nur Scania setzt fallweise auf 13-Liter-Aggregate mit "SCR only". Welche Philosophie besser ist, soll der Euro-Truck-Test klären. Dem stellten sich drei Euro-6-LKW mit Elf-Liter-Motor - und besagter Scania. DAF, Mercedes und Renault sind die Kandidaten mit 10,7 respektive 10,8 Liter Hubraum und 430 oder 440 PS. Die im Vergleich zu gängigen 13-l-Aggregaten höhere spezifische Leistung soll helfen, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Allen Triebwerken bleibt die Abgasrückführung erhalten - wobei Renault sie hauptsächlich nutzt, um Abgastemperatur und Wirksamkeit des SCR-Kats hochzuhalten. Mercedes und DAF setzen die bereits verbrannten Abgase aktiver ein, um die Stickoxide zu reduzieren. Trotz der aufwendigen und schweren Technik sind die Elfliter-Sechszylinder rund 200 Kilo leichter als ihre großen Brüder. Mehr Hubraum, dafür weniger Technik Scania kann auf die schwere Abgasrückführung verzichten, braucht dafür aber einen wirksameren SCR-Kat. Der 13-Liter-Sechszylinder ist natürlich generell schwerer. Mit "SCR only" lässt sich der Motor im optimalen Betriebspunkt fahren. Dort verbraucht er bei hoher Leistung wenig Kraftstoff, produziert aber viel Stickoxide. Die muss der SCR-Kat wirksam reduzieren - mit entsprechend hohem Adblue-Verbrauch. Dass der Scania der Leichteste im Testquartett ist, hat er weniger der Technik als vielmehr der kleinen Kabine zu verdanken. Im Gegensatz zu "Space Cab", "Stream Space" und "Sleeper Cab" ist der "G" kein vollwertiger Fernverkehrs-LKW. Was die Qualität des Motors betrifft, hat im Euro Truck Test der DAF nach Ansicht der fünf beteiligten Testredakteure die Nase vorne. Das Quintett bescheinigt dem niederländischen Sechszylinder eine gemessen am Hubraum exzellente Leistungsentwicklung und fülliges Drehmoment. Er hängt spontan am Gas und reagiert viel schneller auf Bewegungen des rechten Pedals als jeder seiner Wettbewerber. Zudem läuft er extrem leise. Ein ebenfalls hohes Niveau erreicht der großvolumige Scania-Motor. Nominell bietet er trotz geringster Leistung im Test 50 Newtonmeter mehr Drehmoment - was sich aber im Alltag kaum bemerkbar macht. Dafür glänzt das Schweden-Aggregat mit zurückhaltender Geräuschkulisse, wartet im Gegensatz zum DAF mit einem sehr sauber arbeitenden Tempomaten auf und offeriert ebenfalls eine sehr füllige Drehmomentkurve schon knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl. Der OM470 des Mercedes arbeitet weder so leise wie die Antriebe von DAF und Scania noch ist er ähnlich spontan. Offensichtlich fehlt ihm ein Turbo mit variabler Geometrie (den der Scania übrigens auch nicht hat), um schneller auf Gaspedalbefehle zu reagieren. Unterm Strich ist der Sechszylinder des Sternen-Lasters kein schlechter Motor. Er hat aber keine wirklich erkennbaren Stärken. Farbloser Motor im Renault Die fehlen leider auch dem "DTI 11" von Renault. Zwar glänzt er noch mit einer schönen Leistungscharakteristik. Subjektiv fehlt es aber gegenüber dem Wettbewerbs-Trio ein wenig an Power - vor allem aber an Drehmoment. Die 60 Newtonmeter Defizit der Papierwerte lassen eine deutlich kleinere Kluft vermuten. Leider ist das französische Triebwerk weder besonders leise noch kann die elektronische Steuerung von Tempomat und Bremstempomat wirklich überzeugen. Ausgehend von einem insgesamt noch hohen Niveau fällt der "T" bei den Motoreigenschaften des Testwagens (noch) erkennbar zurück. Wenn es um die Beurteilung der Getriebe geht, liefern sich Mercedes und Scania ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Bedienlösung über den rechts am Lenkrad angeordneten Hebel, der alle Funktionen steuert, findet bei allen Fahrern Gefallen. Während die Tester dem Actros eine bessere generelle Bedienbarkeit attestieren, glänzt der "G" mit höherer Schaltgeschwindigkeit. Zwar spendierte Scania der aktuellen Opticruise-Generation eine verbesserte Ecoroll-Funktion. Dennoch hat Daimler das kraftfreie Rollen in Neutral so weit perfektioniert, dass dem Scania nur das Nachsehen bleibt. Außerdem bescheinigen die Fahrer dem Benz die besser angepasste Gangabstufung. Kleine Defizite hat der Actros bei der Kupplungsarbeit. Die arbeitet manchmal ein wenig ruppig. Und beim Anfahren kuppelt die Elektronik ab und an zu schnell ein und lässt die Kupplung zu lange schleifen. Bei der Schaltbox vertraut Renault auf die Hardware von Volvo. Trotzdem sortiert der Franzose die Gänge nicht so perfekt wie der schwedische Bruder, die Schaltstrategie passt nicht immer. Zudem ist der Schalthebel ungünstiger positioniert. Es kommt vor, dass der "T" schon mal den weniger passenden Gang einlegt - im Berg und an der Kuppe zu spät hoch- oder herunterschaltet und im Bremstempomatmodus mit zu wenig Drehzahl fährt. Auch die Eco-Roll-Funktion ist noch nicht so perfekt - ein Umstand, den sich der Renault mit dem DAF teilt. Wobei das überarbeitete ZF-Getriebe im XF durchaus an Qualität gewann. "Speed Shift" sorgt für hohe Schaltgeschwindigkeiten in den oberen Gängen. Nur an der Kupplungsarbeit könnte man noch ein wenig feilen. Hier bieten Scania "G" und Actros das Quäntchen mehr an sahnigem Kraftschluss, problemlosem Start im Berg und geschmeidigen Gangwechseln. Bei den Bremsen unterscheiden sich die Vorgehensweisen deutlich: Scania und Renault setzen auf Retarder. DAF und Mercedes vertrauen auf starke Motorbremsen. Dazu eine generelle Anmerkung: Auf der VR-Teststrecke kommt man ohne Hydrobremse gut zurecht. Auch mit 40 Tonnen gibt es nur zwei, drei Gefälle, wo man beibremsen muss. Geht es in eine anspruchsvollere Topografie, präferieren wir den Retarder aus Gründen der Sicherheit und des Fahrkomforts. Das sehen auch unsere drei ausländischen Kollegen so, die Renault und Scania höher bepunkten. Scania setzt neuerdings auf einen verlustleistungsreduzierten Retarder. Doch anscheinend ist bei dem nicht nur die Verlustleistung niedriger. Denn die fünf Tester sind sich weitgehend einig, dass die Hydrobremse des Renault mehr Power hat. Dass der Schwede am Ende ein Pünktchen mehr hat, liegt ausschließlich an der besseren Integration der Dauerbremsen in die Fahrstrategieregelung. Die Scania-Auspuffklappe wirkt "lustlos", der Retarder ist ergo nötig. Die Motorbremse des Renault hat dagegen durchaus Qualität. Bei DAF und Mercedes macht sich der geringe Hubraum bemerkbar. Von Motoren mit knapp unter elf Litern Hubraum kann man keine Wunder in puncto Verzögerungsleistung erwarten - auch nicht bei Drehzahlen jenseits der 2300/min. Das wollen die Fahrer schon aus Gründen der Geräuschkulisse sowieso nicht! Zumindest schafft es Mercedes, mit einer hervorragenden Integration der Motorbremse in den Bremstempomat zu glänzen. Auch Hill-Start funktioniert am besten. Auf hohem Niveau präsentieren sich die Lenkungen des Test-Quartetts. Die Steuereinheit des DAF ist direkt ausgelegt und vermittelt dem Fahrer das beste Gefühl zur Straße. Ein wenig synthetisch wirkt die Lenkung des Renault. Um die Mittellage zeigt sie Spiel und der Kraftanstieg ist nicht so progressiv über den Lenkwinkel, wie es die meisten Fahrer bevorzugen. Auch kommen die wenigsten Tester mit der Lenkradposition des Franzosen klar. Für ein komplett neu entwickeltes Auto hätte man sich ein wenig mehr Höhenverstellung gewünscht. Gerade groß gewachsene Fahrer haben das Volant zwischen den froschartig gespreizten Beinen. Dass der "T" als Einziger eine zusätzliche Neigungsverstellung hat, nützt dann wenig. Zumal die Lenkradverstellung via ungünstig positioniertem Druckknopf als umständlich empfunden wird. Der rechts neben der Lenksäule befindliche Entriegelungsmechanismus des Scania, noch mehr aber das Pedal des Mercedes, finden in der Testerriege deutlich mehr Gefallen. Wobei der Schwede als Ältester im Test nach wie vor den Maßstab setzt, wenn's um die Lenkradposition geht. So bequem wie im "G" sitzt es sich sonst in keinem der vier Laster. Kaum Unterschiede stellen die Tester bei der Positionierung der Pedale fest. Bei ganz genauer Betrachtung ermöglicht der geringe Höhenunterschied zwischen Brems- und Gaspedal im Mercedes den einfachsten Wechsel. Da hat der Scania den größten Höhenunterschied. Ein unbequemes Anheben des gesamten Beines ist dennoch nicht nötig. Rundum gut abgestimmter Holländer Dass es DAF versteht, die Herzen der Fahrer zu erobern, zeigt sich bei der Beurteilung des Fahrkomforts. Die Abstimmung von Vorder- und Hinterachse ist sehr gelungen. Egal ob voll oder teilbeladen, der Niederländer federt sehr komfortorientiert. Auch passen Federung und Dämpfung der Kabine gut zur restlichen Abstimmung. Generell zeigen sich bei keinem Fahrzeug ernsthafte Defizite. Die Hinterachsen von Mercedes, Scania, vor allem aber Renault könnten weniger hart zu Werke gehen. Mit seiner weich gelagerten, rollenden und nickenden Kabine zeigt sich der Franzose weniger straff. Entsprechend schlechter ist das Gefühl zur Straße beim Befahren von Kurven. Zudem offenbaren sich beim "T" ein paar Vibrationen, die bis in die Kabine durchschlagen. Ein wichtiges Element der aktiven Sicherheit ist eine gute Sicht. Wir vergeben maximal 50 Punkte - von denen DAF und Mercedes als Beste je 42 erreichen. Im Actros fehlt es am freien Blick auf quer über der Fahrbahn montierte Ampeln. Der DAF wie der Renault offenbaren etwas mehr tote Winkel. Die besten Spiegel hat der Truck aus Wörth, ein eingeschränktes Sichtfeld der Kandidat aus Lyon. Am besten einstellen lassen sich die Rückblicker im XF. Und wie sieht's beim Scania aus? Schlechtere Sicht nach oben, schlechte Einstellbarkeit und breite A-Säule. Also keine Glanzleistung! Die besten Klimaanlagen finden sich im XF sowie im Actros. Sie lassen sich einfach einstellen und halten ohne größeres Zutun die voreingestellte Temperatur. Echte Einschränkungen sind aber auch bei den beiden Kontrahenten nicht zu vermerken - mal abgesehen von der gebetsmühlenartig vorgetragenen Kritik am Scania, der seinen Fahrer immer wieder mal mit einer kühlen Brise erfrischt. Die besten Sitze haben DAF und Scania. Warum die Schweden den Hersteller gewechselt haben, weiß keiner genau: Die alten Sitzmöbel waren auf jeden Fall nicht schlechter als die neuen. Wie nicht anders zu erwarten, glänzt der Mercedes mit einem übersichtlichen Armaturenbrett. Seine Instrumentierung nimmt noch die meisten Anleihen beim PKW. Mit ein wenig Abstand folgen Scania - sehr schön im Halbrund um den Fahrer gezogen - und DAF (minimalistisch und damit sehr übersichtlich). Noch ein wenig weiter hinten liegt der Renault. Er wirkt verspielt, seine Instrumente sind zwar klar gezeichnet, gönnen sich aber eben typisch französische Eigenarten. Die Schalter sind zwar in Funktionsgruppen angeordnet, wirken aber verstreut. Das Multifunktionslenkrad ist auf den ersten Blick überfrachtet und schwer durchschaubar. Der Wischbereich der Scheibenwischer fällt bei allen LKW ausreichend groß aus. Auch vor dem Beifahrer bleibt kein allzu großes ungewischtes Feld stehen. Generell sind die Waschdüsen im Scheibenwischerarm platziert. Die Reinigung erfolgt entsprechend schnell und effektiv. Der Aufstieg zum Säubern der Frontscheibe gelingt bei Renault und Scania mit den breiten Trittstufen und den entsprechenden Griffen vorbildlich einfach und sicher. Das größte Kabinenvolumen bietet der Mercedes, der die Kabinenwertung ergebnisbereinigt gewinnt. Zwar hat der Renault mehr Punkte, aber als Einziger auch das mitgewertete zweite Bett. Nur beim Einstieg kommt der Actros gar nicht gut weg. Kein Fahrer kann sich mit der hoch platzierten Kabine anfreunden. Der ebene Boden wird nicht von allen Chauffeuren als nötig erachtet. Der Einstieg fällt im Scania am leichtesten. Wobei die Winzkabine klar gegen die Kontrahenten abfällt. Weder beim Stauraum noch bei den Ablagen kommt Begeisterung auf. Nicht mal im Hinblick auf die Qualität kann der Schwede punkten. Hier setzen klar DAF und Mercedes den Maßstab. Der Niederländer offeriert das größte und bequemste Bett. Und wenn man mal seinen Blick um die Kabinen schweifen lässt, hat er als Einziger eine vernünftige Anbringung der Kabel und Leitungen im abgesattelten Zustand sowie den besten Aufstieg zur Arbeitsplattform hinterm Fahrerhaus. Fahrers Liebling nur auf Platz zwei Nachts fühlen sich die Fahrer im Mercedes und Scania gut aufgehoben. Durchdachte Lichtkonzepte erleichtern die Orientierung in den Kabinen. Das beste Fernlicht hat der XF, das effektivste Abblendlicht der Actros. Bei der Ausleuchtung der Armaturen ist der Scania der Beste. Letztlich muss sich der XF dem Actros in der Fahrerwertung knapp geschlagen geben. Stream Space bietet doch etwas mehr Platz als das Space Cab. Bei der Wirtschaftlichkeitswertung ergibt sich ein Patt: Der Eco-Tempomat des Scania macht die Tour langsam. Dafür knausert der Schwede mit dem Sprit. Wer ein ausgewogeneres Verhältnis von Transporttempo und Verbrauch haben will, greift wohl besser zum Daimler. Der braucht minimal mehr, ist aber deutlich schneller. Einen Verlierer können wir am Ende nicht sehen - außer bei denen, die sich dem Vergleich nicht stellten. Alle Tests und Fahrberichte seit dem Jahr 2008 für Premium-Abonnenten unter www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Expertenprüfung durch den TÜV SÜD Durchdachte Wartungskonzepte Während Scania mit 90.000 km traditionell kürzere Wartungsintervalle hat, stecken die anderen drei Hersteller mit den kleinen Motoren ebenfalls zurück. DAF beordert den MX11 alle 125.000 km in die Werkstatt, Mercedes und Renault geben 120.000 bzw. 100.000 km an. Somit kommt jeder der vier Kontrahenten öfter im Jahr zum Service. Den besten Eindruck beim Service-Check macht der DAF.Wobei sich die manuelle Abfahrtskontrolle bei Renault und Scania am einfachsten für den Fahrer gestaltet. Dafür glänzt der Niederländer bei den Servicearbeiten, die sich bei ihm nach Ansicht der TÜV-Ingenieure am leichtesten durchführen lassen. Bei keinem anderen LKW klappt zum Beispiel das Nachfüllen des Kühlwassers oder der Ölwechsel einfacher.Auch bei der Bewertung der Fahrerfreundlichkeit, zum Beispiel das Kippen der Kabine, das Abnehmen der Seitenverkleidungen oder die Erreichbarkeit des Reifenfüllanschlusses, wird der XF seinem Ruf als Fahrerauto voll gerecht. Wobei man auch dem Mercedes eine hohe Fahrerfreundlichkeit attestieren muss. Nicht anders im Kapitel "Kleinreparaturen". Nach Ansicht der TÜV-SÜD-Prüfer bietet der DAF das umfangreichste Bordwerkzeug, Sicherungen lassen sich einfach wechseln und das Fahrgestell ist wartungsarm - was übrigens auch beim Mercedes der Fall ist. Renault und Scania verlangen nach einer Portion Fett. Test mit Referenz-Lkw Testen wie die Industrie Wie beim VR-Profitest begleitet der redaktionseigene New Actros 1845 mit Kögel-Curtainsider (40 Tonnen) auch den Euro Truck Test - der nach gleichem Procedere wie die Einzeltests abläuft, um alle Ergebnisse vergleichen zu können. Mit unserer Kombination haben wir unter Normalbedingungen (windstill, trocken, 20 °C) Basiswerte erfahren. Ändern sich bei der Testfahrt die äußeren Bedingungen durch Wind, Regen oder Temperatur, ändert sich auch der Verbrauch des Referenz-LKW. Um diese Abweichung können wir die Verbräuche der Test-LKW korrigieren und schaffen die Basis, alle Werte vergleichbar zu machen. Da die Messwerte je nach Witterung um bis zu zehn Prozent abweichen können, halten wir eine vergleichende Darstellung ohne Referenz-LKW für nicht legitim. gg

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