Wenn ein Unterschied Probleme bringt

Die meisten Unternehmer im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe sind sich sicher, dass sie keine Mitarbeiter diskriminieren, alle Angestellten gleichberechtigt sind und es zu keiner unzulässigen Ungleichbehandlung im Betrieb kommt. Bei "Diskriminierung" denkt man an Bewerbungen und insbesondere an das zulässige Verhalten bei Absagen. Beim Stichwort "Gleichbehandlung" ist es in der Regel der Themenkomplex der sexuellen Belästigung. Natürlich gehört beides zum Recht der Gleichbehandlung. Es sind aber nur Teile. In der täglichen Praxis kommt es dagegen zu Rechtsverstößen in diesem Feld, die den Unternehmen häufig nicht bewusst sind - diese können sie letztlich teuer zu stehen kommen. Wichtige gesetzliche Regelungen Die zentralen Antidiskriminierungsnormen finden sich - wenn es um die Rechte von Arbeitnehmern geht - in den Paragrafen 6 bis 18 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Das AGG verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (siehe Kasten). Das AGG bezieht sich gemäß Paragraf 2 Absatz 1 auf alle Teilbereiche des Beschäftigungsverhältnisses. Benachteiligungen aus den genannten Gründen sind unter anderem unzulässig im Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu Erwerbstätigkeit, Beschäftigung und Arbeitsbedingungen sowie sozialen Vergünstigungen. Wesentlich älter als das AGG ist der aus Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) hergeleitete Grundsatz der Gleichbehandlung. Im Arbeitsrecht wird dieser Grundsatz, der nach dem Grundgesetz nur im Verhältnis von Staat zum Bürger gilt, aus dem Fürsorgegedanken des Arbeitgebers entwickelt und verbietet es, einzelne Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen schlechterzustellen als andere Arbeitnehmer, obwohl sich beide in einer vergleichbaren Lage befinden. Kategorien der Benachteiligung Unterscheiden kann man zwischen unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen von Arbeitnehmern. Unmittelbare Benachteiligungen liegen immer vor, wenn tatsächlich einer der im AGG genannten Gründe für eine unterschiedliche Behandlung maßgeblich ist. Wird also ein Arbeitnehmer nach dem Vorstellungsgespräch mit der Begründung nicht eingestellt, er sei zu alt, handelt es sich um einen Fall der unmittelbaren Diskriminierung. Fälle der unmittelbaren Benachteiligung sind für den Arbeitgeber einfach zu erkennen und lassen sich daher meistens vermeiden. Wesentlich komplizierter und damit schwerer zu erkennen, sind die Fälle der mittelbaren Benachteiligung von Arbeitnehmern. In diesen Fällen führen scheinbar neutrale Vorschriften oder Maßnahmen dazu, dass Mitarbeiter faktisch diskriminiert werden. Klassische Fallen in der Praxis Um mögliche Fallstricke zu erkennen, lohnt es sich, die klassische arbeitsrechtliche Situation im Speditionsbereich zu betrachten. Aber auch außerhalb typischer Fallkonstellationen sollte über mögliche Benachteiligungen nachgedacht werden. - Jobausschreibung und Beförderung Alles, was im Bereich der Einstellung von Mitarbeitern gilt, gilt selbstverständlich auch für deren Beförderung. Erhält ein Mitarbeiter unternehmensintern eine neue und zumeist bessere Stellung, muss die Auswahl diskriminierungsfrei unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung erfolgen. Es könnten sonst andere Arbeitnehmer mittelbar diskriminiert werden. Aspekte der Gleichbehandlung sollten aber schon viel früher Berücksichtigung finden. Schon beim Entwurf der Stellenanzeige müssen die Worte sorgfältig gewählt werden. Sucht ein "junges, dynamisches Team" eine "zu ihm passende, freundliche Kollegin", dann hat das Unternehmen nicht nur moderne Worte gewählt, sondern auch in zweierlei Hinsicht potenzielle Bewerber diskriminiert. Zum einen liegt eine Diskriminierung von männlichen Bewerbern vor, weil auf die männliche Form verzichtet wurde und ausschließlich eine Mitarbeiterin gesucht wird. Auf der anderen Seite stellt die Formulierung "jung und dynamisch" wohl eine Altersdiskriminierung dar. - Lohn und Gehalt In Bezug auf Löhne und Gehälter wird schnell die Frage laut, ob diese im Vorstellungsgespräch oder im Rahmen von Mitarbeitergesprächen seit Inkrafttreten des AGG noch individuell aus- oder nachverhandelt werden können. Sofern das Unternehmen nicht tarifgebunden ist, muss nicht allen Arbeitnehmern einer Gruppe das gleiche Gehalt gezahlt werden. Die Verhandlung über die Entlohnung entspricht der Vertragsfreiheit und ist natürlich möglich. Vorsicht ist geboten, wo in einer unterschiedlichen Bezahlung eine Diskriminierung nach dem AGG gesehen werden kann. Erhalten etwa alle (männlichen) Mitarbeiter einer Abteilung individuell ausgehandelte und unterschiedliche Gehälter, die einzige dort angestellte Frau dagegen bei gleicher Qualifikation 30 Prozent weniger als das Durchschnittsgehalt ihrer männlichen Kollegen, liegt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nahe. Das am 6. Juli 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz bringt nur für größere Arbeitgeber weitere Verpflichtungen wie einen Auskunftsanspruch für Beschäftigte und eine Berichtspflicht zum Stand der Gleichstellung mit sich. Die grundlegende Regelung, dass Frauen und Männer bei gleicher und gleichwertiger Arbeit auch das gleiche Entgelt erhalten müssen, ergibt sich bereits aus dem AGG und aus Artikel 3 GG und wird durch das neue Entgelttransparenzgesetz lediglich konkretisiert. - Zulagen Alle genannten Grundsätze gelten neben dem Grundgehalt auch für Zulagen, Zuschläge und sonstige Vergünstigungen. Wird beispielsweise Lagerpersonal auch nachts oder am Wochenende beschäftigt, müssen Zuschläge an alle Mitarbeiter gezahlt werden - nicht nur an einige. Die Zuschläge müssen in Bezug auf die vom jeweiligen Gehalt abhängige, prozentuale Höhe gleich sein, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Die Regeln zur Gleichbehandlung gelten ferner für die Ruhezeiten von Lkw-Fahrern. Seit Mai dieses Jahres ist es auch in Deutschland verboten, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen. Auch diese Neuregelung bringt ein erhebliches Potenzial an Ungleichbehandlungen mit sich. Das Fahrpersonalgesetz schreibt jetzt vor, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht mehr im Fahrzeug oder an einem anderen Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht werden darf. Diese geeignete Schlafmöglichkeit ist leider nicht genauer definiert. Damit ist es den Unternehmen überlassen, individuelle Regeln zu treffen. Manche organisieren Shuttle-Fahrten, andere stellen Tickets für öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung oder zahlen ihren Fahrern die Übernachtung im Hotel. Im Hinblick auf die Gleichbehandlung müssen allen Fahrern die gleichen Möglichkeiten angeboten werden - also entweder muss der Arbeitgeber das gleiche Budget gewähren oder den gleichen Übernachtungsstandard sicherstellen. Auch Spesen für Auswärtstätigkeiten sind für alle im Unternehmen beschäftigten Fahrer gleich zu gestalten. Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) gilt dasselbe Prinzip. Selbstverständlich müssen nicht alle Arbeitnehmer das Angebot einer bAV annehmen. Wird diese aber gewährt, muss sie für alle Arbeitnehmer gleich sein. Insbesondere vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des Betriebsrentenstärkungsgesetzes sollten Unternehmen vermeiden, dass die Umsetzung der neuen Regelungen zu Ungleichbehandlungen im Betrieb führt. - Urlaub Gewährt ein Arbeitgeber mehr Urlaub als gesetzlich vorgeschrieben, muss er dies für alle Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit tun. Will er davon abweichen, muss er die Ungleichbehandlung begründen und rechtfertigen. Anders ist der Fall gelagert, wenn sich abweichende Regelungen beispielsweise ausschließlich auf das Alter der Arbeitnehmer stützen. Häufig kommt es vor, dass ältere Arbeitnehmer etwas mehr Urlaub erhalten als jüngere. Dass dies unzulässig ist, entschied der Europäische Gerichtshof bereits im Jahr 2011 (EuGH, Urteil vom 08.09.2011, Aktenzeichen C-297/10 und C-298/10). Es ist zwar zulässig, einen höheren Urlaubsanspruch an die Betriebszugehörigkeit zu koppeln, nicht aber an das reine Lebensalter der Mitarbeiter. Eine Ausnahme gilt laut dem Bundesarbeitsgericht für Arbeitnehmer ab Vollendung des 58. Lebensjahres. Das Gericht hielt hier eine zusätzliche Gewährung von zwei Urlaubstagen für zulässig. Schlechter- oder Besserstellung? Nach diesen Beispielen drängt sich die Frage auf, ob es erlaubt ist, einzelne Mitarbeiter durch Vergünstigungen zu belohnen. Die Antwort lautet: Das ist es. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es lediglich, Arbeitnehmer schlechterzustellen als andere. Weiterhin erlaubt ist es aber, einzelne zu begünstigen. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Man sollte sich dabei immer daran orientieren, was für die Mehrzahl der Arbeitnehmer gilt. Bekommen beispielsweise alle Arbeitnehmer ein halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld, ist es verboten, einzelnen Arbeitnehmern dieses Weihnachtsgeld zu verwehren. Einem einzelnen Mitarbeiter ein ganzes Monatsgehalt zu zahlen, bleibt allerdings erlaubt. In Ausnahmefällen ist es möglich, dass eine Ungleichbehandlung von eigentlich gleichgestellten Arbeitnehmern zulässig ist. Dies bedarf immer einer besonderen Rechtfertigung, also eines nicht willkürlich erscheinenden Grundes. Es empfiehlt sich dringend, die Prozesse in Ihrem Unternehmen auf Ungleichbehandlungen zu überprüfen und Verstöße abzustellen. Dies bedeutet zunächst Arbeit. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet mit dem Gleichbehandlungscheck und dem Entgeltgleichheitscheck wirksame und einfache Analyseinstrumente an. Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen ersparen sich durch die Überprüfung nicht nur im Einzelfall den Gerichtsprozess, sondern - und das ist oft noch viel wichtiger - Sie vermeiden es, Mitarbeiter zu verprellen. Auch ein möglicher Imageschaden ist nicht zu unterschätzen. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich niemand mehr leisten, als schlechter Arbeitgeber zu gelten. Den Betriebsfrieden erhalten Sie gratis dazu. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Arbeitsrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers AGG Das steht in Paragraf 1: Das Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen aus Gründen- der Rasse- der ethnischen Herkunft- des Geschlechts- der Religion oder Weltanschauung- einer Behinderung- des Alters oder- der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. sab Mitarbeiter-Bezahlung Das Entgelttransparenzgesetz regelt im Wesentlichen: - das Gebot der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer bei gleicher und gleichwertiger Arbeit,- einen individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftigte in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 Beschäftigten,- die Aufforderung an private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, ihre Entgeltstrukturen zu überprüfen,- eine Berichtspflicht zum Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit für lageberichtspflichtige Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten. sab

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