Wassergefährdende Stoffe

Wassergefährdende Stoffe Zwischen Hoffen und Bangen Noch ist nichts in trockenen Tüchern. Doch die Unsicherheit in der Verkehrs- und Logistikwirtschaft wächst. Hintergrund ist die geplante „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wasergefährdenden Stoffen“ (AwSV) des Bundesumwelt-ministeriums. An der geplanten „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (AwSV) scheiden sich in der Transport- und Logistikwelt derzeit die Geister. Und dies, obwohl die Regelungen noch nicht einmal beschlossen sind. So begrüßt Norbert Müller, Weltgefahrgutbeauftragter von DB Schenker in Essen, den jüngsten Vorstoß des Bundesumweltministeriums: „Damit gibt es endlich bundesweit einheitliche Regeln“. Thomas Hailer, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums (DVF) in Berlin, schlägt derweil Alarm: „Für jedes der 150 bestehenden KV-Terminals rechnet die Branche mit einem Umrüstungsaufwand in Millionenhöhe.“ Insgesamt könne sich dies also durchaus zu einem „dreistelligen Millionenbetrag“ summieren. Die Mehrinvestitionen für die KV-Unternehmen könnten so belastend werden, so Hailers Sorge, dass dies das zarte Pflänzchen „Kombinierter Verkehr“ zunichte machen könnte. Ziel der AwSV ist Schutz der Gewässer Hintergrund der aktuellen Diskussionen ist die geplante „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (AwSV), die das Bundesumweltministerium derzeit erarbeitet. Ziel der AwSV ist es, heißt es in der Begründung des Entwurfs, „die bislang geltenden Länderverordnungen über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen abzulösen. Damit werde „die seit Langem von der betroffenen Wirtschaft geforderte Vereinheitlichung des Anlagenrechts zum Schutz der Gewässer geschaffen“. Und wie es aussieht, dürfte die Verkehrs- und Logistikbranche nach derzeitigem Stand von der geplanten Verordnung stärker betroffen sein, als viele Unternehmen derzeit wissen. So bezieht der derzeitige AwSV-Entwurf alle Betreiber von Umschlaganlagen ein, also beispielsweise auch Umschlagbetriebe im Bereich Kombinierter Verkehr (KV). Inkludiert sind aber auch „Betreiber von Speditionsanlagen, in denen das absolute Aufkommen von Gebinden mit wassergefährdenden Stoffen geringt ist“, führt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) aus (siehe nebenstehendes Interview). So versteht der Paragraf 2 der AwsV „Umschlagen“ als „das Laden und Löschen von Schiffen sowie das Umladen von wassergefährdenden Stoffen in Behältern oder Verpackungen von einem Transportmittel auf ein anderes.“ Zum Umschlagen gehört aber auch – hier wird es für Speditionen interessant – nach dem derzeitigen Verordnungsentwurf „das vorübergehende Abstellen von Behältern oder Verpackungen mit wassergefährdenden Stoffen in einer Umschlaganlage im Zusammenhang mit dem Transport“. Das vorübergehende Abstellen gehört demnach also zum Umschlagen und nicht zum Lagern; das war bei den Überwachungsbehörden lange strittig gewesen. Der Pflichtenkatalog der von der Verordnung betroffenen Unternehmen ist lang – zumindest nach dem vorliegenden Entwurf (Stand 12. Dezember 2012). Sie müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass ihre „Umschlagflächen von Umschlaganlagen für wassergefährdende Flüssigkeiten undurchlässig“ sind“, weiß Norbert Müller von DB Schenker. Allerdings sei dies nichts Neues, betont er. Das größte Problem aus Sicht von Speditionen sind aber laut Huster „die möglicherweise geforderten Löschwasser-Rückhaltevorrichtungen“, mit denen laut Müller künftig neue und unter Umständen alte Umschlaganlagen ausgestattet werden müssten. Würde dies so umgesetzt, so Huster, würde es für Spediteure „teuer“ werden. Gefährdungspotenzial selbst einstufen Problematisch ist laut Huster zudem, „dass auch Stückgutspeditionen künftig eine Selbsteinstufung des Gefährdungspotenzials vornehmen müssen.“ Dies sei angesichts der täglich variierenden Umschlagmengen kaum realisierbar. Zumal die Wassergefährdungsklasse (WGK) für den Transport nicht deklarationspflichtig ist. „Die Firmen müssen also stets von der höchsten Wassergefährdungsklasse 3 ausgehen, wenn sie nicht nur vereinzelt solche Sendungen haben“, betont Norbert Müller von DB Schenker. So heißt es im Verordnungsentwurf: „Solange Stoffe und Gemische nicht nach Maßgabe dieses Kapitels 2 oder nach § 66 eingestuft sind, gelten sie als stark wassergefährdend“. „Und genau davon muss ein Umschlagbetreiber immer ausgehen, wenn er nicht nur selten Gebinde mit wassergefährdenden Stoffen umschlägt“, sagt Müller. Damit nicht genug: Mit der Selbsteinstufung der Wassergefährdung sind zudem umfangreiche Dokumentationspflichten für Spediteure verbunden. Dazu kommt, „dass die betroffenen Unternehmen bei Inkraftsetzung der Verordnung „mit umfangreichen Kontroll- und Prüfpflichten konfrontiert werden, die den Mittelstand überfordern und damit den Weg für ein breit angelegtes ,Zertifizierungs- und Beratungsunwesen‘ öffnen“, warnt Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Welche der genannten Ausführungen aber tatsächlich am Ende auf die Betreiber von Umschlaganlagen zukommen, wird sich weisen. Das Bundesumweltministerium äußerte sich auf Anfrage nicht. Eine Sprecherin gegenüber der VerkehrsRundschau wörtlich: „Die interne Ressortabstimmung zu der genannten Verordnung ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb gibt es noch keine abschließenden Festlegungen.“ Was sie nicht sagte, hinter vorgehaltener Hand aus Berlin aber zu hören ist: Kollegen anderer Ministerien, etwa aus dem Bundesverkehrs- und dem Bundeswirtschaftsministerium, sollen den derzeitigen Verordnungsentwurf in bestimmten Punkten kritisch sehen. Die Fronten seien „verhärtet“, will ein Kenner der Berliner Politszene wissen. Auch dazu wollten sich die Ministerien auf Anfrage nicht äußern. Fakt ist auch, dass der Bundesrat der Verordnung noch zustimmen muss. Bleibt schlussendlich nur eines: Die Hoffnung auf eine schnelle Einigung – im Sinne der Unternehmen, aber auch im Sinne der Umwelt. ❙❚■ Eva Hassa Glossar Wassergefährdende Stoffe Das Bundesumweltministerium in Berlin erarbeitet derzeit eine neue „Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (AwSV). Diese soll die bisherigen Landesverordnungen in diesem Bereich ablösen. Wassergefährdende Stoffe sind nach der derzeitigen Definition des § 2 Absatz 2 des Verordnungsentwurfs „feste, flüssige und gasförmige Stoffe und Gemische, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen, und die nach Maßgabe von Kapitel 2 als wassergefährdend eingestuft sind oder als wassergefährdend gelten. Es gibt demnach drei Wassergefährdungsklassen für wassergefährdende Stoffe: Wassergefährdungsklasse 1 (schwach wassergefährend) Wassergefährdungsklasse 2 (deutlich wassergefährdend) Wassergefährdungsklasse 3 (stark wassergefährdend) Unter http://webrigoletto.uba.de/rigoletto/public/welcome.do finden sich im Internet alle amtlich eingestuften wassergefährdenden Stoffe; das sind rund 8000. eh Stückgutspeditionen sollen künftig eine Selbsteinstufung des Gefährdungspotenzials vornehmen „Die betroffenen Firmen müssen stets von der höchsten Wassergefährdungsklasse 3 ausgehen“ Norbert Müller, Weltgefahrbeauftragter DB Schenker Interview Wichtig: Ausreichende Übergangsfristen Was auf Betreiber von Speditionsanlagen durch die AwSV zukommen könnte, sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV. Das Bundesumweltministerium erarbeitet derzeit eine neue Verordnung über „Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (AwSV). In welchen Bereichen sehen Sie konkret Nachbesserungsbedarf? Frank Huster: Gleich vorneweg: Wir begrüßen eine bundesweit einheitliche Verordnung, die individuelles Landesrecht ersetzt. Problematisch ist aber die Lesbarkeit des derzeitigen Entwurfs. Tätigkeiten wie „Lagern, Umschlagen, Umladen und Umfüllen“ sind nicht eindeutig voneinander abgegrenzt. Dadurch werden die Anforderungen zum Teil widersprüchlich, insbesondere für Betreiber von Speditionsanlagen, in denen das absolute Aufkommen von Gebinden mit wassergefährdenden Stoffen gering ist. Zudem wird in einzelnen Paragrafen sehr umständlich auf andere Paragrafen verwiesen. Selbst für Juristen ist es schwierig, diese Rechtsmaterie zu durchdringen. Welche Unternehmen sind überhaupt von der neuen Verordnung betroffen? Betroffen sind alle Anlagen, in denen mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird, darunter Unternehmen, die diese Stoffe umschlagen. Das ist nicht grundsätzlich neu, denn das regelte bereits das geltende Wasserrecht der Bundesländer. Der Vollzug geschah aber bislang uneinheitlich. Die Frage ist nur, ob die Anforderungen grundsätzlich auch für Stückgut-Umschlaganlagen gerechtfertigt sind, die nur Gebinde mit wassergefährdenden Stoffen in vergleichsweise geringen Mengen umschlagen. Was steht jetzt für die Unternehmen an? Nach derzeitigem Stand des AwSV-Entwurfs müssen Umschlaganlagen über flüssigkeitsundurchlässige Böden verfügen und mobile Auffangbecken für die jeweils größten Gebindegrößen vorhanden sein. Das ist aus unserer Sicht weniger das Problem. Dafür sind viele Speditionen gerüstet. Problematisch ist dagegen, dass auch Stückgutspeditionen künftig eine Selbsteinstufung des Gefährdungspotenzials vornehmen müssen. Dies ist angesichts der täglich variierenden Umschlagsmengen kaum realisierbar, weder für KV-Terminal-Betreiber noch für Stückgutspediteure. Die Wassergefährdungsklasse (WGK) ist für den Transport allerdings nicht deklarationspflichtig. Umschlagbetriebe müssen da stets von der höchsten Wassergefährdungsklasse 3 ausgehen, auch wenn sie nur vereinzelt solche Sendungen umschlagen. Und was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem für Speditionen? Das sind die möglicherweise geforderten Löschwasser-Rückhaltevorrichtungen für alle Tore. Würde dies so umgesetzt, würde es für Spediteure teuer werden. Was fordern Sie konkret vom Bundesumweltministerium? Auf jeden Fall ausreichende Übergangsfristen für die Nachrüstung von Anlagen. Für wie wahrscheinlich halten Sie, dass die Verordnung noch vor Ende der Legislaturperiode in Kraft tritt? Zumindest hat Bundesumweltminister Altmaier das Wasserrecht in seinen Zehn-Punkte-Plan aufgenommen. Allerdings liegt noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor, und Bundeswirtschafts- und Bundesverkehrsministerium haben deutliche Bedenken gegen die AwSV. eh Wie sich Spediteure für die AwVS rüsten können Lfd. Nr. Fragen zu bestehenden Umschlaganlagen Nein Aktion falls nein: 1 Schlagen Sie in Ihrer Anlage Gebinde mit wassergefährdenden Flüssigkeiten mit einem Volumen von jeweils > 220 l (z.B. IBC) um? ( ) Gute Nachricht: Sie sind von der AwSV überhaupt nicht betroffen! 2 Falls ja und WGK 3: Ist Ihre Anlage bei der Unteren Wasserbehörde bereits angezeigt worden? ( ) Sie müssen die Anlage nachanzeigen! 3 Falls WGK 3: Wird die Anlage alle 5 Jahre durch einen WHG-Sachverständigen geprüft? ( ) Veranlassen Sie die Prüfung durch einen WHG-Sachverständigen! 4 Ist die Fläche Ihrer Anlage undurchlässig für auslaufende Flüssigkeiten? ( ) Lassen Sie es durch einen WHG-Sachverständigen feststellen! 5 Ist die Anlagendokumentation erstellt? ( ) Erstellen Sie die Anlagendokumentation! 6 Kann in Ihrer Anlage Löschwasser zurückgehalten werden? ( ) Sie müssen Ihre Anlage nur nachrüsten, wenn die Untere Wasserbehörde es ausdrücklich anordnet! Quelle: Norbert Müller, globaler Gefahrgutbeauftragter von DB Schenker in Essen Die Kontroll- und Prüfpflichten nach dem derzeitigen AwVS-Entwurf überfordern den Mittelstand