Herr Grassl, warum reden nun alle über 3D-Druck?
Wolfgang Grassl: 3-D-Druck oder wie wir sagen Additive Manufacturing ist etwa in der Flugzeug- oder Automobilindustrie beim Thema Prototyping schon seit 15 Jahren im Einsatz, die Grundtechnologie hat sich bis heute nicht geändert. Mittlerweile sind jedoch die Kosten etwa beim Material günstiger, so dass der Einsatz attraktiver geworden ist. Dank der Skaleneffekte schwappt das Thema nun auch auf andere Bereiche über. Der Hype allerdings zurzeit ist eher vom Consumer-Bereich getrieben.
Bewegen wir uns bei Additive Manufacturing noch im Experimentierbereich oder schon in der industriellen Fertigung?
Mittlerweile werden nicht mehr nur Prototypen gebaut, heute gehen wir schon in den Bereich der Kleinserien-Fertigung und Serie.
Welche Auswirkungen könnte der 3D-Druck auf die Logistik haben?
Für die Logistik könnte diese neue Technologie sehr dramatische Auswirkungen haben, wenn man sich etwa das Ersatzteilwesen anschaut. Schon heute werden in der Automobil- oder Flugzeugindustrie Ersatzteile am Nutzungspunkt gedruckt und nicht mehr per Nachtsprung durch die Welt transportiert. In Krisensituationen müsste man einen Riesenaufwand betreiben, um etwa triviale Schrauben von A nach B zu transportieren. Das alles könnte in Zukunft wegfallen, mit allen damit verbundenen Verwerfungen für Transport- und Logistikdienstleister. Jeder Anbieter wird sich in Zukunft überlegen: Lohnt sich der Aufwand, fehlende Teile über Nacht per Transportdienstleister anliefern zu lassen oder spare ich Geld, wenn ich mir die Komponenten selber ausdrucke? Global gesehen bedeutet das, dass die Mengen, die durch Dienstleister gefahren werden, sinken werden. Das sind unsere Erkenntnisse aus den ersten Projekten zu dem Thema.
Diese Drucker könnten ja beim Hersteller, beim Kunden, aber auch bei einem regionalen Zwischenhändler, der ein Transportdienstleister sein könnte, stehen.
Alles ist denkbar. Unternehmen, die auf Null-Stillstand-Zeiten setzen, werden sich selbst solche Maschinen anschaffen. Aber natürlich ist auch denkbar, dass über ein System von lizenzierten Partner in jeder Region Druckerpools entstehen, die auch Dienstleister betreiben könnten. Das ist aber sicher nur etwas für große Anbieter. Diese müssen sich auf jeden Fall mit dem Thema beschäftigen, sonst läuft das Geschäft in Zukunft ohne sie.
Was verändert sich beim Thema Lager?
Das Thema Verfügbarkeit wird in Zukunft kein Thema mehr sein. Auch die langsam drehenden Teile, die bisher selten sofort verfügbar waren, wären dank dieser Technologie in wenigen Stunden einsatzbereit. Das ganze Thema Lager muss neu gedacht werden (positive Auswirkung auf Working Capital).
Wie ist denn der Trend, machen es die Hersteller selber oder lagern sie es aus an Dienstleister?
Das untersuchen wir gerade, hier gibt es noch keine klaren Trends. Wer kritische Massen hat, der macht es ganz sicher im Haus. Alle andere müssen überlegen, ob man es rausgibt oder nicht.
Wie siehts eigentlich mit der Gewährleistung aus?
Hier ist noch nichts geklärt, der juristische Aspekt ist ein sehr großes Thema beim 3D-Druck. Die Technologie ist weiter als der Gesetzgeber und die Unternehmen (Intelectual Property heißt das Zauberwort).
Stehen wir vor einer Revolution der Supply Chain?
Die Supply Chain wird wesentlich kürzer werden. Auch Bauteile, die aus Kostengründen und hohem Aufwand in Drittstaaten produziert werden, könnten in Zukunft wieder mit solchen Technologien im Heimatland produziert werden. Das wäre eine Insourcing -Rückverlagerung, durch das natürlich weniger Transporte anfallen werden.
Das Interview führte VR-Redakteur Tobias Rauser
Einen ausführlichen Beitrag zum Thema 3D-Druck ist in Ausgabe VR 36/2014 der VerkehrsRundschau erschienen. Premium- und Online-Abonnenten der VerkehrsRundschau können den Beitrag auch online als E-Paper lesen.