Warten auf Tag X

Zeitpunkt und Ablauf des Brexits sind weiterhin ungewiss. Am Ärmelkanal, wo bis zu 17.000 Lkw täglich die britisch-französische Grenze via Fährhafen oder durch den Eurotunnel passieren, ist längst der Krisen-Modus aktiv. Schließlich ist der EU-Austritt nur bis 12. April oder 22. Mai vertagt (siehe Kasten) und Großbritannien ohne Übergangsabkommen künftig ein Drittstaat. Sowohl auf britischer als auch auf französischer Seite sind die Vorbereitungen auf ein ungeregeltes Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU weitestgehend abgeschlossen.Neue Leitsysteme in Dover und CalaisAuf der M 20, der wichtigsten Autobahn zwischen London und Dover, gibt es jetzt ein Notfallkonzept, das längeren Lkw-Staus aufgrund aufwendigerer Zollabwicklungen entgegenwirken soll. Die Hafenbehörde in Dover hat errechnet, dass eine Zollabfertigung, die pro Lkw nur zwei Minuten länger dauert, schon zu einem Rückstau von bis zu 30 Kilometern führen könne. In London schätzt man, dass über die Route Calais-Dover bei einem Brexit ohne Abkommen nur 12 bis 25 Prozent der üblichen Kapazität zu schaffen sein werden. Falls es infolge eines ungeregelten Brexits zu langen Lkw-Staus auf den wichtigen Zufahrtsstraßen zum Fährhafen Dover und zum Eurotunnel kommt, tritt die Operation Brock künftig in Kraft. Das neue Verkehrsleitsystem sieht vor, dass eine Fahrtrichtung der M 20 teilweise geschlossen werden kann, um sie als Parkbereich für Lkw zu nutzen. Betroffen ist der Abschnitt zwischen den Anschlussstellen Maidstone und Ashford. Auf der Gegenfahrbahn in Richtung London soll der Verkehr dann auf jeweils zwei Spuren in beiden Richtungen fließen. Zusätzlich soll der ehemalige Flughafen Manston im Notfall als Parkfläche für bis zu 6500 Lkw dienen. Falls erforderlich, kann auch die M 26 für weitere Abstellmöglichkeiten geschlossen werden. Auf der anderen Seite, im französischen Calais, fertigten Zöllner im März die Lkw durch den Tunnel und über die nach Großbritannien führenden Fähren besonders langsam ab, um die möglichen Folgen eines harten Brexits aufzuzeigen und gegen die Personalnot zu protestieren. Aufgrund der Aktion hatten sich kilometerlange Lkw-Staus auf der A 16 zur Zufahrt zum Kanaltunnel und zur Hafeneinfahrt in Richtung Fährterminal gebildet.Genau dort baut Getlink, die Betreibergesellschaft des Eurotunnels, derzeit ein neues Zollgebäude für die Lkw-Abfertigung. Insgesamt hat das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren rund 15 Millionen Euro in die Infrastruktur investiert - unter anderem für zusätzliche Parkplätze und Flächen für Grenzkontrollen. Parallel dazu ist ein neues Verkehrsleitsystem für Lkw eingeführt worden, die in Calais ankommen. Der Tunnelbetreiber trennt dabei diejenigen, die ihre Fahrt ohne Kontrollen fortsetzen dürfen, von denen, die kontrolliert werden müssen. Bei Getlink ist man insgesamt zuversichtlich, größere Störungen im Warenverkehr abwenden zu können. Sämtliche Dokumente - Lieferscheine, Ausfuhrdokumente, Genehmigungen, Lizenzpapiere - würden am Eurotunnel gescannt, sagte ein Sprecher des Unternehmens der "Wirtschaftswoche". Seien die Dokumente vollständig, bekomme der Fahrer binnen Minuten freie Fahrt. Falls nicht, müsse er auf eine neu eingerichtete, orange markierte Spur. Die führt in einen Bereich, wo die Papiere von bis zu 100 Lkw parallel inspiziert werden könnten.Deutscher Zoll ist gelassenAuch der deutsche Zoll sieht sich gerüstet. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat mehrfach bekräftigt, man sei auf alle möglichen Szenarien vorbereitet. Im Fall eines No-Deal-Brexits kämen keine neuen und außergewöhnlichen Aufgaben auf den Zoll zu, sagte er kürzlich. "Allein, dass es sich um Großbritannien handelt, ist neu." Um die Mehrarbeit bei der Kontrolle und Abfertigung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs bewältigen zu können, sind im Staatshaushalt für dieses Jahr 900 zusätzliche Stellen bewilligt, die sukzessive die Verwaltung bundesweit verstärken sollen - 400 davon an den Zollübergängen.Die Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher, betonte, dass kurzfristig das Personal flexibel innerhalb von Deutschland eingesetzt werden müsse. Besonders betroffene Bereiche wie Flughäfen oder Seehäfen sollen bei einem harten Brexit mehr Personal bekommen. Das Zollamt am Flughafen Leipzig stellt sich allein auf 18.000 zusätzliche Zollanmeldungen pro Woche bei DHL ein, sagte Leiter Hans-Peter Rabenau. Bei derzeit 40.000 Anmeldungen sei das ein Plus von fast 50 Prozent. Die 150 Zöllner sollen dort im Sommer um 30 Mitarbeiter verstärkt werden.Auch Frankreich, Belgien und die Niederlande sind dabei, jeweils Hunderte Zollmitarbeiter zusätzlich einzustellen. Nach EU-Angaben sind 20 neue Grenzkontrollpunkte für Warentransporte aus Großbritannien eingerichtet worden. Sie befinden sich in Frankreich, Belgien und den Niederlanden sowie in Irland, Spanien und Dänemark.EU-Lizenzen vorerst weiterhin gültigDie EU hat befristete Maßnahmen erlassen, mit denen im Falle eines harten Brexits das grundlegende Funktionieren des Luftverkehrs sowie des Güterverkehrs auf Straße und Schiene sichergestellt werden. Um ein Chaos zu verhindern und größeren Schaden von den Wirtschaftsbeteiligten abzuwenden, gelten bis zum Jahresende Sonderregelungen für den Transport. Demnach dürfen Fuhrunternehmen mit EU-Gemeinschaftslizenz weiterhin Güter zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich transportieren. Voraussetzung ist, dass Großbritannien die gleichen Rechte einräumt. Lediglich bei Kabotagefahrten gibt es Unterschiede: Während EU-Transportunternehmen im UK wie bisher drei Beförderungen innerhalb von sieben Tagen durchführen dürfen, sind Einschränkungen für britische Transportunternehmen vorgesehen. Gemäß der EU-Übergangsverordnung bleiben die sozialen und technischen Vorschriften für Fahrer beziehungsweise Fahrzeuge vorerst in Kraft.Wie geht es weiter?Mögliche Brexit-Szenarien- Ungeordneter Brexit: Wenn das britische Parlament den Austrittsvertrag bis 12. April nicht verabschiedet und sich bis dahin auch keine Alternative ergibt, scheidet Großbritannien ohne Abkommen aus der EU aus.- Geordneter Brexit: Beschließt das britische Parlament den Ausstiegsvertrag vor dem 12. April, tritt Großbritannien mit Abkommen am 22. Mai aus der EU aus. Bis Ende 2020 gilt dann eine Übergangsphase, in der alles beim Alten bleibt.- Erneutes Brexit-Referendum: Einer Verlängerung der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens über den 12. April hinaus könnte die Europäische Union nur mit der gleichzeitigen Ansage eines zweiten Referendums stattgeben. Die britische Regierung teilte aber bereits mit, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt. dpa/ag

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

Alle Schlagzeilen

Warten auf Tag X

HASHTAG

#Großbritannien

EU-Kommission warnt Unternehmen vor Zollkontrollen bei hartem Brexit

Hafen Calais fühlt sich für den Brexit gerüstet

Prognose: Wachstum im Handel verliert an Dynamik

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

Who is Who Logistik: Themen und Trends für 2025

STELLENANGEBOTE

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Area HR Business Partner

WEITERLESEN

NEWSLETTER