Wachstum im Westen

Axel Mattern und Ingo Egloff hatten auf Pressekonferenzen schon mehr Spaß. Auf der Halbjahreskonferenz im Hamburg mussten die beiden zuletzt erfolgsgewohnten Vorstände von Hafen Hamburg Marketing der Presse einen Rückgang des Umschlagergebnisses bei den Containern in einer Größenordnung von 6,8 Prozent im ersten Halbjahr 2015 erklären. Und das in einem Markt, der - Zeebrügge und Wilhelmshaven eingeschlossen - um ein Prozent zugelegt hat. Die Erklärung der Hamburger war stichhaltig: Die zwei wichtigsten Handelspartner des Hamburger Hafens im Containergeschäft, China und Russland, schwächeln beide. So ging der Umschlag mit China um 10,9 Prozent zurück, der mit Russland sogar um 35,9 Prozent. Einen dritten Punkt sprachen Mattern und Egloff deutlich vorsichtiger an: Die Verluste Hamburgs sind auch ein Resultat der Neuordnung der großen Fernost-Allianzen. So verlor Hamburg beim Transshipment-Umschlag, also den Containern, die auf andere Schiffe umgeladen werden, fast 20 Prozent seiner Mengen, während der Umschlag auf Bahn, Lkw und Binnenschiff um 2,3 Prozent wuchs. Die Containertrucker und die Eisenbahnoperateure am Standort Hamburg müssen also nicht um ihr Geschäft zittern. Die Schiffe kommen nach wie vor - allerdings bringen sie weniger Ladung mit, die in Hamburg auf Feederschiffe umsteigt. Großer Gewinner des ersten Halbjahrs 2015 ist der Hafen Antwerpen mit einem Plus von 9,5 Prozent - im Containergeschäft ist das eine kleine Revolution. Damit löste Antwerpen Hamburg als zweitgrößten Containerhafen Europas ab. "Die Bewegung bei den Reeder-Allianzen war eindeutig vorteilhaft für Antwerpen", analysiert Luc Arnouts, kaufmännischer Geschäftsführer des Port of Antwerp im Gespräch. Fernostmengen treiben Antwerpen Interessanterweise besserten besonders die Fernostmengen die Bilanz von Antwerpen auf - genau der Trade, in dem Hamburg Verluste hinnehmen musste. Ein wesentlicher Faktor war die Strategie der 2M-Allianz, in der die weltgrößten Reedereien Maersk und MSC zusammenarbeiten. MSC verlegte seine Aktivitäten im Fernostgeschäft von der rechten auf die linke Schelde-Seite in das Deurganckdok und nutzt dieses Hub offenbar intensiv für Transshipment, aber auch für Hinterland-Mengen. Laut Arnouts wird die Großreederei im zweiten oder dritten Quartal 2016 komplett auf die linke Schelde-Seite ziehen. Dem Vernehmen nach soll auch eine zweite Allianz in Antwerpen kräftig zulegt haben: Die Ocean 3 Allianz, in der CMA CGM, China Shipping und die arabische UASC kooperieren. Alle drei Reedereien sind auch gute Hamburg-Kunden. Einbruch verstärkt die Nervosität Verglichen mit Antwerpen unspektakulär ist dagegen das Wachstum des Marktführers Rotterdam, der 3,5 Prozent gewann. Angesichts der Eröffnung von hochmodernen Anlagen auf der Maasvlakte 2 waren Steigerungen im Containerumschlag in mindestens dieser Größenordnung erwartet worden. Mit einem Minus von 3,5 Prozent müssen die Bremischen Häfen leben. Neben der allgemeinen wirtschaftlichen Situation mussten sie einen schweren Unfall im North Sea Terminal Bremerhaven verdauen, der vorübergehend die Umschlagkapazitäten reduzierte. Zudem gerieten die Terminals in Bremerhaven in den Sog des Nachbarterminals in Wilhelmshaven, der mit 200.000 TEU erstmals wahrnehmbar auf der Landkarte der Containerterminals auftauchte. Zumindest ein deutscher Hafen hat im ersten Halbjahr 2015 von dem Wachstum in den Westhäfen profitiert. Das im Hinterland von Rotterdam und Antwerpen gelegene Duisburg legte um zehn Prozent auf 1,8 Millionen TEU zu. Der Rheinhafen gehört zu den wichtigsten Gateways für die beiden Westhäfen für Mengen, die für Ziele in Deutschland, aber auch für andere Destinationen in Europa bestimmt sind. In Hamburg verstärkt der Einbruch die Nervosität im Hinblick auf die Elbvertiefung, die immer noch beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hängt. Das Halbjahresergebnis zeigt laut Mattern, wie wichtig es ist, die noch ausstehende Fahrrinnenanpassung zur besseren Abfertigung besonders großer Schiffe zu realisieren. Dies würde dazu beitragen, dass weiterhin Transshipmentladung in großen Mengen nach Hamburg kommt und nicht in anderen Nordrangehäfen umgeschlagen wird. "Ein besonders großes Containerschiff könnte nach einer Fahrrinnenanpassung einkommend und ausgehend bis zu 1800 beladene Container (TEU) mehr transportieren", rechnete der HHM-Vorstand vor. Hintergrund ist: Die Anzahl der besonders großen Containerschiffe (ULCS) stieg im ersten Halbjahr 2015 weiter an. Von Schiffen mit bis zu 13.999 TEU Stellplatzkapazität wurden in Hamburg 255 Anläufe (+18 Prozent) und über 14.000 TEU Stellplatzkapazität 53 Anläufe (+96 Prozent) registriert. "Wir befinden uns vor dem Hintergrund neuer Umschlagkapazitäten in der Nordrange in einem intensiven Wettbewerb mit Großhäfen wie Rotterdam und Antwerpen. Dabei beobachten wir, dass ein insgesamt schwächelnder Containerumschlag und vereinzelte Direktdienste in die Ostseeregion diesen Wettbewerb noch zusätzlich erhöhen", analysiert Mattern. Nach Maersk bietet nun auch die G6-Allianz Großschiffanläufe in die Ostsee - dem angestammten Zielgebiet für Transshipment-Verkehre ab Hamburg. Pikant: Am G6-Mitglied Hapag-Lloyd ist die Stadt Hamburg beteiligt. Kleiner Trost für den Hafen Hamburg: Die aktuelle Entwicklung entkräftet die Forderung der Grünen nach einem Nationalen Hafenkonzept, das die Anläufe von großen Containerschiffen auf den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven konzentrieren soll. Die Halbjahreszahlen zeigen: Letztlich entscheiden die Reeder, welche Häfen ihre Schiffe nutzen. Und es bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass die Mengen, die Hamburg verliert, nicht primär in Wilhelmshaven landen, sondern in den Westhäfen. In einem Punkt sind sich die Experten einig: Im zweiten Halbjahr wird sich die Marktanteilsentwicklung in der Nordrange etwas beruhigen. "Die Entwicklung bei uns wird nicht so weitergehen", sagt Antwerpens CCO Arnouts. Die Schwäche im Fernostverkehr, die sich in Streichung von Abfahrten zeigt, verschont auch Antwerpen nicht. "Wir rechnen damit, dass wir uns ähnlich wie die anderen Häfen entwickeln", sagt er. "Ein Plus von vier bis sechs Prozent im Gesamtjahr wäre ein phantastisches Ergebnis". Solche Zahlen wird man an der Elbe nicht erreichen. Für Hamburg lautet die Prognose neun Millionen TEU - das wäre ein Minus von rund sieben Prozent. Mehr zum Thema im Dossier Seefracht & Häfen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Diese Trends beeinflussen das Geschäft Großwetterlage in der Nordrange - Die Kapazitäten in den Häfen sind deutlich gestiegen. Die Maasvlakte 2 in Rotterdam und der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven mischen im Kampf um Kunden kräftig mit.- Durch nachlassende Exporte aus China und die anhaltende Russland-Krise schwächelt hingegen die Mengenentwicklung. Der Hafenwettbewerb verschärft sich.- Die Bildung von Allianzen in der Fernostfahrt sorgt für eine Bündelung von Mengen und eine Steigerung der Nachfragemacht gegenüber den Häfen. Bisher haben die Allianzen offenbar vor allem im Geschäft mit Transshipment-Containern zu Verschiebungen geführt.- Für Feederverkehre in die Nord- und Ostsee haben sich seit Januar die Schwefelemissionsgrenzwerte verschärft. Dies verteuert die Feederverkehre und macht tendenziell Direktanläufe von Großschiffen in die Ostseehäfen interessanter. Göteborg und Danzig profitieren davon. Bisher haben indes die sinkenden Ölpreise verhindert, dass es im Ostseeraum wesentliche Verlagerungen gibt.- Die Lage im Hinterlandverkehr ist offenbar relativ stabil. In Hamburg sind die Lkw- und insbesondere die Bahnmengen gestiegen. Die Allianzen haben hier offenbar keine Auswirkungen gebracht. hel

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