Vielversprechender Vorbote

Nissans neuer NP300 Navara hat schwer zu tragen: Im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Einerseits soll er mehr Nutzlast schultern als sein Vorgänger, andererseits ist er der Vorbote des neuen Pickup-Trios, zu dem der Renault Alaskan und eine Daimler-Version stoßen werden, die sich beide viel deutlicher von ihrem "Spenderfahrzeug" unterscheiden werden als das Fiats Fullback vom Mitsubishi L200 tut. Entsprechend üppig hat Nissan den Neuen ausstaffiert. Immerhin federt die Doppelkabine der Pickup-Version (nicht des Fahrgestells) hinten mit Schraubenfedern, was neu ist im Segment. Auch Aerodynamik und Wendekreis will Nissan optimiert haben: Von Bordstein zu Bordstein soll der NP300 Navara wie der Mitsubishi L200 11,8 Meter brauchen, während es bei der längeren Doka bis 13,1 Meter werden. Dazu wurde auch der Radstand minimal auf 3,15 Meter gekürzt. Mitgemacht hat der NP300 leider auch das Größenwachstum: Die King-Cab startet als Chassis bei 5,12 Metern, der King-Cab-Pickup misst 5,22 Meter und die Doka streckt sich auf innenstadt-untaugliche 5,30 bis 5,33 Meter. Hubraumseitig rüstet Nissan dafür ab. Aus dem Renault Master kennt man den 2,3-Liter-Diesel, der einfach oder doppelt aufgeladen 160 oder 190 PS leistet und 403 respektive 450 Newtonmeter Drehmoment bietet und bereits mit samtigem Lauf und sparsamem Spritkonsum auffiel. Dazu dürfte auf schnellen Autobahnpassagen auch die optimierte Aerodynamik beitragen: Aus den versprochenen 6,4 bis 7,6 Litern nach Norm-Schnitt dürfte in der Realität ein Wert um die acht Liter werden, womit der Navara im Vergleich wieder vorne mitführe. Dabei hilft ihm auch die Sechsgang-Handschaltung respektive Siebengang-Wandlerautomatik, die längere Endübersetzungen erlauben als die Fünfgangboxen des Vorgängers. Die Anhängelast zog Nissan auf üppige 3,5 Tonnen hoch, wobei das Gesamtzuggewicht mit sechs Tonnen nicht allzu viel Ladespielraum nach oben lässt - trotzdem fährt er damit schon den großen US-Pickups vom Schlage eines Ram 1500 an den Karren, die bisher gerade wegen ihrer Anhängelast gekauft wurden. Großer Sprung beim Antriebsstrang Wie fährt sich der neue NP300 Navara gegenüber dem Vorgänger und den Konkurrenten? Auf jeden Fall deutlich entspannter und sanfter: Beide Motoren stellen unbeladen mehr als genug Kraft bereit, die markentypisch dezent entfaltet wird. Den größten Sprung gegenüber dem Vorgänger machte erwartungsgemäß die 190-PS-Doka mit Siebenstufenautomatik und schraubengefederter Hinterachse: Erstens findet sie jetzt praktisch immer die passenden Gänge, die außerdem entsprechend dezent gewechselt werden, und zweitens federt sie vor allem ohne Fracht deutlich sanfter als die blattgefederten Konkurrenten und die sogenannte King Cab, die hinten ebenfalls weiter blatt- und damit etwas "platt"-federt. Motorisch war der sämige 2,3-Liter also die richtige Entscheidung: Reale Verbrauchswerte werden wir in einem separaten Test noch ermitteln. Offroad "dreht" man sich erhöhte Kompetenzen per Rändel ähnlich wie beim L200 herbei, sprich: Erst holt man die Vorderräder hinzu und dann kann man das Ganze durch Drücken des Drehschalters 2,7-fach untersetzen. Die Hinterachssperre aktiviert man per Taster. Mit Leiterrahmen und Trommelbremsen hinten bei allen Versionen (die bei sechs Tonnen Gesamtzugmasse dann schon gut ins Schwitzen kommen dürften) bleibt Nissan der rustikal-konservativen Auslegung treu. Auch bei der Abgasnorm tastet man sich über die 5b+ (noch ohne AdBlue) Richtung Euro 6 vor. Wichtig: Erweiterte Garantien Die Qualitätsanmutung der Armaturentafel liegt in den Basisvarianten nicht über denen der Konkurrenz, da dürften Renault und später Daimler sicher noch etwas draufpacken. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf und die Handschaltung lässt sich ordentlich durch die Gassen führen, bleibt aber wie bei den asiatischen Konkurrenten beim eher langen "Schaltstock", was Schaltkräfte und Exaktheit prinzipbedingt etwas reduziert. Angenehm das Kamerasystem, das neben der Rückfahrfunktion auch eine Sicht von oben enthält. Hier bringt Nissan die bei den Pkw verwendete Bird-View-Sicht auch in den Pickup, was das Rangieren erleichtert. Womit wir gleich bei den Optionen sind, wo Nissan einige nette Neuigkeiten präsentiert. Dazu gehören eine ausziehbare Ladefläche, die den Zugriff auf die dort verstaute Fracht verbessert, ein extra Metalltritt, der das Entern der Pritsche erleichtert oder ein Heckklappendämpfer, mit dem die immer noch nicht ganz leichte Klappe gesichert in eine bündige Position gleitet, was man ebenfalls als sehr angenehm wahrnimmt. Sinnvollerweise beibehalten hat Nissan die verstellbaren Lasihaken, die sich schnell justieren lassen und einem den Job erleichtern. Auch die Garantien wurden nicht vergessen: Fünf Jahre respektive 160.000 Kilometer - damit lässt sich arbeiten! Noch aus steht eine Verwiegung der neuen Nissan: Die Datenblätter attestieren Leergewichte zwischen 1807 und 1963 Kilo, die mit etwas Zubehör, Fahrer und vollem Tank schnell über die Zwei-Tonnen-Marke schwappen werden. Damit liegt der NP300 wieder mitten im ebenfalls geringfügig leichter gewordenen Konkurrenzumfeld. Am Ende bleibt festzustellen: Nissan gehört zu den Pickup-Profis. Bei den günstigen Varianten hat man so viel nachgelegt wie nötig (vor allem motorisch), bei den teuren dagegen einige Maßstäbe gesetzt, aber, Nissan-typisch, im bezahlbaren und sinnvollen Rahmen. Man darf gespannt sein, wie Renault und Mercedes dann diese gelungenen "Vorlage" in markenspezifische Ein-Tonnen-Pickups verwandeln! Alle Tests und Fahrberichte für Premium-Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank