Vertrag mit Verfallsdatum

Zufälle gibt es: Bei einem Spaziergang treffen Sie Ihren Ex-Fahrer Thomas M. zufällig wieder. Er war bis vor zwei Jahren bei Ihnen beschäftigt, musste dann aus privaten Gründen wegziehen. Jetzt wohnt er wieder hier und es trifft sich: Sie haben zwar gerade keinen besonderen Bedarf, aber eine solide Auftragslage. Sie bieten ihm spontan einen Job an. Schnell sind Sie sich mit ihm über einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag einig. Danach wird man weitersehen. Der Trend geht zur Befristung Thomas M. ist kein Einzelfall. Die Zahl der Arbeitsverträge mit Verfallsdatum hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht. Das geht aus einer Anfrage der Partei Die Linke beim Bundesarbeitsministerium hervor. Von den Neuverträgen sind inzwischen 42 Prozent zeitlich begrenzt. Vor allem der Anteil der ohne sachlichen Grund (zum Beispiel Elternzeitvertretung) befristeten Arbeitsverträge ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2013 wurde jede zweite Befristung nicht begründet (48 Prozent). Die Befristung des Arbeitsvertrags bietet hauptsächlich dem Arbeitgeber Vorteile. Vor allem bedarf es bei Vertragsende, also mit Ablauf der vereinbarten Frist, keiner Kündigung. Ein Unternehmen muss also keinen Kündigungsgrund benennen, es gelten keine Vorschriften zum Kündigungsschutz zugunsten des Mitarbeiters, auch nicht die zum besonderen Kündigungsschutz. Befristete Arbeitsverhältnisse mit zwischenzeitlich Schwangeren, Schwerbehinderten, Betriebsratsmitgliedern oder in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern laufen zum vereinbarten Zeitpunkt einfach aus. Fehler in einem befristeten Arbeitsvertrag können schwerwiegende Folgen haben: Bei einer unwirksamen Befristung liegt unweigerlich ein ganz normales, nämlich unbefristetes Arbeitsverhältnis vor. Genau das, was der Arbeitgeber eigentlich vermeiden wollte. Es gibt zwei Vertragstypen Nach den einschlägigen Vorschriften im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gibt es zwei Möglichkeiten: Eine Befristung des Arbeitsvertrags ohne Sachgrund oder mit Sachgrund. Egal, welche Art des befristeten Arbeitsverhältnisses gewählt wird: Die Befristung muss immer schriftlich vereinbart sein - selbst wenn die sonstigen Bedingungen des Arbeitsvertrags lediglich mündlich vereinbart werden. Die Schriftform ist aber nur dann gewahrt, wenn die schriftliche Niederlegung bereits vor Vertragsbeginn erfolgt. Eine spätere schriftliche Niederlegung kann diesen Formmangel laut dem Bundesarbeitsgericht nicht mehr heilen (Urteil vom 01.12.2004, Aktenzeichen: 7 AZR 198/04). Übrigens: Auch in befristeten Arbeitsverträgen ist es möglich, Kündigungsfristen und die übliche Probezeit aufzunehmen. Bei einer Befristung ohne Sachgrund gilt es, zwei Grenzwerte zu beachten: Sie darf maximal zwei Jahre dauern. Während dieses Zeitraums darf der Arbeitgeber den befristeten Vertrag drei Mal verlängern. Danach läuft das Arbeitsverhältnis automatisch aus. Um zu verhindern, dass ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis nach zwei Jahren endet, der Beschäftigte ausscheidet und dann einfach wieder auf zwei Jahre eingestellt wird, hat das Bundesarbeitsgericht eine wichtige Entscheidung getroffen: Der Vorbeschäftigung eines Arbeitnehmers steht eine erneute sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags bis zu zwei Jahren demnach nicht entgegen, wenn diese bereits mehr als drei Jahre zurückliegt (Urteil vom 06.04.2011, Aktenzeichen: 7 AZR 716/09). Bezogen auf den Eingangsfall bedeutet das: Fahrer Thomas M. war bis vor zwei Jahren in der Spedition beschäftigt; eine erneute sachgrundlose Befristung wäre daher nicht zulässig. Die Folge wäre ein normales unbefristetes Arbeitsverhältnis. Von der Regel, wonach höchstens drei Verlängerungen in maximal zwei Jahren zulässig sind, gibt es zwei Ausnahmen: Junge Unternehmen dürfen in den ersten vier Jahren nach Gründung ohne Sachgrund Arbeitsverträge bis zu vier Jahre befristen. Und mit Arbeitnehmern über 52 Jahren, die seit mindestens vier Monaten beschäftigungslos waren, können Arbeitsverträge mit einer fünfjährigen Laufzeit vereinbart werden. Eine Ergänzung noch zur maximal drei Mal zulässigen Verlängerung während der Zweijahresfrist: Verlängerung meint lediglich das schlichte Festlegen eines neuen Beendigungszeitpunkts. Änderungen des Arbeitsinhalts, etwa die Neuregelung der Arbeitszeit oder die Einräumung von Prämien, sollte der Arbeitgeber unbedingt unterlassen, da hierfür ein eigener Sachgrund erforderlich wäre. Achtung: Auch die Verlängerung innerhalb der Zweijahresfrist muss unbedingt schriftlich und vor Ablauf der bisherigen Befristung erfolgen. Eine Unterbrechung auch nur von einem Tag führt laut dem Bundesarbeitsgericht zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag (Urteil vom 23.08.2006, Aktenzeichen: 7 AZR 12/06). Bestimmte Sachgründe sind zulässig Wenn es einen Sachgrund für die Befristung gibt, muss der Arbeitgeber die Zweijahresfrist nicht beachten. Im TzBfG sind mehrere Beispiele für Sachgründe aufgezählt. Der häufigste Fall ist die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin, der/die zum Beispiel wegen einer schweren Erkrankung langfristig ausfällt beziehungsweise die sich im Mutterschutz befindet oder der Mehrbedarf an Arbeitnehmern während einer bestimmten Saison sowie dringende Eilaufträge, die mit dem vorhandenen Personal nicht erledigt werden können. Ebenso ist der eigene Wunsch des betreffenden Arbeitnehmers auf Befristung seines Vertrags zulässig, um etwa die Zeit bis zum Studium oder bis zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber zu überbrücken. Selbst ein Austausch des sachlichen Grunds ist möglich. Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist langfristig erkrankt. Die Befristung des Arbeitsvertrags seines Vertreters ist zunächst bis zur Rückkehr des Erkrankten vereinbart. Geht der Erkrankte noch in eine mehrwöchige Kur, bevor er in den Job zurückkehrt, dann ist dies ein neuer Sachgrund für eine weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kur. Zuletzt wurden immer wieder Fälle sogenannter Kettenbefristungen bekannt, bei denen ein Arbeitnehmer nacheinander über viele Jahre hinweg zum Teil Dutzende befristeter Arbeitsverträge erhalten hatte, sofern irgendwo im Betrieb ein Vertretungsfall vorhanden war. Prinzipiell sind diese möglich. Regeln gegen Missbrauch Das Bundesarbeitsgericht hat in jüngerer Zeit jedoch für Missbrauchsfälle Regeln aufgestellt (Urteil vom 18.07.2012, Aktenzeichen: 7 AZR 443/09). Es hält zum Beispiel eine Gesamtbeschäftigungsdauer von weniger als vier Jahren bei vier befristeten sachbegründeten Arbeitsverträgen für unbedenklich (Urteil vom 10.07.2013, Aktenzeichen: 7 AZR 833/11). Fazit: Kleine Ungenauigkeiten beim befristeten Arbeitsvertrag können ruckzuck zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führen, das der Arbeitgeber dann wie üblich kündigen muss. Daher ist es besonders wichtig, dass man sich fachkundigen Rat einholt, bevor man einen befristeten Arbeitsvertrag formuliert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die oben genannten Mehrfachbefristungen mit Sachgrund, sogenannte Kettenarbeitsverträge. Formulierungshilfe So könnte der Passus zum befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund lauten:"Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des ..., ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Einstellung dauert maximal zwei Jahre. Während der Befristung ist eine ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags für beide Seiten unter Einhaltung einer Frist von ... möglich."Und so die Befristung mit Sachgrund:"Der Arbeitnehmer wird für die Dauer der Erkrankung/des Urlaubs von Herrn XY eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Rückkehr des Herrn XY an seinen Arbeitsplatz, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung. Eines Ausspruchs einer Kündigung bedarf es nicht." kk