Verschiebung Richtung 4.0

Schwerfällig, veraltet, unflexibel - Verschieberegale haben mit allerlei Vorurteilen zu kämpfen. Schuld daran ist wahrscheinlich Hollywood. In den Köpfen haften Filmszenen, wo in düsteren, verstaubten Archiven die Regalzeilen per Drehrad langsam einen Gang öffnen. Die Spannung steigt. Diese Bilder haben 61 Jahre nach der Patentvergabe für die "beweglichen Gestelle für Regale und Schränke" mit der Realität allerdings nicht mehr viel zu tun. "Wir arbeiten ständig an der Weiterentwicklung und Optimierung auch der Verschieberegal-Anlagen", erklärt Markus Schlimbach, Marketing Meta-Regalbau, Arnsberg. Entsprechend ist es um Verschieberegal-Anlagen heute gut bestellt. Inzwischen sind vollautomatisierte Systeme erhältlich. Die Gangöffnungszeiten liegen dank Frequenzumrichter und direktem Antrieb je nach Gangbreite bei 4 bis 4,7 Metern pro Minute. Ihre moderne S7-Steuerung lässt sich komfortabel an das Warehouse Management System (WMS) anbinden. Die Bedienung kann über lasernavigierte, fahrerlose Regalbedienfahrzeuge erfolgen. Die Anlagen lassen sich direkt in voll automatisierte Prozessfolgen einbinden. Die Folge: Frühere Nachteile bei der Prozessgeschwindigkeit sind mittlerweile nahezu ausgeglichen. "Die Nachfrage wird aufgrund fehlender Flächen für Neubauten und bestehende Lagerflächen größer", berichtet Uwe Berg, Vertriebsleiter Rauscher F.X. Lagertechnik, Thannhausen. Verschieberegal-Anlagen bestehen aus einem Regal, einem Fahrwagen, Lauf- und Führungsschienen sowie Steuerungs- und Sicherheitseinrichtungen. Wo Raum und Fläche teuer sind oder die Lagerkapazitäten gesteigert werden müssen, sind sie eine immer öfter genutzte Alternative zu herkömmlichen, statischen Regalanlagen. Im Vergleich mit ihnen lassen sich - einer Gegenüberstellung von SSI Schäfer zufolge - bei einer Anlage mit 1152 Palettenstellplätzen durch ein Verschieberegal 44 Prozent Fläche einsparen. "Überall wo Palettenregale zum Einsatz kommen, kann eine Verschieberegal-Anlage die bessere Lösung für den Kunden darstellen", urteilt Schlimbach. Nur wenn im unteren Bereich der Palettenregale eine Handkommissionierung erforderlich ist, sei ein Verschieberegal in der Regel nicht geeignet. "Verschieberegale sind dann interessant, wenn eine große Artikelvielfalt auf Paletten gelagert werden soll - und sinnvoll bei eher geringeren Durchsätzen", konkretisiert Udo Neumann, Vertriebsleitung Dynamische Lagersysteme, SSI Schäfer. Blick auf die Sicherheit Hinzu komme mit ihrer modularen Konzeption eine hohe Flexibilität bei Aus- und Umbauten sowie bei der Integration in bestehende Infrastrukturen. So können den Fahrwagen Hardware-seitig nahezu alle Regaltypen aufgesattelt werden - "sogar vorhandene Regale, sofern sie nicht verschweißt sind", sagt Berg. Dabei müsse grundsätzlich zwischen Verschieberegal leicht und Verschieberegal schwer unterschieden werden. Leichtlastverschieberegale werden vor allem als Archivregale, für die Lagerung von Kleinteilen, Ersatzteilen und Werkzeugen eingesetzt. "In diesem Bereich der leichten Lasten sind weiterhin manuelle Lösungen gefragt", beschreibt Neumann die Nachfragesituation. Allerdings würden elektronische Versionen mit Blick auf die Sicherheit für die eingelagerten Waren wie auch auf Ergonomie und Benutzerfreundlichkeit neue Maßstäbe setzen. Leichtlastverschieberegale sind in der Regel schienengebunden und können bis zu einer Wagenlast von 4999 Kilogramm (Berufsgenossenschaftliche Richtlinie BGR 234) mit einer Handkurbel betätigt werden. Die Techniken der Kraftübertragung haben nichts mehr mit den mühsam verfahrbaren Anlagen früherer Zeiten zu tun. Bei schienenlosen Systemen ist die Übersetzung den Lasten angepasst. Schienengebundene Anlagen sorgen mit Antriebsketten, die in die Führungsschiene integriert sind, für einen leichten Lauf. Zunehmend verfügen jedoch auch die Leichtlastanlagen über Elektromotoren. Hohes Potenzial bei Automatisierung Das gilt, ebenso wie die Schienenführung, generell für Schwerlast-Verschieberegale, dem Standard in der Intralogistik. "Bei der Lagerung von mittelschweren, schweren oder sperrigen Gütern kommen ausschließlich motorisierte bis voll automatisierte Systeme zum Einsatz", erklärt Neumann, der hinsichtlich Verschieberegal-Anlagen gerade "beim Thema Automatisierung hohe Potenziale und Anforderungen aus allen Märkten" sieht. "Sie erhöht die Prozesssicherheit, schließt Kollisionen aus und minimiert so die Wartungskosten. Durch verbesserte Arbeitsbedingungen in schwierigen Umgebungen wie dem Tiefkühlsegment entlasten die automatisierten Anlagen zudem die Mitarbeiter." So seien inzwischen 80 Prozent der Tiefkühllager mit Verschieberegalen ausgestattet. Aber auch Speditionen setzen immer öfter auf die kompakte Lagerungsvariante. Dabei scheinen den Dimensionen keine Grenzen gesetzt. SSI Schäfer hat unlängst im neuen Logistikzentrum der Schweizer Schöni Transport AG eine modular aufgebaute Verschieberegal-Anlage für 14.000 Paletten installiert - in einem Obergeschoss. Die Anlage wurde nach Kundenanforderung individuell konfiguriert. Moderne Touchscreen-Steuerung, Not-Halt-Taster, Zutrittslichtschranken, ein manuelles Freigabesystem, Abstandssensoren und Sicherheitslichtschranken setzen Maßstäbe auch bei der Sicherheit. Das Anwendungsbeispiel zeigt überdies Optionen für einen weiteren Automationsgrad auf: Von Handkurbel und Elektromotor bei Leichtgut-Verschieberegalen über die Wagensteuerung via Tasten beziehungsweise Touchscreen an der Schwergutanlage oder der Fernbedienung vom Stapler aus bis hin zur Einbindung in die vollautomatische Steuerung per WMS. Per Datenfunk werden die Fahraufträge auf das Stapler-Display übertragen. Zugleich sendet das WMS die Ein- beziehungsweise Auslagerungsbefehle an die Fahrwagen der Verschieberegal-Anlage und öffnet automatisch die entsprechenden Regalgänge. Je nach Konzeption können mehrere Gassen gleichzeitig geöffnet werden. Sicherheitsrelevante Abfragen, die in die Datenfunkdialoge integriert sind, sorgen für synchronisierte Prozesse sowohl der Stapler als auch in ihrem Zusammenspiel mit der Anlage. Parallel dazu prüft das auf wegoptimierte Prozesse ausgerichtete WMS, ob aus dem befahrenen Gang Auslagerungen anstehen. Wenn dies der Fall ist, erhält der Staplerfahrer den entsprechenden Auftrag. Das Doppelspiel wird innerhalb etwa einer Minute bewerkstelligt. Damit sind Ein- und Auslagerung im Verschieberegal wesentlich schneller als oft vermutet - und durchaus wirtschaftlich. Wie von Geisterhand Die nächsten Automations- und Entwicklungsschritte sind nicht nur vorprogrammiert, sondern mit der Verwendung von lasergesteuerten, nicht-schienengebundenen Regalbedienfahrzeugen (RBF), automatisierten Schmalgangstaplern, teilweise bereits realisiert. So hat SSI Schäfer vor gut zehn Jahren die operativen Schnittstellen zwischen Verschieberegal, Palettentransport und Fördertechnik in einem Gesamtkonzept ohne Personal zusammengeführt: Über den Materialflussrechner (MFR) steuert ein WMS die Öffnung der Gassen. Die Gassen werden von RBF befahren. In Regalgasse und Gangwechselbereich orientieren sie sich mit Hilfe von Lasersensoren und übergeben die Paletten an speziellen Transferpunkten auf eine Palettenfördertechnik. Das Verkehrsmanagementsystem der Fahrzeuge und die Koordination von Transportaufträgen für die Fördertechnik erfolgen ebenfalls aus dem MFR. Derartige Konzepte sind künftig sicher auch ohne Fördertechnik und mit frei verfahrbaren fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF) denkbar, die die Regalgassen bedienen und die Paletten in der Fläche verbringen. Hinzu kommt eine weiter vertiefte Einbindung der Verschieberegal-Anlagen in die Steuerungs- und die zukunftsorientierten Warehouse-Management-Konzepte wie Echtzeitabbildung der Lagerhaltung, Visualisierung und Industrie 4.0. Bei den Verschieberegalen sind also weiterhin spannende Entwicklungen zu erwarten. Ein schwerfälliger, veralteter und unflexibler Flaschenhals sind sie in der Intralogistik längst nicht mehr. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lagertechnik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Auf einen Blick Vor- und Nachteile von Verschieberegal-Anlagen Pro- sehr gute Raumausnutzung- hohe Lagerdichte- direkter Zugriff auf Lagerplätze in der geöffneten Gasse- kurze Fahrwege- reduzierte Betriebskosten- Flexibilität bei Anlagengestaltung, Fahrwagenaufbauten und Anlagenerweiterung- gesteigerte Arbeitssicherheit- Umrüstung bestehender Regalanlagen nebst Verwendung der Bestandsregale möglichKontra- umfangreiche Sicherheitsinstallationen- anlagen-, punktlastgerechte Bodenplatte- Wartezeit für Gassenöffnung- höhere Anschaffungskosten- zusätzliche Baumaßnahmen (Schienen)- eingeschränkte Ein- und Auslagerungsfrequenzrbb

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