Verkehrspolitik trifft Logistik

Verkehrspolitik trifft Logistik Überraschende Einigkeit Nicht viel Neues erzählt bekommen, aber doch eine ganze Menge erfahren: So erging es dem aufmerksamen Zuhörer auf der Diskussionsveranstaltung der VerkehrsRundschau auf der Transport Logistic in München. Ihr Titel: Verkehrspolitik trifft Logistik. Es ist für Verkehrspolitiker ja generell nicht einfach, Zuhörer von Diskussionsrunden mit völlig neuen Aspekten der Verkehrspolitik zu beglücken. Und wenn diese Politiker dann noch zum Ende einer Weltmesse wie die Transport Logistic auf die Bühne müssen, wo die Tage zuvor schon in zahlreichen Foren über verkehrspolitische Themen debattiert wurde, dann ist es doppelt schwer, die Erwartungshaltung der Zuhörer zu erfüllen. Scheuer und Hofreiter auf einer Linie Umso höher ist zu bewerten, was die Teilnehmer auf der Abschlussveranstaltung der Messe zum Besten gaben. Sicher, auch hier wurden altbekannte Phrasen verkündet. Aber wer genau hinhörte, wer auf die Zwischentöne achtete, wurde Neues und Überraschendes auf dem von der VerkehrsRundschau ausgerichteten Forum gewahr. Ein erstes Beispiel: die Einigkeit zwischen Andreas Scheuer, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und Anton Hofreiter, verkehrspolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Von ihrer Herkunft (CSU versus „Grüner“) hätte man meinen können, dass sie überkreuz liegen, wenn es darum geht, wie die knappen Gelder im Verkehrshaushalt investiert werden. Doch weit gefehlt: „Die Engpassbeseitigung, die Sanierung und der Um- und Ausbau: Das wird unsere erste Priorität sein“, sagte Scheuer. „Vorrang haben die Projekte, die von hohem wirtschaftlichem Nutzen sind, von hoher verkehrlicher Bedeutung.“ Und Hofreiter? Alles Geld für die Bahn? Keineswegs. „Priorität im Straßenbau hat der Unterhalt des bestehenden Netzes, danach die Engpassbeseitigung“, wobei Hofreiter darunter den „Ausbau des vorhandenen Autobahnnetzes“ verstand. Hofreiter sagte weiter, das knappe Geld solle in die Projekte fließen, in denen der größte verkehrsökonomische Nutzen erzielt werde, wobei er Verbesserungen bei dem Verfahren zur Ermittlung des Nutzens anmahnte. Erschreckend aus Sicht der Nutzer waren die Zahlen, die Professor Herbert Baum von der Uni Köln zum Investitionsetat im Straßenbau nannte. Demnach gibt der Bund pro Jahr vier bis fünf Milliarden Euro für den Straßenbau aus. „Erforderlich wären aber rund sieben Milliarden Euro“, sagte der Verkehrswissenschaftler. Diese Deckungslücke müsse jedoch geschlossen werden, mahnte Baum, weil der Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wichtig sei für das Wirtschaftswachstum. Doch woher soll das Geld kommen? Baums Vorschlag: „Wir brauchen eine Teilzweckbindung bei der Mineralölsteuer, nicht die volle Zweckbindung.“ Bei einem jährlichen Mineralölsteueraufkommen von 43 Milliarden Euro seien noch nicht mal 10 Prozent notwendig. Eine andere Finanzquelle könnte die PKW-Maut sein. Doch die ist in der derzeitigen Regierung so verpönt wie Anglizismen bei Verkehrsminister Peter Ramsauer. „Die Koalition hat die PKW-Maut im Koalitionsvertrag nicht aufgenommen. Damit steht sie auch nicht auf der Tagesordnung der Bundesregierung“, erklärte Scheuer lapidar. Um jedoch gleich hinterherzuschieben, dass seine Partei, die CSU, sich für die Einführung einer PKW-Vignette ausgesprochen habe. Ein interessanter Zwiespalt, in der sich ja auch Ramsauer als CSU-Mitglied befindet. Herbert Götz, Geschäftsführer der Pfleiderer-Tochter Jura-Spedition, Neumarkt, zeigte wenig Verständnis für die Haltung der Merkel-Regierung. Der Präsident des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) befürwortete eine PKW-Maut, auch wenn damit die „bittere Pille“ geschluckt werden müsse, LKW unter 12 Tonnen zur Kasse zu bitten. Er hält die PKW-Maut sogar geeignet, um mit einem Missstand aufzuräumen: „Wenn man sieht, dass Sonntags auf der A 3 im Konvoi 20, 30 7,5-Tonner aus Osteuropa unterwegs sind, unter Umgehung der Maut, des Sonntagsfahrverbots, des LKW-Führerscheins und mit billigen Löhnen, dann kann das auch keine Lösung sein.“ Selbstverständlich sprachen die Diskussionsteilnehmer auch den Lang-LKW an. Auch hierzu gab es Interessantes zu hören. So kündigte Scheuer an, dass das Bundesverkehrsministerium gerade bei den Ländern, die den Feldversuch ablehnen, genau hinsehen werde, wie viele Ausnahmegenehmigungen dort für Schwertransporte erteilt werden. „Wir haben momentan die Ausnahmeverordnung in Arbeit, bei der wir von 400, 500 Genehmigungen ausgehen. In einigen Ländern soll die Zahl der Genehmigungen für Schwertransporte im fünfstelligen Bereich sein. Da bin ich gespannt auf die Begründung.“ Hofreiter und der Lang-LKW Eigentlich nichts Neues, aber doch Überraschendes war von Hofreiter in dieser Frage zu hören. Man hätte erwarten können, dass der Grünen-Politiker die Keule schwingt, die schrumpfende Zahl der Bundesländer, die den Feldversuch befürworten, als Niederlage für Ramsauer auskostet und damit den Abgesang auf den „Monster-Truck“ anstimmt. Doch weit gefehlt. Fast gelangweilt sagte Hofreiter: „Ich habe ehrlich gesagt keine große Lust, mich intensiv in die Debatte um den Lang-LKW einzumischen, weil es meiner Ansicht nach nicht das entscheidende Thema ist, wie man Verkehrspolitik künftig organisiert. Da gibt es Argumente für und gegen den Lang-LKW.“ Punkt. Ein energisches Veto gegen den Lang-LKW hört sich anders an. Einzig Ismail Ertuk, Europaabgeordneter der SPD, sprach sich gegen den Lang-LKW aus. Er befürchtete, dass die damit einhergehenden Effizienzgewinne den Druck der Wirtschaft, Waren in ihren Depots vorzuhalten, mindert und somit die Lagerhaltung wieder auf die Straße verlegt wird. Die Praktiker auf der Bühne, Götz und Jörg Mosolf, Chef der Horst Mosolf Spedition, waren jedenfalls zufrieden und äußerten sich zuversichtlich, dass der Feldversuch kommt (siehe dazu auch das Video auf verkehrsrundschau.de). ❙❚■ Michael Cordes Gelungener Abschluss einer erfolgreichen Messe: Die Podiumsdiskussion der VerkehrsRundschau mit (von links) Moderator Andre Kranke (VerkehrsRundschau), Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Ismail Ertuk (SPD), Professor Herbert Baum (Uni Köln), Jörg Mosolf (Horst Mosolf Internationale Spedition), Herbert Götz (Spedition Jura), Moderator Sebastian Bollig (VerkehrsRundschau) und Andreas Scheuer (CSU, parlamentarischer Staatssekretär) Bewegte Bilder von der Messe Ausschnitte von der Podiumsdiskussion können Sie sich auch auf der Homepage der VerkehrsRundschau als Film ansehen. Unter www.verkehrsrundschau.de/videos finden Sie weitere Filme rund um die Messe Transport Logistic. cd

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