Verbot wegen dicker Luft

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat seine Pläne zur Verbesserung der Luftqualität in Stuttgart vorgestellt. Feinstaub und die Belastung mit Stickstoffdioxid gefährdeten die Gesundheit der Bevölkerung, sagte der Politiker vergangene Woche. Der Entwurf für einen neuen Luftreinhalteplan, den Hermann und der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer vorlegten, beschreibt verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, um die von der EU vorgegebenen Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid dauerhaft einzuhalten. Allein in diesem Jahr herrschte bisher an 48 Tagen Feinstaubalarm in Stuttgart. Die Vorschläge sehen unter anderem an Alarmtagen mit zu hohen Schadstoffwerten von 2018 an ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge im Talkessel der baden-württembergischen Hauptstadt, im Stadtbezirk Feuerbach und Teilen von Zuffenhausen vor. Bei Feinstaubalarm werden demnach besonders belastete Straßen (siehe Kasten) in der grünen Umweltzone für Selbstzünder gesperrt, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen - das gilt sowohl für Pkw als auch für Lkw. Die Beschränkungen seien unerlässlich, es sei denn, der Fahrzeugindustrie gelinge es, die Autos so wirkungsvoll nachzurüsten, dass die Grenzwerte eingehalten werden, sagte Hermann. Gespräche laufen, ob wenigstens Fahrzeuge der Abgasnorm 5 nachgerüstet werden können. Hermann: "Es gibt Signale, da könnte etwas gehen." Falls die Hersteller nicht reagieren, sollen die zeitweisen und streckenabhängigen Dieselfahrverbote zusätzlich zum im März 2010 in Kraft getretenen Lkw-Durchfahrtsverbot kommen. Bisher dürfen auch Lkw über 3,5 Tonnen mit modernster Motor- und Abgastechnik nicht mehr durch Stuttgart, Ostfildern und Umgebung fahren, wenn sie dort keinen Lieferauftrag haben. Für Lieferverkehre sind unabhängig vom Fahrzeuggewicht Ausnahmen von den geplanten Dieselfahrverboten vorgesehen (siehe Kasten). Weiterhin sind Spezialfahrzeuge wie Schwertransporter ausgenommen. Zudem können Gewerbetreibende eine Sondergenehmigung beantragen, wenn die Dieselfahrverbote ihre Existenz bedrohen. Sie müssen durch eine Stellungnahme eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers belegen, dass die Ersatzbeschaffung eines geeigneten Fahrzeugs zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen führen würde. Diesel-Fahrverbot ist nur Plan B Die Dieselfahrverbote ab 2018 sind aber nur Plan B, sofern sich die Luftqualität nicht durch andere Maßnahmen verbessern lässt. Das wirksamste Instrument zur Luftreinhaltung ist aus Sicht der baden-württembergischen Landesregierung die Einführung einer blauen Plakette für besonders schadstoffarme Fahrzeuge. Das habe ein Gutachten gezeigt, hieß es zuletzt mehrfach. Sollte diese Maßnahme ab dem nächsten Jahr zur Verfügung stehen, dürften laut dem Entwurf für den neuen Luftreinhalteplan ab 2018 an Feinstaub-Alarmtagen nur noch Dieselfahrzeuge der Euro-6-Norm und mit blauer Plakette in den Talkessel, nach Feuerbach und Teile von Zuffenhausen einfahren. Die baden-württembergische Landesregierung hatte diesbezüglich am 19. Oktober 2016 dem Bundesrat einen Verordnungsentwurf zur Einführung der blauen Plakette vorgelegt. Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten, nur noch emissionsarme Fahrzeuge mit einer blauen Plakette in die Umweltzonen einfahren zu lassen. Bisher gibt es dafür keine Mehrheit in der Länderkammer. Baden-Württembergs Verkehrsminister sieht nach der Bundestagswahl aber Chancen, dass die blaue Plakette doch kommt. Er glaube, dass sich dann etwas bewege, sagte der Grünen-Politiker. Dann werde die Diskussion beginnen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt es bisher ab, mit einer blauen Plakette ältere Dieselfahrzeuge aus den mit Stickoxiden und Feinstaub belasteten Innenstädten auszusperren. Künftig soll es darüber hinaus zu dauerhaften Fahreinschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge in Stuttgart kommen. Vorgesehen sei die Einführung einer dauerhaften blauen Umweltzone, so Herrmann, wenn 80 Prozent der in Stuttgart zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge die Anforderungen an die neue Plakette erfüllen. Das werde voraussichtlich ab dem Jahr 2020 der Fall sein. Noch sind Änderungen möglich Am 31. August soll der neue Luftreinhalteplan in Kraft treten. Ob alle Vorhaben tatsächlich so umgesetzt werden, steht noch nicht fest. Bis zum 23. Juni können Stellungnahmen zu dem Entwurf beim Regierungspräsidium abgegeben werden. Danach sind noch Änderungen möglich. Davon abgesehen könnten Richter das Vorhaben noch kippen. Das hängt von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Mehr zum Thema finden Sie unter "Lkw-Fahrverbote" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Begriffserläuterung Was ist mit Lieferverkehren im Luftreinhalteplan gemeint? Durch das Zusatzzeichen "Lieferverkehr frei" sind laut dem Entwurf des Luftreinhalteplans alle Fahrten zur Ver- und Entsorgung der Bevölkerung vom Dieselfahrverbot ausgenommen. Unter "Lieferverkehr" ist der geschäftsmäßige Transport von Sachen von oder zu Gewerbetreibenden sowie von oder zu sonstigen Kunden eines Gewerbetreibenden zu verstehen. Als Beispiele sind darin das Abholen oder Bringen eines - defekten oder instandgesetzten - Kühlschranks oder die Zustellung von Gütern an Privathaushalte genannt. Zum Lieferverkehr zählen auch Fahrten von Handwerkern und Baufahrzeuge, die als Werkstattwagen oder zum Transport von Werkzeugen oder Material eingesetzt werden. Mit der mittelfristig geplanten Einführung einer blauen Umweltzone voraussichtlich im Jahr 2020 bestünden nach dem 31. Dezember 2021 nur noch die Ausnahme-Möglichkeiten für Fahrten zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern sowie Fahrten zur Aufrechterhaltung von Fertigungs- und Produktionsprozessen. Wie bei der entsprechenden Ausnahme vom bereits bestehenden Lkw-Durchfahrtsverbot ist die Liefertätigkeit bei Kontrollen gegenüber der Polizei mittels geeigneten Belegen (Bestell-/Lieferschein) nachzuweisen und glaubhaft zu machen. Auch die Rückfahrt nach erfolgter Lieferung mit leerem Lkw innerhalb der Zone zum Firmenstandort ist noch eine Liefertätigkeit.ag

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