"Unser Netz ist fertig gewoben"

Herr Simon, mit über fünf Milliarden Euro Umsatz nähert sich Dachser den ganz großen Playern im Markt. Spielen Sie künftig mit Unternehmen wie DB Schenker und Deutsche Post DHL in der Champions League? Für uns ist Größe nicht entscheidend und auch kein Wert, auch wenn wir sicherlich in die von Ihnen genannte Liga aufrücken werden. Wir müssen keine Analysten und Aktienmärkte beeindrucken. Für uns steht werthaltiges Wachstum im Vordergrund und dieses lässt sich vor allem durch eine Fokussierung auf den Kundennutzen erreichen. Stimmt der Nutzen unserer Leistungen für den Kunden, dann erzielen wir auch die notwendigen Renditen, um immer wieder in die Zukunft des Unternehmens investieren zu können. Reichen die Strukturen eines Familienunternehmens für diese Spielklasse aus? Wir haben bereits vor drei Jahren erkannt, dass wir die bestehenden Führungsstrukturen verändern müssen, um das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Das Unternehmen war zu sehr auf meine Person fokussiert. Diese Struktur passte nicht mehr mit der stark gewachsenen Größe zusammen, die Dachser erreicht hat. Auch im Hinblick auf einen Generationenwechsel, der in den kommenden Jahren anstehen wird, waren die bestehenden Strukturen zu monolithisch. Wir haben unser Haus deshalb zukunfts- und wachstumsorientiert neu gestaltet. Wie sieht denn das zukunftssichere "Dachser-Haus" aus? Wir haben begonnen, die Themen Führungsverantwortung, Geschäftsfeldentwicklung sowie internes und externes Beziehungsmanagement auf mehrere Köpfe zu verteilen. Außerdem haben wir uns von der klassischen GmbH-&-Co-KG-Struktur verabschiedet und firmieren nun als Europäische Aktiengesellschaft. Die neue Gesellschaftsstruktur hatte vor allem steuerliche Gründe und erleichtert nun als Kapitalgesellschaft, die Privatsphäre besser abzugrenzen. Die Selbstfinanzierung aus Gewinnthesaurierung wird erleichtert. Nun haben wir flexible und transparente Strukturen. Mit dem neuen Dachser-Haus können wir modular wachsen. Wie groß soll das neue Haus denn werden? In den vergangenen 80 Jahren haben wir durchschnittliche Wachstumszahlen von jährlich etwas über zehn Prozent erlebt. Ausgehend vom heute möglichen eher einstelligen Wachstum lässt sich mit dem neuen Haus gut arbeiten. Die nächste Generation hat somit unerschöpflich viele Möglichkeiten, die Zukunft zu gestalten. Sie sprechen von der nächsten Generation, wie lange wollen Sie noch persönlich an der Spitze von Dachser stehen? Sie werden verstehen, dass ich mich nicht auf einen genauen Zeitpunkt festlegen werde. Nur so weit: Ein Unternehmer muss den Generationswechsel frühzeitig im Blick halten. Nur so bleibt die Flexibilität der Gestaltungsmöglichkeiten voll erhalten und mögliche Korrekturen sind leistbar. Dies ist die Voraussetzung, um das Familienunternehmen über Dekaden ohne Turbulenzen sicher zu führen. In welchen Bereichen soll Dachser am besten wachsen? Wir sehen unsere Entwicklungsmöglichkeiten vor allem in weltweit integrierte Supply Chains. Deshalb haben wir innerhalb des Dachser-Hauses acht Business-Units geschaffen, die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten wachsen. Die am schnellsten wachsende Business Unit ist Asia Pacific. Aber auch in Zentral- und Osteuropa sehen wir noch große Potenziale. Neue Wachstumsimpulse kommen auch von der Iberischen Halbinsel und Frankreich. Wir wissen zudem, dass wir in den USA Nachholbedarf haben. Sie konnten 2014 ein Wachstum von rund fünf Prozent erzielen. Womit rechnen Sie für das laufende Jahr? Wir gehen für 2015 von einem ziemlich ähnlichen Wachstum aus. Eine Stärke von Dachser ist die industrielle Abwicklung von palettierter Ware. Wie verbreitet ist dieses System außerhalb von Deutschland? Je südlicher Sie in Europa kommen, desto segmentierter wird der Markt und es gibt gute Potenziale, die Spielregeln zu verändern. Überall in Europa, wo wir unser System etablieren, können wir Wachstum erzielen. Worin bestehen Ihre Erfolgsfaktoren? Wir versuchen uns tief in die Supply Chains unserer Kunden zu integrieren, um Effizienzgewinne zu erzielen. Dafür braucht man viel Know-how und manchmal einen langen Atem. Parallel dazu profitieren wir von unseren eigenen Standardisierungen. Sei es unsere einheitliche IT-Struktur mit dem EAN-Code, den wir im Speditionsbereich eingeführt haben, oder auch unser Wechselbrückensystem, das wir nach ganz Europa getragen haben. Dachser ist nicht überall in Europa mit eigenen Assets gleich stark vertreten. Werden Sie Ihr Transport-Netz weiter verdichten und Zukäufe tätigen? Unser Netz in Europa ist fertig gewoben. Wir sind außer in Italien in allen entscheidenden Märkten mit eigenen Niederlassungen vertreten, nur in ein paar kleineren Ländern arbeiten wir mit Partnern. Wann übernehmen Sie, wie jüngst in Spanien Azkar, ihren italienischen Partner Fercam? Fercam ist einer unserer langjährigen strategischen Partner, die Eigentümerfamilien kennen sich sehr gut. Wir sind sehr glücklich mit dieser Zusammenarbeit. Es gibt keinen Grund, selbst nach Italien zu gehen und für Fercam gibt es keinen Grund, die eigenen unternehmerischen Impulse weiter auszubauen. Die Gerüchte am Markt, dass Sie bei Fercam einsteigen wollen, stimmen also nicht? Nein, hier steht definitiv nichts an. Wie viel Euro hat Dachser für Unternehmens-Zukäufe zurückgelegt? Wir haben kein besonders großes Budget eingeplant, haben aber gewisse Summen zur Verfügung, um bei Bedarf agieren zu können. Größere Akquisitionen passen aber nicht so gut zu unserer Philosophie, unsere IT- und Prozessstandards überall zu hundert Prozent umzusetzen. Denn sie kaufen sich bei größeren Unternehmenskäufen auch immer andere Standards ein, die sie mühselig integrieren müssen. Wir wollen deshalb am liebsten organisch wachsen. Wie attraktiv wäre für Sie eine Verzahnung der Dachser-Aktivitäten mit Logwin - zum Beispiel in der See- und Luftfracht? Wir haben bereits ein eigenes, weltumspannendes Air & Sea-Netz, das wir in erster Linie organisch weiter ausbauen. Wir setzen primär auf organisches Wachstum sowie unser eigenes Netz und unsere eigenen Fähigkeiten. Eine Verzahnung mit Logwin oder anderen Marktteilnehmern steht nicht zur Debatte. Viele Logistiker schwärmen vom E-Commerce-Boom. Ist die B2C-Endkundenbelieferung auch für Dachser ein Wachstumspfad? B2C ist ein großer Wachstumstreiber im Paketbereich. Bei palettierter Ware ist es sicherlich ein Innovationstreiber, aber nicht der Wachstumstreiber für unser Geschäft, sondern eine Ergänzungsleistung, die sehr gute Chancen bietet, das klassische B2B-Geschäft anzureichern und auszubauen. Dennoch haben Sie auf der Transport Logistic ein neues B2C-Produkt vorgestellt. Ja, es ist eine wichtige Ergänzung unseres Gesamtangebotes. Denn unsere klassischen B2B-Kunden wollen auch den Absatzkanal B2C bedienen können. Zum Beispiel im Baumarktgeschäft, wo Gartenmöbel und Geräte nach einer Online-Bestellung direkt dem Kunden nach Hause geliefert werden. Hierfür haben wir unsere neue Produktgruppe "Targo on-site" entwickelt. Hiermit können wir kleinere Gewerbekunden und Privatkunden klassisch bis zur Bordsteinkante beliefern. Wir liefern die Ware auch wahlweise im Ein-Mann Handling (Targo on-site plus) oder Zwei-Mann Handling (Targo on-site premium) an einen Ort der Verwendung des Empfängers. Bei unserem Premium-Service sind auch Zusatzdienstleistungen wie Montage, Installation oder Altgeräteservice möglich. Schließt Ihr neues Produkt auch eine Samstags-Zustellung ein? Ja, gegen einen Aufpreis. Sind die B2C-Zustellungen ein Kostentreiber für Dachser? Ja, auf jeden Fall. Deshalb bepreisen wir es auch entsprechend. Mit welchem B2C-Umsatz rechnen Sie mittelfristig für Dachser? Maximal fünf bis zehn Prozent des Volumens unseres Netzes werden B2C-Auslieferungen sein. Mehr passt auch nicht in unsere Prozesse hinein. Läuft B2C im normalen Dachser-Prozess einfach mit? Ja, auf der ersten Ebene schon. Werden spezielle Anforderungen gestellt, übergeben wir es einem unserer Tochterunternehmen, das dann das Fulfillment übernimmt. Für welche Produktgruppen bieten Sie Ihr neues E-Commerce-Produkt Targo on-site an? Für alle größeren Teile, die Endkunden direkt kaufen. Auch Lebensmittel? Nein. Wir zählen mit unserem Food-Geschäft in Deutschland und über das European Food Network in Europa zu den führenden Anbietern. Der Versand von Kleinstsendungen in Privathaushalte passt jedoch nicht in unser Geschäftsmodell. Infrastruktur, Fahrzeuge und speditionelle Abläufe sind nicht auf das Geschäft mit Kleinstsendungen an Privathaushalte ausgelegt. Die oftmals am Markt postulierte Trendwende blieb bislang aus. Der Erfolg von Dachser basiert auch darauf, im Lkw-Landverkehr mit Subunternehmern zusammenzuarbeiten. Wie sieht der Markt für Transportpartner derzeit aus? Der Markt ist sicherlich angespannt. Der Gesetzgeber stellt immer höhere Anforderungen an Lkw-Unternehmer. Es ist nicht mehr so einfach, sich als Fahrer selbstständig zu machen. Deshalb haben wir ein Programm aufgelegt, bei dem wir in den kommenden drei Jahren rund 200 Berufskraftfahrer ausbilden und davon einige beim Weg in die Selbstständigkeit als Transportpartner von Dachser unterstützen wollen. Sie setzen ja rund 6000 Fahrer bei ungefähr 500 Subunternehmern in Deutschland ein. Benötigen Sie künftig mehr Transporteure? Nein, die Anzahl passt. Aber es scheiden ja auch regelmäßig Partner aus, die wir adäquat ersetzen müssen. Deshalb diese Initiative. Wir brauchen verlässliche und gut ausgebildete Fahrer und Unternehmer. Wie viele Fahrer wollen Sie pro Jahr in die Selbstständigkeit führen? Es ist noch zu früh für eine konkrete Zahl, erst einmal wollen wir die 200 Berufskraftfahrer ausbilden. Wie wollen Sie angehende Subunternehmer konkret unterstützen? Wir kennen die Fuhrparkkosten und wissen, was ein Unternehmer verdienen muss. Hier werden wir die Unternehmer unterstützen und beraten. Ziel ist eine nachhaltige ökonomische Stabilität der Subunternehmer, damit sie am Markt bestehen können. Im Rahmen der neuen Mindestlohngesetzgebung haften Sie für die Lohnzahlungen Ihrer Subunternehmer. Fordern Sie von Ihren Partnern eine schriftliche Zusicherung, dass Mindestlohn gezahlt wird? Ja, das tun wir. Wir erhalten durch vertrauensvolle Gespräche regelmäßig Einblick in die notwendigen Dokumentationen unserer Transportpartner. Uns geht es darum, in dieser sensiblen Anforderung das partnerschaftliche Verhältnis weiter zu fördern. So entsprechen wir am besten den Anforderungen des Gesetzgebers. Ist es nicht ein schwieriges Thema, selbstständigen Transportpartnern in die Bücher schauen zu wollen? Ja, hier muss man sensibel vorgehen. Wir haben deshalb auch nicht einfach ein Schreiben rausgeschickt, sondern unsere Fuhrparkmanager besprechen dies mit den Unternehmern persönlich. Das hat gut funktioniert und wir sind hier auf viel Verständnis gestoßen. Wir fühlen uns aber trotzdem sehr unwohl. Denn in Unternehmens-intime Daten wie Gehaltslisten zu schauen, war bisher eine Grenze, die wir nie überschritten haben. Für die Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften braucht es deshalb viel Vertrauen untereinander. Haben Sie sich aufgrund Ihrer Überprüfungen von Unternehmern trennen müssen? Mir ist ein Fall bekannt. Sind Sie selbst vom Zoll bezüglich Mindestlohn schon überprüft worden? Nein, und wir wissen leider auch nicht, was der Zoll gerne sehen möchte. Was stört Sie in der Praxis am Mindestlohn am meisten? Besonders ärgerlich sind die papierbezogenen Meldungen an die Behörden im grenzüberschreitenden Verkehr. Hier wieder auf das Fax angewiesen zu sein, ist ein großer Rückschritt für ein Unternehmen mit modernsten IT-Strukturen. Wir reagieren Ihre Partner im Ausland auf das Thema Mindestlohn? Mit höchstem Unverständnis. Es wird teilweise auch dagegen geklagt. Auch wir glauben nicht, dass deutsche Mindestlohnvorschriften für grenzüberschreitende Verkehre mit europäischem Recht vereinbar sind. Wollen Sie auch vor Gericht klagen oder sich einer Sammelklage anschließen? Nein, das beabsichtigen wir zumindest momentan nicht und beobachten die Lage. In der Regel wird heißer gekocht als gegessen. Wir denken, dass sich in der Praxis die Vernunft durchsetzen wird. Was sollte die Politik dringend beim Mindestlohn ändern? Die Kontrollvorschriften sind aberwitzig und in der Praxis nicht anwendbar, hier sollte es Korrekturen geben. Außerdem können wir bei grenzüberschreitenden Verkehren nicht deutsches Recht über europäisches Recht stellen. Hier brauchen wir Rechtssicherheit. Wie hoch ist bei Ihnen der Bürokratieaufwand durch das Mindestlohngesetz? Etwa zwischen ein und zwei Prozent unserer Administrationskosten. Welche Fragen stellen Ihre Kunden zum Mindestlohn? Wir haben festgestellt, dass sich unsere Kunden beim Thema Mindestlohn selbst sehr gut auskennen, schließlich sind sie ja auch selbst Arbeitgeber und vom Mindestlohngesetz betroffen. Unsere Kunden setzen voraus, dass Dachser die entsprechenden Tätigkeiten in der logistischen Leistungskette gemäß Mindestlohngesetz und darüber hinausgehend entlohnt. Sichert Dachser den eigenen Kunden schriftlich zu, Mindestlohn zu zahlen? Dachser ist sich der Verpflichtungen aus dem deutschen Mindestlohngesetz bewusst. Auf entsprechende Aufforderungen von Geschäftspartnern reagieren wir grundsätzlich mit einer entsprechenden Bestätigung der Kenntnis und Beachtung der sich hieraus ergebenden relevanten gesetzlichen Anforderungen. Gibt es aufgrund des Mindestlohnes Preiserhöhungen bei Dachser? Dazu ein ganz klares Nein. Dachser denkt prozessorientiert und ganzheitlich - und das gilt auch für die Preisgestaltung. Wir betreiben auf Prozessebene ein permanentes Kosten-Monitoring und beziehen darin eine Vielzahl von relevanten Parametern ein. Die Preisgestaltung ist damit nachhaltig und nicht abhängig von isolierten Faktoren wie der Einführung des Mindestlohns in Deutschland. Vita Bernhard Simon Bernhard Simon (geboren 1960 in Kempten) ist seit dem 1. Januar 2005 Sprecher der Dachser-Geschäftsführung. Als Enkel des Firmengründers Thomas Dachser steht damit ein Vertreter der dritten Generation als CEO an der Unternehmensspitze.- Bernhard Simon ist seit 1989 bei Dachser in verschiedenen Positionen tätig. In dieser Zeit kümmerte er sich unter anderem um den Ausbau und die Optimierung des europäischen Netzwerks und die Verhandlungen zur Eingliederung des französischen Unternehmens Graveleau in die Dachser-Gruppe- Nach dem Abitur und seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann bei Dachser nahm Bernhard Simon sein Studium der Betriebswirtschaft an der Universität in Nürnberg auf. Im Jahr 1996 absolvierte der Diplom-Kaufmann ein Senior Executive Programm in Harvard/USA- Simon engagierte sich auch in der Entwicklungshilfe, er war unter anderem für die gemeinnützige Organisation"Terre des hommes" tätig und leitete 1988 ein mehrmonatiges Entwicklungshilfeprojekt in Brasilien- Bernhard Simon ist mit Birgit Kastner-Simon (52) verheiratet, die als Corporate Director für das weltweite Marketing bei Dachser verantwortlich ist ak Unternehmen Geschäftsfelder von Dachser Dachser zählt zu den führenden Logistikdienstleistern in Deutschland und Europa. Mit 25.000 Mitarbeitern in 42 Ländern erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2014 einen Umsatz von 5,3 Milliarden Euro. Dachser betreibt mit einem Umsatz von rund 3,2 Milliarden Euro (+5,3% zum Vorjahr) eines der größten Stückgutnetzwerke für palettierte Ware in Europa. Außerdem zählt Dachser zu den führenden Anbietern für Lebensmittellogistik in Deutschland. In diesem Bereich, der Lebensmitteltransporte und Konsumgüterkontraktlogistik umfasst, erzielte Dachser 2014 einen Umsatz von 687 Millionen Euro (+3,7%). Das dritte Standbein des Unternehmens ist der Sektor Air & Sea Logistics. Hier erwirtschafteten die Allgäuer im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,58 Milliarden Euro (+8%).Die 1930 von Thomas Dachser gegründete Spedition befindet sich auch heute noch komplett im Besitz der Familien der Unternehmensgründer-Töchter Christa Rohde-Dachser und Annemarie Simon, die das Unternehmen 1979 vom Vater geerbt haben. ak

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