Und es wird doch schön

Es war ein verrücktes Jahr - das soeben abgelaufene Jahr 2020. Mit allen Tiefschlägen, aber auch schönen Momenten, die die Corona-Pandemie mit sich brachte. Und wenn es nur war, dass wir trotz des Abstandhalten-Müssens alle ein wenig enger zusammengerückt sind. Positiv auch: "In der Krise wurde aus dem Kostenfaktor Logistik auf einmal ein systemrelevanter Erfolgsfaktor", formuliert es Maximilian Meyer, CEO des Osnabrücker Logistikunternehmens Meyer & Meyer. Winterblues und Frühlingserwachen Gleichwohl: Der neuerliche Shutdown vor Weihnachten verpasste der deutschen Wirtschaft und den Unternehmen, die sich in den Monaten Oktober und November endlich wieder erholten, einen mächtigen Dämpfer. Mit der Folge, dass das Münchener Ifo-Institut die Woche vor Weihnachten eher skeptisch ins neue Jahr 2021 blickte. So senkten die Konjunkturforscher ihre Prognose für das Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2021 von bislang 5,1 auf 4,2 Prozent: "Wegen des neuerlichen Shutdowns bei uns und in anderen Ländern verschiebt sich die Erholung nach hinten", sagte Timo Wollmershäuser, der Leiter der Ifo-Konjunkturforschung. Auch die deutschen Logistikunternehmen blicken etwas negativer ins neue Jahr. Dies geht aus den monatlichen Erhebungen zum Logistik-Indikator hervor, die das Ifo-Institut im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik (BVL) im Rahmen seiner Konjunkturumfragen durchführt. Demnach war vom im dritten Quartal geäußerten Optimismus im November nicht mehr viel übrig. "Kommt am Jahresende zum Winter-Blues der Lockdown-Blues hinzu?", fragt sich Professor Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der BVL. Zwar werde der erneute Lockdown bis in den Januar hinein andauern, "vielleicht sogar noch etwas länger". "Lassen Sie uns trotzdem optimistisch in Richtung des nächsten Frühjahrs schauen", appelliert er. "Die Zulassung von Impfstoffen und der Beginn der Impfungen sind absehbar, die Impfstofflogistik läuft schon jetzt auf Hochtouren", macht er Mut. Das Wirtschaftsleben werde nicht so stark zum Erliegen kommen wie im März/April 2020. Mut machen aber auch die Aussagen der hier vorgestellten Geschäftsführer mittelständischer Transport-, Speditions- und Logistikunternehmen. Wir haben ihnen nur zwei Fragen gestellt: Von welchem wirtschaftlichen Szenario gehen Sie aus? Und welches Thema/Projekt würden Sie in Ihrem Unternehmen angehen, wenn Sie ein ganzes Jahr lang ausschließlich dafür Zeit hätten? Die Antworten aller beweisen: Solange Unternehmer so viele Ideen haben, so sehr nach vorne denken und dabei ihr Geschäft im Blick behalten, muss einem um den Mittelstand in der Transport-, Speditions- und Logistikbranche nicht bange sein. Lassen Sie sich von den Aussagen inspirieren und stellen sich selbst die Frage: Wie wollen Sie 2021 Ihr Unternehmen voranbringen? Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Jahreswechsel sind immer besondere Zeiten. Jeder verfällt ins Grübeln, vielleicht sogar ins Träumen, was er im kommenden Jahr anders, besser, vielleicht neu machen will. Gerade nach dem aufreibenden Corona-Jahr 2020 sollte sich dafür jeder Zeit nehmen. Unsere Experten liefern spannende Anregungen. Reset-Knopf für Kooperationen Stefan Rehmet, Geschäftsführer der Stückgutkooperation 24Plus "Das Sendungsvolumen, das uns im Corona-Jahr 2020 in klassischen Geschäftsfeldern wie der Automobil- und Maschinenbaubranche weggebrochen ist, konnten wir durch die enormen Zuwächse im E-Commerce im Endkundengeschäft (B2C) wettmachen", sagt Stefan Rehmet, Geschäftsführer der Stückgutkooperation 24Plus. Unterm Strich habe das Netz in 2020 acht bis neun Prozent mehr Sendungsvolumen als im Vorjahr gehabt, wenngleich im B2C die Produktionskosten nach wie vor deutlich höher waren als im B2B.Doch Rehmet weiß: Die Speditionskooperationen-Welt wird sich durch die Marktkonsolidierung und das Fortschreiten der Digitalisierung stark verändern. "Mein Traum wäre es deshalb, mich einmal ein Jahr ausschließlich mit der Frage auseinanderzusetzen: Wie sieht die mittelständische Speditionskooperation im Jahr 2030 aus?", verrät er. Am liebsten wäre es ihm, wenn er dafür einen Reset-Knopf drücken und alles neu machen könnte."Wir könnten dann auf der grünen Wiese ein völlig neues Modell für Kooperationen modellieren, das hochgradig digitalisiert ist." Die digitale Transformation sei da nur ein erster Schritt. Viel spannender sei das Potenzial, das sich durch die Vernetzung unter den einzelnen Kooperationen ergebe: "Noch hat jeder Speditionsverbund seine eigenen IT-Strukturen, Standards und Codes. Die Zukunft liegt indes in der Vernetzung, in der Kooperation der Kooperationen." Und dafür will er im Jahr 2021 und in den Folgejahren die richtigen Weichen für 24Plus stellen. Lager stärker automatisieren Stefan Brinkmann, Geschäftsführer von B+S Logistik und Dienstleistungen Ein ganzes Jahr Zeit haben nur für ein Thema wäre für Stefan Brinkmann, Geschäftsführer von B+S Logistik und Dienstleistungen in Borgholzhausen, ein Traum. Für sein Unternehmen, das sich auf E-Fulfilment und logistische Mehrwertdienste in der Pharma-, Lebensmittel- und FMCG-Branche spezialisiert hat, habe er aber eine Vision, die er nun in den kommenden Jahren schrittweise umsetzen will: „Das E-Commerce ist sehr kleinteilig. Da braucht es Automatisierung. Und diese Automatisierung will ich in unseren Lagern vorantreiben.“ Start werde in der Kommissionierung im E-Commerce-Bereich sein, kündigt er an. Dieses Geschäft sei sehr personalintensiv und schon heute durch die massiven Mengenpeaks personell schwer zu handeln. Potenziale sieht Brinkmann etwa durch Auto-Store, den Einsatz automatisierter Systeme in der Kommissionierung, etwa von Robotertechnik für das Verpacken von Ware in Kartonagen. Auch in Hochregallagern in der Kontraktlogistik sieht er AutomatisierungsBedarf. Da diese aber im Drei-SchichtBetrieb betrieben würden und es dazu sehr versiertes Personal brauche, sei dies Stand heute zu vertretbaren Kosten für Logistikdienstleister nur schwer darstellbar – außer bei zehn Jahre langen Vertragslaufzeiten. „Meine Vision sind aber keine menschenleeren Lager“, betont Brinkmann. Aufgrund der heterogenen Produktstruktur sei dies auch unrealistisch. Aber einfache und wiederkehrende Prozesse, etwa die von Ware zu Mensch, ließen sich automatisieren. „Und diese Aufgaben werden wir automatisieren. An unserem Standort in Alzenau werden wir damit in 2021 starten.“ Mehr Freiräume fürs Wesentliche Matthias Schork, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Wüst „Ich erwarte nicht, dass unser Umsatz im Jahr 2021 einbricht oder gar das Tal der Tränen kommt, aber großes Wachstum erwarte ich auch nicht“, sagt Matthias Schork, Geschäftsführer der Spedition Wüst in Weißenburg, die mit 120 Mitarbeitern zwölf Millionen Euro Umsatz im Teil-, Komplettladungs- und Stückgutgeschäft und der Kontraktlogistik erwirtschaftet. „Ein ganzes Jahr Zeit für ein Thema zu haben, wäre für mich ein Traum. Wir sind ja oft im Hamsterrad“, sagt er. „Anstelle von kurzen Mails könnte ich dann einmal in Ruhe mit meinen Kunden sprechen, ihnen zuhören.“ Nicht, um Kundenakquise zu betreiben, sondern um von diesen zu erfahren, wo sie der Schuh drücke, wo sie Unterstützung brauchen. „Nur dann weiß ich, ob unsere Spedition richtig im Markt positioniert ist und ob wir die richtigen Kundenservices bieten.“ Das Gleiche gelte natürlich für seine Mitarbeiter. Denn auch diese haben so viele tolle Ideen. Kurz gesagt: „In diesem einen Jahr würde ich endlich die Zeit für die Aufgaben haben, die ich als Firmenchef angehen muss.“ Damit das nicht nur ein Traum bleibt, wird er in seiner Spedition in 2021 die zweite Führungsriege verstärken. „Diesmal kann der Bewerber durchaus ein Unternehmensfremder sein. Ich möchte mir ja nicht nur mehr Freiräume für meine Aufgaben als Firmenchef schaffen, sondern auch frische Impulse von außen hereinholen. Und beides wird helfen, unser Unternehmen im neuen Jahr nochmals ein gutes Stück nach vorne zu bringen.“ Ein Daten-Standard für alle Alexander Schuon, Geschäftsführer des Transport- und Logistikunternehmens Schuon Für das Jahr 2021 ist Alexander Schuon, Geschäftsführer des Transport- und Logistikunternehmens Schuon in Haiterbach, zuversichtlich. Hoffnung macht Schuon, der 250 eigene Lkw und JumboSchwerlastzüge einsetzt, zum Beispiel die Laderaumsituation. „Der Frachtraum ist seit Sommer wieder knapp, auch weil wohl osteuropäische Betriebe Kapazitäten aus dem Markt genommen haben. Im Eigenfuhrpark liegt also nach wie vor unsere Zukunft.“ Aber auch im logistischen Handling von Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität sieht er Wachstumschancen. Wirkliches Potenzial sieht der 41-Jährige aber in einem anderen spannenden Thema. „Hätte ich ein Jahr lang Zeit, mich nur um ein Thema zu kümmern, würde ich an der Schaffung eines gemeinsamen, einheitlichen DatenStandards für unsere Transportbranche arbeiten“, verrät er. Vorteil eines solchen einheitlichen Standards sei, dass sich über diesen alle Konzerne mit ihren ITSystemen an die IT-Systeme ihrer Transportpartner anbinden könnten, skizziert Schuon seine Idee. Tatsächlich gebe es noch immer unzählige Insellösungen, die nicht miteinander kommunizieren können. Und wenn Anbieter an solchen Standards arbeiten, orientieren sie sich immer an den Verladern, moniert er. „Und wir Transportunternehmer müssen uns diesen Lösungen dann fügen, die der Verlader vorgibt.“ Sinnvoller sei: „Die Transportbranche muss ihren eigenen Datenstandard entwickeln. Jeder Verlader, der uns elektronisch Daten übermitteln will, kann diesen dann nutzen. Einheitliche Schnittstellen sparen Zeit und Geld.“ Ein Jahr Zeit für ein solches Projekt hat Schuon leider nicht. Dennoch wird er das Thema auch im Rahmen von Kooperationen aufgreifen und daran arbeiten. Effizienz durch Verdichtung „Vorsichtig optimistisch – das ist meine Lieblingshaltung. Und so gehe ich auch ins Jahr 2021“, formuliert es Roland Rüdinger, geschäftsführender Gesellschafter der Rüdinger Spedition in Krautheim. „Die Pandemie hat gezeigt, dass es ohne Gütertransport nicht geht. Ob Lockdown oder nicht – die Menschen wollen versorgt werden – auch in 2021“, sagt er. Was ihn vergangenen Frühjahr aber erstaunt habe, waren die enormen Sendungszuwächse im Privatkundensegment (B2C). „Früher lag unser B2C-Anteil im Stückgut bei fünf bis zehn Prozent, im Mai 2020 waren es plötzlich 30, ja bis zu 40 Prozent. Sprich: Was die Menschen nicht im Tourismus ausgeben können, geben sie nun für ihr Zuhause und ihren Garten aus.“ Gerade im sperrigen XXL-B2C-Stückgutsegment erwarte er deshalb im ersten Halbjahr 2021 starke Zuwächse, während Maschinenbau und Messebau coronabedingt schwierig blieben. „Alles in allem werden wir in 2021 also auf dem Umsatzniveau von diesem Jahr bleiben.“ Rüdingers wichtigstes Projekt auf dem Schreibtisch für 2021 heißt deshalb „effizientes Sammelgut im ländlichen Raum“. „Mit niedrigem Entgelt durch gute Organisation gutes Geld verdienen – das ist mein Ziel für 2021.“ Wichtiger Hebel ist für Rüdinger der Sammelguteingang: „Je mehr Volumen wir im Eingang haben, desto besser können wir die Zustellverkehre optimieren.“ Deshalb arbeitet seine Spedition im Stückgut- und Teilladungsgeschäft schon heute mit den fünf Kooperationen Online Systemlogistik, Elvis, Simcargo, 24Plus und Cargoline. „Und ab Januar 2021 kommt mit VTL das sechste System dazu.“ Der ebenso wichtige Baustein für mehr Effizienz ist für Rüdinger die Digitalisierung – und auch hier hat er in 2021 Neues im Köcher. Mehr dazu will er noch nicht verraten.

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