Umweltschutz hat seinen Preis

Viele Transportdienstleister glauben, dass hierzulande die Umweltschutznormen besonders streng sind. Umweltzonen, Lärmvorschriften und jetzt womöglich noch eine CO2-Steuer: In der Tat, das sind Vorgaben, deren Einhaltung eine Menge Aufwand verlangen. Doch lohnt sich ein Blick über die Grenze zu den Nachbarn. Was Peter Leegstraten, Manager Einkauf & Innovationen beim niederländischen Einzelhändler Albert Heijn, vergangene Woche den Gästen des Lebensmittel-Symposiums von Schmitz Cargobull in Vreden auftischte, das übertraf das Umwelt-Engagement der meisten Transportdienstleister wie auch Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. Und zwar deutlich. Albert Heijn setzt auf LNG - derzeit Schon 2006 hatte das Unternehmen Auflagen zu erfüllen bei der Nachtanlieferung der Supermärkte: Euro-V-Motoren waren Pflicht und die Reduzierung des Lärmpegels um 60 Dezibel. 2011 begann das Unternehmen damit, erste LNG-Sattelzüge zu testen - in Deutschland noch heute bei den allermeisten Unternehmen mit Fuhrpark eine Rarität. "Heute sind für uns etwa 170 LNG-Fahrzeuge im Einsatz. Das wird noch mehr werden", kündigte Leegstraten an. Auch in Deutschland sei LNG ein großes Thema. "Es gibt nur keine Tankstellen", ergänzte er. Ein ironischer Unterton war dabei zwar nicht zu vernehmen. Dennoch, bei den Zuhörern sorgte diese Bemerkung für Schmunzeln. Albert Heijn besitzt keinen eigenen Fuhrpark. Die 1000 Sattelzugmaschinen betreiben ausschließlich Dienstleister. Der Lebensmitteleinzelhändler hat seit 2011 neben LNG andere Techniken im Einsatz: 2013 den ersten Hybrid-Lkw und 2017 den ersten vollelektrischen Sattelzug. Doch warum dieser Aufwand mit alternativen Antrieben, der mit hohen Kosten verbunden ist? "Wir wollen gute Nachbarn sein", sagte Leegstraten. Anders ausgedrückt: Wenn vor den Supermärkten Lkw stehen, die die Luft verpesten und großen Lärm verursachen (und das womöglich in der Nacht), dann kaufen die Menschen dort nicht mehr ein. Es gibt aber noch einen zweiten Grund für das Engagement: die Gesetzgebung in den Niederlanden. Die hat ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht in der Initiative, nach der es 2025 in 20 bis 40 holländischen Städten eine emissionsfreie Zone geben soll. Dieses ambitionierte Vorhaben stellt selbst Leegstraten infrage: "Beim Klimaabkommen herrschte Realismus und es gab einen Übergangsraum bis 2030, aber in der Stadtpolitik?" Was ist dann angesichts dieser ehrgeizigen Ziele der Antrieb der Zukunft? "Es gibt nicht die eine Lösung für alles", sagt Leegstraten. Sein Haus setzt für das Segment Sattelzüge zunächst auf Bio-LNG. Damit sei immerhin eine CO2-Reduktion von 80 Prozent möglich. Doch die angestrebte Null-Emissionsgrenze wird damit nicht erreicht. Deshalb ist sein Favorit die Brennstoffzelle mit Wasserstoffantrieb. Mit einem Prototyp rechnet er frühestens 2025. "2028 bis 2030 könnten dann die ersten Fahrzeuge am Markt erhältlich sein", ist die Auskunft, die er aus der Nutzfahrzeugindustrie erhalten hat. Zur Reduzierung der Emissionen gehört im Lebensmitteltransport auch das Kühlaggregat, das derzeit in der Regel mit einem Dieselmotor angetrieben wird. Hier hat Schmitz Cargobull einen Prototyp entwickelt, der rein elektrisch betrieben wird. Derzeit wird dieses Gerät in der Praxis getestet (siehe auch Interview Seite 20). Als nächster Schritt soll eine elektrische Achse mit Generator als zusätzliche Stromquelle entwickelt werden. "Ab dem vierten Quartal 2020 wollen wir diese Kombination mit Kunden testen", kündigte Marnix Lannoije, Head of Electric & Electronic Systems Engineering bei Schmitz Cargobull, an. Die Emissionsvermeidung ist jedoch nicht das einzige Thema, das den Akteuren in der Lebensmitteldistribution Kopfzerbrechen bereitet. Ein anderes sind die Wartezeiten an den Handelszentrallagern. Dazu zitierte Thomas Klann, Key Account Manager Food Logistics bei Dachser, die von der VerkehrsRundschau erhobene Zahl, nach der die Wartezeit an den Rampen durchschnittlich eine Stunde und sieben Minuten betrage: "Diese Zahl können wir aus unseren Erfahrungen bestätigen." Die Entladezeit, die Abwicklung von Dokumenten, der Palettentausch und andere Prozesse führen dazu, dass die Fahrzeuge erst zwei bis drei Stunden nach der Anmeldung das Handelszentrallager wieder verlassen, so Klann. Solch lange Zeiten sind fatal angesichts des Fahrermangels. Da die Berufskraftfahrer mehrheitlich 50 und älter sind und in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, spitzt sich der Fahrermangel laut Klann weiter zu. "Bis zum Jahr 2025 werden in Deutschland 300.000 qualifizierte Berufskraftfahrer fehlen", befürchtet der Dachser-Manager. Umso wichtiger ist es, dass diese Ressource auch richtig eingesetzt wird. Zeitfenster zu buchen, um die Wartezeiten zu verringern, sei zwar ein richtiger Gedanke. Aber: "Die Realität sieht anders aus", kritisierte Klann. So würden zwar fast alle Händler mit Zeitfenstern arbeiten. Aber: "Nur 60 Prozent aller Stopps werden tatsächlich mit einem Zeitfenster belegt", hat Klann festgestellt. Hinzu kommt, dass die Fahrer immer häufiger an der Rampe Tätigkeiten übernehmen, die nicht zu ihren Aufgaben zählen. "Wir haben 22 Warenempfänger identifiziert, bei denen das der Fall war, und von ihnen eine entsprechende Gebühr erhoben", sagt Klann. Dachser gibt diese Summe, so Klann gegenüber der VerkehrsRundschau, an die Partnerunternehmen weiter. Wartezeit beim Handel sorgt für Unmut Auch bei dem Sekthersteller Schloss Wachenheim sorgen die langen Wartezeiten in den Logistikzentren des Handels für Unmut. Das Unternehmen hat die Wartezeiten der Lkw im vierten Quartal 2018 erfasst. Bei insgesamt 5366 Messdaten betrug bei 1751 Anlieferungen die Aufenthaltsdauer der Lkw mehr als zwei Stunden. "Die Wartezeit zwischen Ankunft und Abfertigung ist das Problem", sagte Arno Kuhl Head of Strategic SCM bei Schloss Wachenheim. Denn im Durchschnitt betrug die Dauer von der Ankunft bis zur Entladung eine Stunde und 14 Minuten und war damit der größte Block der gesamten Wartezeit, die durchschnittlich bei zwei Stunden und zehn Minuten lag. Um dieses Problem zu lösen, will Kuhl die AGB ändern, wie er es schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber, der Molkereigenossenschaft Arla, getan hat. "Da steht beispielsweise drin, dass bei Nichtverfügbarkeit von Zeitfenstern nicht mehr angeliefert wird", sagt Kuhl. Weiterhin sollen die neuen AGB festhalten, dass die Verantwortung für das Entladen und weitere Lagertätigkeiten nicht mehr vom Fahrer übernommen werden. Ein weiterer Passus: "Kunden, die haltbare Lebensmittel bestellen wie Getränke, werden nur noch einmal die Woche angeliefert." Damit will Kuhl erreichen, dass die Kunden direkt mit Komplett- oder Teilladungen beliefert werden können und der Umweg über ein Cross-Docking-Center vermieden wird. Deutlich steigende Anforderungen an den umweltfreundlichen Transport, Fahrermangel und bessere Bedingungen an den Handelsrampen: Das waren nur einige Themen auf dem Lebensmittelsymposium. Die damit verbundene Botschaft an den Handel war eindeutig: Er muss sich stärker einbringen und mit einer spürbaren Verteuerung rechnen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Handelslogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze In der Lebensmittellogistik spielt der umweltfreundliche Transport eine besonders wichtige Rolle, da sich viele Filialen in den Innenstädten befinden. Vorreiter bei einer Belieferung mit möglichst wenigen Emissionen sind die Niederlande. Von ihren Erfahrungen könnten auch die Lebensmittellogistiker in Deutschland profitieren. Podcast In dieser Woche geht es im Podcast "VerkehrsRundschau Funk" um die Trends in der Lebensmittellogistik. Auf Plattformen wie iTunes oder Spotify und direkt auf unserer Website können Sie mehr hören: zum Beispiel weitere Aussagen von Schmitz-Cargobull-Vorstand Boris Billich zu dem Beitrag, den sein Unternehmen zum emissionsarmen Transport liefern kann >>www.verkehrsrundschau.de/podcast

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