Transportrecht

Transportrecht Diese BGH-Urteile sollten Sie kennen 2013 hat der für Transportrecht zuständige Erste Senat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vier wichtige Entscheidungen gefällt. Worum es geht und was eine Transportrechts-Expertin Spediteuren und Frachtführern rät, um Haftungsfallen zu vermeiden. Im Transportrecht geht es häufig um immense Haftungssummen. Fehler sollten Spediteuren und Frachtführern nach Möglichkeit nicht unterlaufen. Doch nicht immer sind die Pflichten klar umrissen. Selbst Juristen streiten mitunter um die richtige Auslegung von Normen und Verträgen. Spediteur haftet nicht trotz fehlender Transportversicherung Das zeigt beispielsweise der Fall einer Spedition, die auf Schadensersatz in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro verklagt wurde. Sie wurde von einem Fertighausteile-Hersteller beauftragt, Module für den Bau eines Studentenwohnheims nach Schweden zu befördern. Die Teile sollten von der Produktionsstätte zum Kieler Hafen transportiert, von dort per Schiff nach Schweden gebracht und anschließend per LKW zur Baustelle geschafft werden. Als der Hersteller in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, schloss der schwedische Bauherr direkt mit dem Spediteur einen Transport-Speditionsvertrag über 231 Module. Bestandteil der Vereinbarung war auch der Abschluss einer Transportversicherung. Bei der Ankunft in Schweden waren allerdings 125 Module durch Feuchtigkeit beschädigt. Es stellte sich heraus, dass der Schaden nicht versichert war. Die abgeschlossene Versicherung bestand nämlich nur zugunsten des Herstellers. Der Bauherr klagte. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte klar, dass die Spedition von einer Haftung nach Artikel 17, Absatz 1 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) befreit war, weil die Beschädigung auf eine vereinbarte Verwendung von offenen, nicht mit Planen gedeckten Fahrzeugen zurückzuführen war. Die Verwendung offener Fahrzeuge sei Gegenstand des Transportvertrags gewesen, weil die übergroßen Module nur auf offenen Tiefladern transportiert werden konnten und dies der Klägerin bekannt gewesen sei. Dies gelte hier sogar ohne einen entsprechenden Vermerk im Frachtbrief, weil die CMR im vorliegenden Fall lediglich aufgrund von Parteivereinbarung zur Anwendung kamen. Zum anderen mussten die Richter prüfen, ob den Bauherrn ein Mitverschulden trifft, weil er nicht umgehend auf den fehlenden Versicherungsschutz hingewiesen hatte. Die BGH-Richter verneinten und erklärten sinngemäß: Ein Unternehmer, der entgeltliche Leistungen anbietet, ist im Allgemeinen für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung allein verantwortlich. Ein Mitverschulden des Auftraggebers liegt deshalb in der Regel nicht vor, wenn der Unternehmer den entstandenen Schaden nach dem Inhalt des Vertrags hätte verhüten müssen und der geschädigte Auftraggeber zu eigenen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen nicht verpflichtet war (28. Februar 2013, Aktenzeichen: I ZR 180/11). Der BGH verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. Einordnung: „Eine vertraglich übernommene Verpflichtung, eine Transportversicherung abzuschließen, sollte man sehr genau einhalten“, sagt die Bundesgerichtshof-Anwältin Barbara Genius aus der Karlsruher Kanzlei Prof. Dr. Reinelt & Dr. Genius. „Es gibt keine Möglichkeit, sich dieser Verpflichtung im Nachhinein zu entziehen.“ Zudem rät sie: „Wer vorsichtig sein will, sollte bei der Vereinbarung eines speziellen Rechts wie hier der CMR auch die dort genannten Anforderungen erfüllen und besser einen Vermerk über die Beförderung mit offenen Fahrzeugen im Frachtbrief machen.“ Denn nicht immer könne der Frachtführer rechtlich überblicken, ob er von der Vorgabe befreit sei, weil nach dem ohne die Vereinbarung anzuwendenden deutschen Recht andere Regeln gelten. Frachtführer muss qualifiziertes Verschulden widerlegen In einem weiteren Fall sollten mehrere Maschinen zu einer Messe nach Chicago transportiert werden. Der deutsche Hersteller beauftragte ein Unternehmen mit dem Bau spezieller Holzkisten, anschließend gingen die Maschinen per LKW und Schiff in die Vereinigten Staaten. Der US-amerikanische Zoll untersagte wegen der verwendeten Hölzer die Einfuhr. Die Spedition hatte für die Transportabwicklung in den USA eine weitere Spedition beauftragt. Diese bat beim Hersteller um Weisung, ob die Maschinen nach Deutschland zurückgeschickt oder ausgepackt und mit einem Tieflader zur Messe nach Chicago transportiert werden sollten. Fakt ist, dass die Maschinen anschließend von einer Firma unsachgemäß ausgepackt und verladen wurden und dadurch einen Transportschaden erlitten. Wer die Firma beauftragte, blieb ungeklärt. Die klagende Transportversicherung verlangte von der Spedition Schadensersatz. Der BGH erklärte, dass für den Schaden im US-amerikanischen Hafen grundsätzlich der Frachtführer einzustehen habe. Gemäß Paragraf 425, Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) haftet er verschuldensunabhängig für den während seiner Obhut eingetretenen Schaden. Allerdings ist diese Haftung begrenzt auf 8,33 Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm des Rohgewichts. Ausnahme: Der Frachtführer oder seine Leute haben vorsätzlich oder leichtfertig und im Bewusstsein gehandelt, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Das muss im Prinzip der Anspruchsteller beweisen, hier also die Versicherung. Allerdings hat er diese Möglichkeit in einigen Fällen gar nicht, weil ihm wichtige Informationen fehlen. Dann kann den Anspruchsgegner die sekundäre Darlegungs- und Beweislast treffen: Legt die Klage qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe, muss der beklagte Frachtführer Angaben zu den Umständen der Schadensentstehung machen, ihn trifft eine Recherchepflicht. Das, so der BGH, hätten die Vorinstanzen nicht ausreichend berücksichtigt (11. April 2013, Aktenzeichen: I ZR 61/12). Sie verwiesen den Fall zurück und gaben dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit auf den Weg: Sollte den Frachtführer kein qualifiziertes Verschulden treffen, kämen die Haftungsbeschränkungen der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) zur Anwendung, und zwar Ziffer 23.1.3 ADSp, da es sich hier um eine multimodale Beförderung unter Einschluss einer Seestrecke handele. Der Frachtführer hafte dann nur auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm. Hierfür sei es egal, ob der Schadensort bekannt und auf welcher Teilstrecke der Schaden eingetreten sei. Einordnung: „Mit diesem Urteil bestätigt der BGH seine Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast. Er macht nochmals deutlich, dass der Frachtführer in den Fällen, in denen ein qualifiziertes Verschulden naheliegt, selbst aktiv werden muss, um sich zu entlasten“, erklärt Anwältin Genius. Er müsse genaue Angaben zum Schadensverlauf machen. Dazu sei es auch erforderlich, zu recherchieren, die Beteiligten zu befragen und alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, so die Juristin. Vorschriften über Eisenbahnbeförderung haben Vorrang Im Herbst 2013 entschied der BGH dann im Fall einer Spedition, die auf Grundlage eines Rahmenvertrags mit der Firma Grundig Unterhaltungselektronik Fernseher von Istanbul nach Deutschland befördern sollte. Sie beauftragte dazu einen Subunternehmer, der wiederum ein anderes Unternehmen mit dem Transport beauftragte. Das Transportgut wurde von der türkischen Verkäuferin in Container verladen und verplombt. Ob ein Fahrer der beklagten Spedition bei der Beladung des Containers in Istanbul anwesend war oder den bereits verplombten Container übernahm, ist unklar. Fest steht, dass der Transport zum Containerbahnhof per LKW erfolgte, von Istanbul nach Nürnberg ging es auf der Schiene weiter. Beim Entladen des Containers stellten Mitarbeiter fest, dass TV-Geräte fehlten. Die Transportversicherung machte daraufhin rund 35.000 Euro gegenüber der Spedition geltend. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte zunächst angenommen, dass der Fall nach den Vorschriften des deutschen Landfrachtrechts des HGB zu beurteilen sei, da der Schadensort unbekannt sei und es sich um einen Multimodaltransport handele. Danach würde der Spediteur verschuldensunabhängig für den während seiner Obhut eingetretenen Schaden haften. Auf eine Haftungsbegrenzung könnte er sich nicht berufen, da ihm ein qualifiziertes Verschulden anzulasten wäre. Der BGH drehte die Haftungsuhr aber zurück und stellte klar, dass hier die spezielleren Regelungen der CIM, also die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern, zur Anwendung kommen. Das ist, vereinfacht gesagt, immer dann der Fall, wenn aufgrund eines einzigen Vertrages eine grenzüberschreitende Beförderung auf der Schiene in Ergänzung auf der Straße oder auf Binnengewässern im Binnenverkehr weitergeführt wird. Die Richter machten deutlich, dass „in Ergänzung“ nicht bedeute, dass die Bahn den Übernahme- oder Ablieferungsort etwa wegen Fehlens eines Gleisanschlusses gar nicht auf der Schiene erreichen kann. Es bedeute vielmehr, dass der Straßenbeförderung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommen dürfe (9. Oktober 2013, Aktenzeichen: I ZR 115/12). Der BGH hob daher das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Für die Neuverhandlung wies er die Kollegen vorsorglich noch auf Folgendes hin: Es stehe keineswegs fest, dass der vom Frachtführer übernommene Transportcontainer die von der Versicherung behaupteten Artikel enthalten habe. Die Versicherung müsse darlegen und beweisen, dass das Gut während der Obhutszeit des Frachtführers abhanden gekommen sei. Ob ein qualifiziertes Verschulden gegeben sei, das zum Wegfall der gesetzlichen Haftungsgrenzen führe, sei dann nach CIM zu beurteilen. Einordnung: „Erstmals liegt eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage vor, was der Wortlaut „in Ergänzung“ in Paragraf 3, Artikel 1, CIM bedeutet“, erklärt Rechtsanwältin Genius die Entscheidung. „Bisher war die Auslegung des Tatbestandsmerkmals ungeklärt.“ Zu einer ähnlichen Problematik habe sich der BGH vor nicht allzu langer Zeit im Rahmen der Luftbeförderung geäußert, so Genius: „Die Abgrenzung, die das Gericht bei der Eisenbahnbeförderung getroffen hat, richtet sich nach der Lebensanschauung – der Bedeutung der Straßenbeförderung im Verhältnis zur Schienenbeförderung – und nicht nach dem Vorhandensein oder Fehlen eines Gleisanschlusses.“ Pfandtausch muss bei berechtigtem Verlangen möglich sein In einem anderen Rechtsstreit, der vor dem höchsten deutschen Zivilgericht landete, ging es um typische Logistikdienstleistungen: Ein Online-Händler für gebrauchte Computer hatte 2008 ein Logistikunternehmen mit dem Versand der verkauften Elektronik beauftragt. Doch bereits ein halbes Jahr später begann die Geschäftsbeziehung zu kriseln. Der Logistikdienstleister erhöhte die Versandpreise. Das wollte der Online-Händler nicht akzeptieren und beendete die Zusammenarbeit. Er verlangte im November 2009 die Herausgabe der noch eingelagerten Ware. Der Logistiker verweigerte das mit Hinweis auf vermeintliche Gegenansprüche in Höhe von 32.000 Euro. Erst zwei Jahre später sah der Händler seine Computer wieder – inzwischen überwiegend wertlose Ware. Die Parteien überzogen sich gegenseitig mit Klagen. Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass der Logistikunternehmer dem Online-Händler für den Schaden, also Wertverlust und entgangener Gewinn, haften muss. Die Revision zum BGH ließ das Gericht nicht zu. Dagegen wehrte sich der Dienstleister – jedoch ohne Erfolg. Zwar stehe dem Logistikunternehmen aufgrund der offenen Forderungen ein Pfandrecht an der eingelagerten Ware zu, so die Richter. Seine Forderungen betrugen tatsächlich aber nur 3400 Euro. Wegen des drohenden Wertverfalls der Ware hatte der Online-Händler angeboten, eine Sicherheit in Höhe von 10.000 Euro zu leisten. Das hätte der Logistiker annehmen müssen. Denn nach Paragraf 1218, Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) habe der Verpfänder gegen den Pfandgläubiger einen Anspruch auf Rückgabe der Pfandsachen Zug um Zug gegen Gewährung einer ausreichenden Sicherheit, wenn eine wesentliche Minderung des Werts des Pfandes zu befürchten sei. Dazu gehöre auch die Hinterlegung von Geld. Komme der Pfandgläubiger dem Austauschverlangen nicht nach, mache er sich schadensersatzpflichtig (20. Juni 2013, Aktenzeichen: I ZR 132/12). Einordnung: „Der BGH hat eindeutig klargestellt, dass der Gläubiger Schadensersatz leisten muss, wenn er bei einem berechtigten Austauschverlangen die Pfandsache trotz ausreichender Sicherheitsleistung nicht heraus gibt“, erklärt BGH-Anwältin Genius. Das könne für denjenigen teuer werden, der sich nicht korrekt verhalte, sagt die Anwältin. Der Schuldner sei so in jedem Fall abgesichert. ❙❚■ Ina Reinsch, freie Journalistin Grundsätzlich haftet laut HGB der Frachtführer für Warenschäden, die in seiner Obhut entstehen „Behält der Gläubiger Pfandsachen trotz ausreichender Sicherheiten, muss er Schadensersatz leisten“ Barbara Genius, Rechtsanwältin am Bundesgerichtshof

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