In der Transfrigoroute Deutschland sind vor allem Lebensmitteltransporteure und -spediteure organisiert. Warum haben Sie sich jetzt auf Ihrer Jahreshauptversammlung verstärkt der Pharmalogistik gewidmet?
Hubertus Kobernuß: Viele Pharmaprodukte reagieren den Herstellern zufolge auf Temperaturschwankungen und Luftfeuchtigkeit viel empfindlicher als viele konventionelle temperaturgeführte Lebensmittel, Obst und Gemüse. Temperaturgeführte Transporte sind für viele Pharmaprodukte also unerlässlich. Genau das ist das Know-how unserer Mitgliedsfirmen. Sie führen traditionell temperaturgeführte Transporte durch. Sie wissen, wie sensible Güter gehandelt werden müssen. Deshalb war es für Transfrigoroute wichtig, das Thema Pharma aktiv aufzugreifen.
Sie können sich also vorstellen, dass Ihre Mitglieder in der Pharmalogistik einsteigen?
Auf jeden Fall. Jedes Unternehmen sucht ja nach Geschäftsfeldern, die zu ihm passen, mit denen es wachsen kann. Im Gegensatz zum Silogeschäft gibt es im temperaturgeführten Segment nur begrenzt Möglichkeiten. Der Pharmabereich wäre daher eine sinnvolle Ergänzung für unsere Branche. Zudem ist dieses Segment frachtpreislich interessant.
In der Lebensmittellogistik lässt sich also kein Geld mehr verdienen?
„Billig, billig – macht den Kunden willig.“ Nach dieser Devise wird heute in der Lebensmittelbranche gearbeitet. Dieser Preisdruck wird vom Handel vorgegeben, an die Hersteller weitergegeben und an die Logistikdienstleister durchgereicht. Dieser Druck schnürt einem die Luft zum Atmen ab. Zusätzlich verschärft wird dies, weil viele Plane-Spriegel-Transporteure glauben, in der Lebensmittellogistik mitmischen zu können, nur weil sie einen Kühlauflieger mieten. Alles das macht die Preise kaputt.
Wie stark spüren Sie den Wettbewerb vonseiten der beiden Lebensmittel-Logistiknetze Dachser und Nagel Group?
Das ist ein Thema. Durch die Industrialisierung ihrer Prozesse können beide Netze Lebensmittel standardisiert pünktlich in hoher Preis-Leistungs-Qualität flächendeckend zustellen. Problem ist, dass beide auch verstärkt ins Teil- und Komplettladungsgeschäft in der Lebensmittelbranche einsteigen. Da drängen sie in angestammte Geschäfte der Mittelständler. Zudem spüren wir vor allem den Wettbewerb aus Osteuropa, der eine neue Dimension gewinnt.
Inwiefern?
Die osteuropäischen Betriebe fahren heute mit modernem Equipment, haben deutlich an Know-how dazugewonnen, auch in ihrer Disposition. Das ist eine neue Dimension des Wettbewerbs, die uns sehr zu schaffen macht, und die unsere Mitglieder zwingt, nach neuen Geschäftsfeldern Ausschau zu halten – Stichwort Pharma.
Welche Services für die Pharmabranche sind da konkret vorstellbar?
Unsere Mitgliedsfirmen sind auf das Handling und die Beförderung von temperaturgeführten Produkten spezialisiert – von minus 30 Grad bis plus 30 Grad Celsius. Viele sind multi-tempfähig, etwa durch eine Trennwand und einen zusätzlichen Verdampfer in ihrem Fahrzeug. Wir können also alle Anforderungen der Pharmabranche erfüllen. Flexibel, schnell und individuell. Das ist unser Vorteil als Mittelständler.
Wie kann Transfrigoroute Deutschland beim Einstieg in die Pharmalogistik helfen?
Unser Schwerpunkt ist der Know-how-Transfer – sowohl im betriebswirtschaftlichen als auch im juristischen Bereich. Wir initiieren Arbeitskreise mit allen Partnern in der Logistikkette. Wir haben die Fachkompetenz im Haus – auch und gerade im Zusammenspiel mit dem BGL.
Das Interview führte VR-Redakteurin Eva Hassa