Tiaca-Konferenz

Tiaca-Konferenz Flickenteppich Fracht-Sicherheit Die Luftfrachtbranche stöhnt auf der Tiaca-Konferenz in Atlanta über die Umsetzung der Sicherheitsvorschriften. Gleichzeitig schwächelt weltweit der Markt – Wachstum wird erst wieder ab 2014 erwartet. Es gab viele Treueschwüre und Positivaussagen in Sachen Luftfracht, die die VerkehrsRundschau auf dem 26. Tiaca Aircargo Forum Anfang Oktober im US-amerikanischen Atlanta beobachten konnte: „Die Cargo-Industrie der USA spielt eine vitale Rolle, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten“, betonte zum Beispiel US-Verkehrsminister Ray LaHood in seinem Eingangsstatement anlässlich der Eröffnung des weltweiten Branchentreffens. William Flynn, der Chef von Atlas Air, setzte noch einen drauf, indem er während einer prominent besetzten Podiumsdiskussion auf die überragende Bedeutung der Luftfracht für die weltweiten Märkte hinwies. Und Mitch Nichols schließlich, der Präsident von UPS Airlines, wies gemeinsam mit Ceva-CEO John Patullo darauf hin, dass steigender Wohlstand und neue Käufergruppen den Welthandel in den kommenden Jahren weiter wachsen ließen. Die Luftfracht werde dadurch deutlich profitieren, war die einhellige Meinung der auf der Tiaca vertretenen Branchengrößen. Mannigfaltige Defizite Alles klar also in Atlanta und überhaupt? Mitnichten. Als erster Redner wies der Chef von Delta Air Lines, Richard Anderson, auf eines der mannigfaltigen Defizite hin, die die Cargo-Branche schon länger mit sich trägt. Unter Verweis auf das elektronische Ticketing im Passagiertransport kritisierte der Manager, dass Luftfracht infolge fehlender Technik noch immer auf papierne Begleitdokumente angewiesen sei, statt Sendungen elektronisch abzuwickeln. Auch das Thema Sicherheit mutet trotz manifester Fortschritte noch teilweise wie ein Flickenteppich an. Die Vereinbarung zwischen den USA und der EU über die gegenseitige Anerkennung ihrer Sicherheitsprozesse sei zwar ein Leuchtturmprojekt, aber viele Länder hätten trotz verbaler Bekundungen praktisch bislang noch wenig für dieses Thema getan. Scharf kritisiert wurde von Teilnehmern auch die doppelzüngige Praxis der in den USA geltenden unterschiedlichen Sicherheitsregeln für in Vollfrachtern transportierte Sendungen und jenen, die im Rumpf von Passagierflugzeugen befördert werden. Während bei Frachter-Fracht keine vollständige Röntgenpflicht gilt, ist dies für alle Packstücke, die im Rumpf von Passagierfliegern in die USA transportiert werden, ab dem 3. Dezember dieses Jahres ausnahmslos Pflicht. Damit hätten sich die Washingtoner Lobbyisten von UPS und Fedex voll durchgesetzt, kritisierte ein führender Manager abseits der offiziellen Bühne auf der Tiaca-Veranstaltung. Sie hatten schon früh darauf gedrängt, dass in Frachtern geflogene Packstücke nicht vollständig geröntgt werden müssen. Beide Integratoren setzen ausschließlich Cargo-Flugzeuge für ihren globalen Sendungstransport ein. Sicherheit war neben der Marktperspektive ohnehin das dominierende Thema auf dem Event. So beklagte Generalsekretär Raymond Benjamin von der UN-Tochter Icao, dass es zwischen der Cargo-Branche und vielen nationalen Zollbehörden immer noch keine gezielte Zusammenarbeit gebe. „Es sind oft leider noch immer Parallelwelten, in denen sich beide Teilnehmer bewegen“, monierte der oberste Icao-Funktionär. Vorstandschef Karl Ulrich Garnadt von der Lufthansa Cargo setzte sich für einen multifunktionalen Sicherheitsansatz ein. Dabei spielt das Röntgen von Sendungen eine wichtige Rolle, ergänzend hinzu kämen aber Detektionsgeräte zum Erkennen von in Packstücken verborgenen Sprengstoffen, der Einsatz von Schnüffelhunden sowie die Durchsuchung von verdächtig erscheinenden Sendungen per Hand. Besonders setzte sich der Lufthansa-Frachtchef für intelligente, datengestützte Sicherheitsansätze ein, um Risikosendungen schon im Vorfeld identifizieren und aus dem Verkehr ziehen zu können. Zwischen Pessimismus und Optimismus Was die Marktsituation angeht, das zweite große Thema der Tiaca, schwankte die Stimmung der Teilnehmer zwischen Pessimismus und Optimismus. Einig war sich die Branche darin, dass das Licht am Ende des Tunnels noch nicht recht zu erkennen ist. Man befinde sich in einer Talsituation, sagte etwa Delta-Boss Anderson. Die Konsequenz für sein Top-Management: Speziell wegen der Zustände in Europa habe Delta die Kapazität um drei Prozentpunkte gesenkt. Positiv würden sich hingegen Mexiko und Brasilien entwickeln, merkte Anderson an. Auch die Lufthansa Cargo hat durch Frequenzreduzierungen derzeit Kapazitäten in der Größenordnung von zwei MD-11-Frachtern aus dem Markt genommen. „Wir planen momentan von Monat zu Monat“, wies Garnadt auf die anhaltende Volatilität vieler Märkte hin. Neben der aktuell schwierigen Marktsituation wies er zugleich auf Bremsklötze hin, mit denen die Frachtfluglinien speziell in Deutschland konfrontiert seien. So habe die Lufthansa Cargo für 2012 ursprünglich mit einem Jahresumschlag von rund zwei Millionen Tonnen kalkuliert. „Durch das Frankfurter Nachtflugverbot ist uns aber viel Geschäft weggebrochen, sodass es am Ende des Jahres wohl auf 1,6 Millionen Tonnen hinauslaufen wird.“ Inzwischen hat der Frachtkranich die Bemühungen intensiviert, die Zustellketten gemeinsam mit Lieferanten und Spediteuren so zu gestalten, dass die Sendungen frühzeitiger angeliefert werden, um die Nachtsperre zu umgehen. Mengenrückgang von zehn Prozent Achim Martinka, Amerika-Chef des Frachtkranichs, berichtete von einem Mengenrückgang von rund zehn Prozent auf den Routen seiner Gesellschaft von den USA nach Europa. Hingegen laufe der neu eingeführte LH-Frachter von Houston und Dallas nach Manchester ausgesprochen gut. Herman Hoornaert, der Frachtchef von Brussels Airlines, wies auf den ausgesprochen hohen Ladefaktor seiner Flugzeuge auf den Afrika-Umläufen hin. Diese liegen seinen Worten zufolge im Schnitt bei über 90 Prozent. Jack Lampinski, Amerika-Chef von Swiss WorldCargo, nannte jene Atlantik-Routen seiner Airline aus Frachtsicht erfolgreich, die täglich angeboten werden. Durch diese Konstanz gebe es ein stabiles Aufkommen, so der Manager. Strecken hingegen, die nur drei- oder viermal wöchentlich bedient würden, täten sich in Sachen Luftfracht deutlich schwerer. Wachstum von 5,2 Prozent Die Rolle des Hoffnungsträgers der Branche übernahm in Atlanta Flugzeugbauer Boeing. Zwar liege das weltweite Mengenaufkommen in 2012 bislang rund einen Prozentpunkt unter der Vorjahrestonnage. Und auch 2013 sei keine nachhaltige Besserung in Sicht, sagte der Regionaldirektor für Geschäftsentwicklung und Strategie, Tom Crabtree. Immerhin kündigte er für die Zeit danach in seiner Branchenvorschau bis 2031 solide Wachstumszahlen an. Laut Crabtree werde Luftfracht bis Ende des zweiten Jahrzehnts um durchschnittlich 5,2 Prozent jährlich zulegen. Dabei sind deutliche regionale Unterschiede erkennbar, mit hohen Steigerungsraten der Tonnage in neuen Märkten wie Lateinamerika, Afrika und vor allem bei innerasiatischen Transporten. Verglichen damit bleibt Europa, und dort vor allem die krisengeschüttelten Mittelmeerländer, beim Mengenaufkommen deutlich zurück ❙❚■ Heiner Siegmund, freier Journalist Die Luftfracht kämpft mit Sicherheitsvorschriften und Marktrückgängen Internationaler Luftfrachtverband The International Air Cargo Association (Tiaca) ist ein in den USA beheimateter, internationaler Verband der Luftfrachtbranche. Zu den Mitgliedern der 1994 gegründeten Organisation zählen knapp einhundert Unternehmen, vor allem aus den Bereichen Airlines, Logistikdienstleister, Verlader und Flughäfen. Die Tiaca hat im Jahr 2012 zusammen mit dem Airline-Verband Iata, dem Speditionsverband Fiata und der Verladerorganisation GSF die Luftfracht-Initiative „The Global Air Cargo Advisory Group (GACAG)“ gegründet. Diese Organisation soll gemeinsame Positionen im Bereich Sicherheit, Nachhaltigkeit, Umwelt und E-Commerce gegenüber staatlichen Organisationen und der Öffentlichkeit vertreten. ak Tiaca-Konferenz