Supply Chain am Bau

Beim Innenausbau wird lediglich ein knappes Drittel der Arbeitszeit tatsächlich gebaut. Der Rest entfällt auf Transporte, Wege, Auf- und Umräumen, auf "Abwesenheit und persönlich bedingte Unterbrechungen" sowie die allseits beliebte Position "sonstiges". Die Erhebung der Universität Dortmund stellt den logistischen Abläufen auf Baustellen ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2006. Vielleicht haben sich die Werte mittlerweile verbessert. Schließlich gewinnt ganzheitliche Baulogistik zunehmend an Bedeutung, wie Joseph Dörmann vom Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) betont. "Zum ersten Mal kam eine koordinierte Baulogistik bei der Bebauung des Potsdamer Platzes in Berlin in den Jahren ab 1990 zum Einsatz", sagt Dörmann. "Seither werden Baulogistik-Dienstleister verstärkt bei komplexen Projekten eingesetzt." Eine Herausforderung besteht darin, dass die Materialien in der Regel nicht zentral, sondern von den einzelnen Handwerkern frei Baustelle geordert werden. Geliefert werden sie entweder vom Baustoffhandel, vom Produzenten oder von Dienstleistern, die in deren Auftrag fahren. Dies beschert der Supply Chain eines Bauprojekts laut Dörmann eine gewisse Komplexität (siehe Interview Seite 24). Gute Planung hilft Kosten zu vermeiden Experten unterscheiden zwischen planender und operativer Baulogistik. "Es geht darum, die Personen-, Fahrzeug- und Materialströme einer Baustelle durch zentrale Steuerung möglichst effizient zu gestalten", erklärt Dirk Chmel, Geschäftsführer der Reichel Ingenieurgesellschaft für Projektmanagement. Das Aufgabenspektrum reicht von der Einrichtung der Baustelle mit Bauzaun, Kränen, Anliefer- und Lagerzonen über die Versorgung der einzelnen Gewerke mit Materialien bis hin zur Entsorgung der Baustelle von Abfällen und Verpackungen. Zur "Baustellenlogistik" zählt unter anderem die Lieferung des Materials an den Ort, an dem es benötigt wird. Die Baulogistik-Planung wird in einem Handbuch festgeschrieben. Der operative Baulogistik-Dienstleister vor Ort ist dafür verantwortlich, dass die Vorgaben umgesetzt und die Regeln eingehalten werden. Bei unvorhergesehenen Ereignissen sorgt er dafür, dass schnellstmöglich wieder alles rund läuft. "Die Regularien des Baulogistik-Handbuchs sind von allen Auftragnehmern und deren Nachunternehmern, zu denen auch Speditionen und Transportdienstleister zählen, zu befolgen", berichtet Chmel. "Dabei bleibt ein Auftragnehmer jedoch grundsätzlich für seine Materialdisposition verantwortlich." Spediteur als Baulogistiker gefragt Peter Schmitt, Geschäftsführer der Spedition Schmitt Peterslahr aus Oberhonnefeld, die den Großteil ihres Umsatzes im Geschäftsfeld Baulogistik und Entsorgung erwirtschaftet und dort 120 eigene Kipperfahrzeuge einsetzt, hat im Schüttgutbereich bisher kaum Erfahrungen mit übergeordneter Baulogistik gemacht. "Dort ist dies noch nicht so verbreitet. Meistens werden wir ja tätig, bevor die Kräne aufgebaut werden." Bei der Versorgung von Straßenbaustellen mit bituminärem Asphaltmischgut werde dagegen häufig sein Unternehmen mit der Baulogistik beauftragt: "Wir beraten im Vorfeld, wie die Belieferung optimiert werden kann, und planen unsere Fahrzeuganzahl und -taktung gemäß den Tonnenvorgaben des Auftraggebers." Bei Verzögerungen durch Staus schicke er dann durchaus zusätzliche Fahrzeuge los, um pünktlich liefern zu können. "Gerade beim Straßenbau ist das wichtig, um zum Beispiel einen Abriss bei der Fertigung von Asphaltdecken zu vermeiden." Vom Auftraggeber oder einem Baulogistik-Dienstleister vorgegebene Taktungen und Fahrpläne führen laut Schmitt häufig zu Verzögerungen an den Be- oder Entladestellen. Sein Fazit: "Nicht immer lassen sich theoretische Ansätze reibungslos in die Praxis umsetzen." Die Spedition Fürmetz aus Taufkirchen war bislang noch nicht in zentralisierte Baulogistik-Prozesse involviert. Das Unternehmen beliefert große und kleine Baustellen mit Baustoffen aller Art (siehe Kasten oben). Die Aufträge stammen von Baustoffhändlern oder -produzenten. Sowohl Anton Fürmetz junior als auch Peter Schmitt betonen jedoch, dass leistungsfähige Telematiksysteme in dieser Branche längst ein Muss sind. Auch die Spediteure, die für den Baustoffhändler BayWa fahren, müssen die Telematikgeräte des Transportdispositions- und -managementsystems nutzen, das die BayWa 2012 in Betrieb nahm (siehe VR 6/2014). "Unser Service besteht nicht nur aus dem Transport zur Baustelle", erklärt Herbert Wolf, Leiter Transport- und Lagerlogistik. Er hält die Logistikleistungen der BayWa durchaus für vergleichbar mit denen einer übergeordneten Baulogistik. "Bei der Versorgung von Baustellen unterschiedlichster Komplexität mit Baumaterialien verbringen wir mit unseren Kranfahrzeugen das Material an den Verarbeitungsort und nutzen, falls erforderlich, unsere Betriebe als Pufferlager." Wolf weiß die übergeordnete Regelung der Logistikprozesse einer Baustelle zu schätzen. "Damit lassen sich zum Beispiel bei Baustellen an stark frequentierten Straßen Schwierigkeiten bei der Anlieferung vermeiden. Dort passiert es immer wieder, dass unsere Fahrzeuge zum Abladen eine Fahrspur blockieren." Auch der Informationsfluss sei bei zentraler Steuerung optimiert. "Je mehr Vorlauf, desto eher können wir Belieferungen kombinieren, was die Zahl der Transporte senkt", sagt Wolf. Natürlich erleichtern auch neue Technologien die Baulogistik. So gibt es Navigationsgeräte mit Geometriefunktionen, mit denen Fahrer selbst dann zum Ziel finden, wenn klassische Navigationsgeräte mangels Straßennamen in Neubaugebieten versagen. Online-Avisierungssysteme ermöglichen Just-in-time-Anlieferungen auf der Baustelle. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sowohl Disponenten als auch Fahrer über Internetzugang und E-Mail-Anschluss verfügen. Bündelung von Transporten zweitrangig Dirk Chmel berichtet, dass Barcode-Scanner für die Ausgabe und Rücknahme von Behältern, die innerhalb der Baustelle genutzt werden, zum Einsatz kommen. RFID-Chips finden sich mittlerweile bei Baustellenausweisen und erleichtern die Zugangskontrollen. "Für die Anlieferung von Material hat sich die RFID-Technologie allerdings nicht durchgesetzt", so der Geschäftsführer der Reichel Ingenieurgesellschaft. Am wichtigsten ist jedoch die professionelle Planung der gesamten Logistikprozesse einer Baustelle. Allerdings besteht das primäre Ziel einer ganzheitlichen Baulogistik darin, die Abläufe auf der Baustelle zu optimieren. Eine Bündelung der Transporte steht nicht im Fokus. Angesichts der Beförderungsleistung für den Bereich Bau, die sich laut Kraftfahrtbundesamt im Jahr 2013 auf 16 Prozent der innerhalb Deutschlands gefahrenen Tonnenkilometer summierte, ist das bedauerlich. Der Beliebtheit professioneller zentralisierter Baulogistik-Lösungen auch bei Speditionen und Transportunternehmen, die für die Bauwirtschaft tätig sind, scheint dies nicht zu schaden, wie Dirk Chmel abschließend betont: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich eine funktionierende Baulogistik auf allen Seiten großer Akzeptanz erfreut." Die Spedition Fürmetz geht auf Nummer sicher Fotografierende Fahrer Steine, Ziegel, Zementsäcke, Dämmung, Waschbecken, Marmor, Kamine ...Mit Ausnahme von Flüssigtransporten fährt die Spedition Fürmetz Baumaterialien aller Art. Die Flotte des oberbayerischen Unternehmens aus Taufkirchen umfasst 70 eigene Fahrzeuge. Dazu disponiert Fürmetz etwa 20 Einheiten von Subunternehmern. Zu den Aufgaben der Fahrer zählt auch das Fotografieren: Mit ihrem Tablet, das Teil der Telematikausstattung ist, machen sie auf der Baustelle ein Bild der von ihnen gelieferten Güter. "Damit dokumentieren wir, dass wir die Ware vollständig und sauber abgeladen haben", erklärt Anton Fürmetz junior. "Die Investition für die insgesamt 75 Tablets war zwar nicht zu unterschätzen. Sie hat sich aber gelohnt, weil wir damit viele Diskussionen vermeiden können."Im Schnitt fahren die Fürmetz-Lkw täglich 350 Baustellen an. Miteinander vernetzte Disposition- und Telematiksysteme mit GPS sorgen für Transparenz und die durchgehende elektronische Dokumentation der Aufträge - von der Erfassung bis zur Rechnungsstellung. "Angesichts der immer kurzfristigeren Anlieferzeiten, die uns vorgegeben werden, ist das heute ein Muss", unterstreicht Fürmetz. Trotz Digitalisierung legt er jedoch Wert darauf, dass der Ablieferbeleg auf Papier unterschrieben und dann nachträglich eingescannt wird. "Auch wenn es für die Fahrer manchmal nicht einfach ist, den dafür zuständigen Polier oder Bauleiter zu finden, gehen wir auch hier auf Nummer sicher." eee

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