Berlin. Wenn die Rede auf die Niederlande kommt, hellt sich die Miene von Jörg Adolf, Chefvolkswirt des Mineralölkonzerns Shell, auf. Dort gebe es vier LNG-Tankstellen für schwere Laster, in Deutschland hingegen nicht eine einzige. „Hierzulande muss eine LNG-Infrastruktur erst noch aufgebaut werden.“ LNG ist verflüssigtes Erdgas, das als Alternative zum Diesel die klimapolitische Bilanz des Verkehrs verbessern würde. Anders als beim Diesel fallen beim LNG kein Schwefeldioxid und keine Rußpartikel an, auch der Kohlendioxidausstoß ist deutlich geringer. Doch werden schwere Lkw langfristig wenig zum Klimaschutz beitragen. Davon zumindest geht Shell in seiner kürzlich veröffentlichten Nutzfahrzeug-Studie aus.
Danach wird der Bestand an Nutzfahrzeugen in Deutschland zwischen 2014 und 2040 um mehr als 20 Prozent auf 3,5 Millionen Fahrzeuge wachsen – bei einer Steigerung des Güterverkehrsaufkommens von 4,1 auf 4,8 Milliarden Tonnen. Während bei den leichten Nutzfahrzeugen mit kurzen Fahrstrecken LNG und elektrische Antriebe auf dem Vormarsch seien, werde diese Entwicklung bei schweren Lkw nicht erwartet. „Je schwerer der Lkw, desto seltener sind alternative Antriebe“, resümiert Ingenieur Andreas Lischke vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das die Expertise zusammen mit Shell erarbeitet hat.
Die Autoren unterscheiden darin zwei Szenarien bis 2040: einerseits das Trendszenario, das die Entwicklung der Vergangenheit mit effizient verbessertem Dieselantrieb und flüssigen Kraftstoffen fort schreibt. Alternative Antriebe bleiben hier die Ausnahme. Andererseits das Alternativszenario, das einen massiven Wandel der Rahmenbedingungen und größeren technischen Fortschritt voraussetzt. Unter anderem verlangen Politik, Gesellschaft, Handelsunternehmen und Konsumenten hier mehr Nachhaltigkeit bei Lieferprozessen. Danach würden 45 Prozent der schweren Lkw (Bestands-Lkw) mit LNG angetrieben. Derzeit ist Diesel mit 95 Prozent am verbreitetsten.
Mit Blick auf die Zukunft gebe es bisher bei der Reduktion des Energiebedarfs von Lkw-Flotten ein Dilemma: Fahrzeugsegmente, in denen neue, energiesparende Antriebstechniken eingeführt werden könnten, absolvieren nur geringe Fahrleistungen bei geringen Durchschnittsverbräuchen. „Im Straßengüterverkehr mit hohen und zudem stark wachsenden Fahrzeugfahrleistungen erfüllen alternative Antriebe die Anwenderanforderungen auf absehbare Zeit (noch) nicht.“ Lischkes Fazit: Obwohl elektrische Antriebe und Gas an Bedeutung gewinnen würden, leisten Lkw keinen ausreichenden Beitrag zu den aktuellen Energie- und Umweltzielen der Regierung.
Shell-Experte empfiehlt LNG-Förderung
Da die Klimawende im Straßenverkehr in weite Ferne rücke, empfiehlt Shell-Chefvolkswirt Adolf eine steuerliche Förderung von LNG. Dadurch werde die Anschaffung von Lkw mit LNG-Antrieb für die Güterverkehrsbranche attraktiver. Er beziffert die jährlichen Mehrkosten gegenüber Dieselfahrzeugen mit 30.000 Euro pro Sattelzug. LNG müsse deshalb an der Tankstelle 10 bis 20 Prozent günstiger sein als Diesel. Lischke hält 10 bis 15 LNG-Tankstellen an deutschen Autobahnen für ausreichend. Hoffnung setzen die Autoren der Studie auf ein Konzept, das das Bundesverkehrsministerium im November vorlegen will.
Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) drückt bei diesem Thema aufs Tempo. „Die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, von Strom und Gas bis zum Wasserstoff in Europa, muss rasch ausgebaut werden“, betonte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Die technische Optimierung der Fahrzeuge allein reiche nicht aus, um die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs wirksam zu senken. (jk)
Studie: LNG im Lkw in nächster Zeit kein Thema
Schwere Lastwagen belasten die Umwelt künftig weiter, denn alternative Antriebe führen ein Schattendasein. Das geht aus der Nutzfahrzeug-Studie von Shell hervor.