Brüssel. Die Liberalisierung der Postdienstleistungen in der EU hat ihre Ziele verfehlt, mehr Arbeitsplätze und flächendeckend besseren Service zu niedrigeren Preisen zu schaffen. Auch ein funktionierender Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern findet nur in einigen Ländern - darunter auch Deutschland - ansatzweise statt. Das stellt eine Studie der „Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt” (Forba) aus Wien fest. Abgeordneten des Europaparlaments wurde diese Studie am Dienstag in Brüssel vorgestellt. Der europäische Gewerkschaftsverband Uni Europa hatte sie in Auftrag gegeben.
Im Durchschnitt sei die Beschäftigungsrate bei den ehemaligen Post-Monopolisten EU-weit zwischen 20 und 30 Prozent gefallen, ohne, dass in gleichem Maße neue Arbeitsplätze bei den Neueinsteigern im Markt geschaffen wurden. Diese, aber auch die ehemaligen Monopolisten, würden unter dem Preisdruck immer häufiger mit wenig qualifiziertem Personal zu niedrigsten Kosten zusammenarbeiten, oft in freiberuflicher Position.
Paketzusteller in Deutschland würden bei einer Vergütung von 70 bis 90 Cent pro abgeliefertem Paket durchschnittlich auf einen Stundenlohn von fünf Euro kommen. Das sagte Christoph Hermann, Autor der Studie, in einem Pressegespräch. 15-Stunden-Arbeitstage seien dann keine Ausnahme, wenn der Zusteller von diesem Gehalt leben wolle.
Ländliche Gebiete leiden unter dem Kostendruck
Dort, wo Wettbewerber den Sprung in den Markt geschafft hätten, würden sie meist nur in Ballungszentren den ehemaligen Monopolisten Konkurrenz machen. Dort seien leicht Gewinne zu erzielen. Das Nachsehen hätten ländliche Gebiete, in denen - ebenfalls wegen des Kostendrucks - der ehemalige Monopolist immer mehr Büros schließen müsse. „Von den 2000 Postämtern im Jahr 2000 sind heute noch 500 übrig”, nannte Helmut Köstinger von der österreichischen Postgewerkschaft ein Beispiel aus seiner Heimat.
Uni Europa will mit der Forba-Studie ein Gegengewicht schaffen zu dem erwarteten Bericht der EU-Kommission, den sie eigentlich schon Ende 2013 aufgrund einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienstleistungen (WIK) hätte veröffentlichen sollen. Bislang liegt nur die WIK-Studie vor. Sie stellt ebenfalls den Rückgang der Beschäftigung im Postsektor fest. „Allerdings nicht so stark, wie unsere Studie”, sagte Hermann.
Beide Studien stützen sich in ihren Aussagen auf Daten aus nur einigen EU-Ländern. Denn: „Leider ist die europäische Statistikbehörde Eurostat nicht in der Lage, vergleichende Zahlen aus allen EU-Ländern zu liefern”, betont Hermann. (kw)