Streit um Transit-Regel

Wenige Wochen nach Einführung des Mindestlohns sieht sich die Bundesregierung deutlicher Kritik der EU-Kommission und der osteuropäischen Nachbarn ausgesetzt. Nach Auffassung der Regierung greift der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro auch für Lkw-Fahrer ausländischer Arbeitgeber, selbst wenn diese Deutschland nur als Transitstrecke nutzen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) warnte vor schwerwiegenden Folgen für deutsche Anbieter, sollte die Kommission die bisherige Regelung für unzulässig erklären. Kritik aus Polen, Tschechien und Ungarn Polnische Transportverbände hatten die deutsche Mindestlohnregelung als "diskriminierend" kritisiert. Auch in Tschechien und Ungarn äußerten Transportunternehmer ihren Unmut. Daraufhin hat EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc mit einem Brief an die Bundesregierung ein sogenanntes Pilotverfahren eingeleitet. In dem Schreiben wird die Regierung aufgefordert, "zu erläutern, welches überwiegende öffentliche Interesse" es rechtfertige, dass den Mindestlohn auch ausländische Verkehrsunternehmen zahlen müssen. Aus dem Arbeitsministerium hieß es, die Regierung werde sich "konstruktiv" in das Verfahren einbringen. Im laufenden Pilotverfahren gehe es allein um "spezielle Fragen" der Anwendung des Mindestlohns für ausländische Spediteure. Wird in dem Verfahren keine Lösung gefunden, kann die EU-Kommission ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Bulc und EU-Arbeitskommissarin Marianne Thyssen wurden Anfang der Woche zu schon länger geplanten Gesprächen mit Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in Berlin erwartet. Unterdessen hat die polnische Regierung Berlin aufgefordert, die neue Regelung für Fahrer im Transitverkehr nicht anzuwenden, bis die EU-Kommission geprüft habe, ob diese mit europäischem Recht vereinbar sei. Dem Vernehmen nach wollte Polens Ressortchefin Maria Wasiak im Laufe der Woche mit Dobrindt über das Problem sprechen. Jan Buczek, Vorsitzender des Verbands internationaler Transportunternehmen in Polen (ZMPD), sagte, die Erhöhung der Kosten könne den Bankrott zahlreicher polnischer Firmen bedeuten. Der BGL sieht für Speditionen mit Standort Deutschland einen "Super-Gau programmiert". "Wenn keine Dienstleistungen für in Deutschland tätige Vertragsparteien erbracht werden, fallen diese nach Auffassung der EU-Kommission wohl nicht unter die Mindestlohnvorschriften. Dies wäre nicht nur dann der Fall, wenn Transitfahrten durch gebietsfremde Auftraggeber durch die Bundesrepublik Deutschland hindurchführen", heißt es in einer Erklärung des Verbandes. "Die EU-Kommission hegt ebenfalls für Verkehre, die von gebietsfremden Auftraggebern für Dienstleistungen in Deutschland disponiert werden, Zweifel daran, dass diese nach der Entsenderichtlinie den Mindestlohnbedingungen unterworfen werden dürfen. Sollte sich dies bestätigen, sind weitreichende Folgen für die Umsetzung des Mindestlohns im grenzüberschreitenden Verkehr zu erwarten". Das Arbeitsministerium müsse "unterlassene Hausarbeiten" nachholen, "um Schlimmeres zu verhindern". Hintergrund Mindestlohn-Kontrolle Für die Kontrolle des Mindestlohns ist auch bei ausländischen Lkw-Fahrern der deutsche Zoll zuständig. Das entsendende Unternehmen muss dem Zoll eine Einsatzplanung vorlegen. Zusätzlich kann der Zoll Arbeitnehmer auf der Autobahn kontrollieren. Außerdem kann der Zoll auch von polnischen Spediteuren Daten etwa zum Gehalt verlangen und dann die Einhaltung des Mindestlohns überprüfen. jök