Start-ups in den Startlöchern

Sinnlose Faxe und Telefonate und am Ende fuhren unsere Lkw halbleer vom Hof. So erlebte eine Studentin ihr Praktikum in einer Spedition. Sie selbst studiert Logistikmanagement an der Kühne Logistics University in Hamburg. Für sie sei dies nicht nachvollziehbar - nicht in der heutigen schnellen Welt des Internets und E-Commerce. "Höchste Zeit also", meint sie, "dass die Transportbranche endlich im Internetzeitalter ankommt." Eine Meinung, die die 20-Jährige mit vielen Studentenkollegen teilt, wie Gespräche am Rande des Logistics Start-up-Days in Hamburg zeigten, zu dem die Kühne Logistics University (KLU) eingeladen hatte. "Zunächst wollten wir nur ein, zwei Start-ups vorstellen", sagt Professor Hanno Friedrich, der den Tag organisiert hat. Am Ende sei die Resonanz so groß gewesen, dass insgesamt elf Unternehmensgründer ihre neuen Geschäftsmodelle im Zeitalter von Logistik 4.0 präsentierten. Ein bunter Mix mit bunten Lebensläufen, die nun allesamt in die Logistikbranche streben. Beispiel Ferry Heilemann: Einst hat er die Gutschein-Onlineplattform Daily Deal gegründet, dann für 114 Millionen Euro an Google verkauft, zurück- und wieder verkauft. Nun will er mit FreightHub die Seefracht revolutionieren. Oder Rolf Dieter Lafrenz: Der einstige Otto-Group-Manager ist eigentlich geschäftsführender Gesellschafter der Schickler Medienberatung. Nun tritt er als Co-Founder und Geschäftsführer der Onlinespedition Cargonexx auf. So bunt die Vita der Start-up-Gründers, so bunt ist auch die Palette der Geschäftsmodelle: Ob Logistikplattform (FreightHub, Flexport), digitale Spedition (Cargonexx, InstaFreight), Same-Day-Kurierplattform (Liefery) oder schlichtweg intelligente IT-gestützte Routenoptimierung (Graphhopper, Evertracker) - die Vielfalt ist groß. Der Anspruch aller: Sie wollen mit ihren neuen Geschäftsmodellen die digitale Transformation in der Transport- und Logistikbranche vorantreiben. "Gerade in den letzten ein, zwei Jahren ist die Zahl der Start-ups in der Logistikbranche deutlich gestiegen - da ist momentan eine Riesenwelle da", sagt Professor Friedrich. Zudem gebe es Investoren - zumindest für die erste Finanzierungsrunde. Erfahrungswerte fehlen Und ebendiese Neu-Anbieter konkurrieren aktuell untereinander und mit den etablierten Speditionen und Frachtenbörsen darum, den Versand von Waren zu organisieren und Ladekapazitäten möglichst hoch auszulasten. "Mit der Folge, dass es für Verlader, Spediteure und Frachtführer immer schwieriger wird, auszumachen, was die einzelnen Anbieter unterscheidet", sagt Friedrich. Denn aufgrund der Vielfalt der neuen Anbieter fällt es schwer, diese zu kategorisieren. Geschweige denn, dass es wirkliche Erfahrungswerte gibt, was digitale Speditionen leisten können - im Vergleich zu klassischen Speditionen. Oder aber welche Vor- und Nachteile Online-Speditionen im Vergleich zu klassischen Frachtenbörsen haben. Alles das sind Fragen, die auch der KLU-Start-up-Day nicht abschließend klären konnte. Fest steht nur: Die Start-ups wirbeln im Moment die Logistikbranche mächtig durcheinander und der Markt wird damit noch unübersichtlicher. "Deshalb Augen auf!" warnt Friedrich mittelständische Transport- und Speditionsbetriebe, wachsam zu bleiben und die Neuerungen im Blick zu haben. Nicht nur weil das eine oder andere Start-up möglicherweise zum Mitbewerber wird. Es könnte sich auch durchaus ein Investment in die Jungunternehmen lohnen. "Das kann auch für Mittelständler eine echte Chance bieten", ist Logistik-Experte Friedrich sich sicher. Mehr dazu im Dossier "Start-ups in der Logistk" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Überblick Das sind innovative Logistik-Start-ups Ob als Online-Marktplatz, Logistikplattform oder digitale Spedition - in der Transport-, Speditions-, KEP- und Logistikbranche haben sich diverse neue Logistik-Start-ups positioniert. Hier eine kleine Auswahl:Flexport ist ein US-Unternehmen, das von Ryan Petersen m März 2013 in San Francisco gegründet wurde. Dahinter stehen Investoren wie Founders Fund, Google Ventures und Bloomberg Beta. Kernstück ist eine Online-Plattform, das sogenannte Dashboard, auf dem die Kunden ihre gesamte Logistik verwalten können. Über die Plattform bietet Flexport Unternehmen die Buchung von Luftfracht, Seefracht sowie Landtransporten. 2016 eröffnete Flexport zudem ein Büro in Amsterdam.FreightHub positioniert sich als voll digitale Frachtspedition mit Fokus auf Seefracht-Transport. Das Berliner Unternehmen ist 2016 gestartet. Das Start-up bündelt in einer Datenbank etwa Seefrachtraten, Hafengebühren, Routen, Schiffslaufzeiten und Zollformalitäten. Kunden erhalten einen Preisvergleich für ihren Transport und können diesen direkt online buchen. FreightHub wickelt den Transport dann als verantwortlicher Dienstleister ab. Gründer sind die Brüder Fabian und Ferry Heilemann, die einst den Groupon-Klon Daily Deal gegründet und später an Google verkauft haben.Cargonexx ging 2016 in die Testphase und präsentiert sich als Online-Spedition mit Fokus auf Landtransporte. Hinter Cargonexx steht der Start-up-Inkubator der Schickler Beratungsgruppe in Hamburg. Das Start-up hat ein selbstlernendes neuronales Netz entwickelt, das Spotmarkt-Preise für einzelne Lkw-Touren vorhersagt. Zu diesen Preisen übernimmt Cargonexx die Frachten als haftender Spediteur und organisiert die Durchführung. Das Start-up will nach eigenen Angaben Spediteuren und Transportbetrieben keine Konkurrenz machen, sondern mit ihnen zusammenarbeiten.InstaFreight will nach eigenen Angaben Europas führende B2B-Online-Spedition für den Gütertransport werden. Dafür stellt das Start-up aus dem Hause Rocket Internet eine Online-Buchungsplattform für Transporte bereit. Die Transporte, die über angeschlossene Partner-Speditionen abgewickelt werden, sind zum Festpreis online buchbar. Für den Händler ist InstaFreight der verantwortliche Dienstleister, der auch die Rechnung stellt.Seven Senders sitzt in Berlin und wurde 2015 gegründet. Das Unternehmen will Lieferungen ins Ausland für Onlineshops günstiger machen. Hinter dem Start-up stehen Investoren wie die Venture-Capital-Gesellschaft b-to-v und Business Angels. Für die Paketzustellung kooperiert Seven Senders mit Speditionen, die den grenzüberschreitenden Transport ins Ausland organisieren oder mit eigenen Lkw durchführen, sowie mit lokalen Paketdiensten, die die Zustellung vor Ort übernehmen.Liefery positioniert sich als Same-Day-Makler und bietet eine IT-Plattform, die Kurierfahrer und Versender verbindet. Das Unternehmen ermöglicht es so, dass online bestellte Waren binnen 90 Minuten oder innerhalb wählbarer Zeitfenster dem lokalen Endempfänger ausgeliefert werden. Liefery ist ein Spin-Off von Time Matters. Mittlerweile hat sich auch die Hermes Logistik Gruppe an Liefery beteiligt.Xeneta wurde 2012 in Norwegen von CEO und Co-Founder Patrik Berglund gegründet. Das Start-up verspricht Versendern mehr Transparenz im Seefrachtmarkt. Xeneta hat dafür mit Big-Data- und Logistikspezialisten ein Preis-Benchmark-Tool entwickelt, das es Versendern ermöglichen soll, die jeweils günstigste Route und Linie zu ermitteln. Xeneta startete mit 5,3 Millionen US-Dollar Start-Kapital, etwa von Creandum, Point Nine Capital und Alden. eh